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    Nach einer wahren Geschichte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Nach einer wahren Geschichte
    Von Christoph Petersen

    Vier Jahre nach „Venus im Pelz“ macht der inzwischen 83-jährige Oscarpreisträger Roman Polanski („Der Pianist“, „Tanz der Vampire“) mit „Nach einer wahren Geschichte“ noch einmal einen Film. Das auf dem gleichnamigen Roman von Delphine de Vigan basierende Drehbuch dazu hat er gemeinsam mit dem Regisseur Olivier Assayas („Carlos – Der Schakal“, „Personal Shopper“) geschrieben. In Cannes hat es der Film zwar nicht in den offiziellen Wettbewerb geschafft, aber sich zumindest den prestigeträchtigen Slot am letzten Samstag gesichert. Doch dann entpuppt sich die letzte Premiere des Festivals zugleich als die größte Enttäuschung des Cannes-Jahrgangs 2017. In Anbetracht der beteiligten Namen waren unsere Erwartungen womöglich etwas zu hoch, aber selbst wenn man das rausrechnet, bleibt „Nach einer wahren Geschichte“ ein geschwätziges, visuell kaum auffälliges Thriller-Drama, das seinem zentralen Thema, den finsteren Seiten des Romanschreibens, auch nichts wirklich Neues abgewinnt.

    Mit einem Roman über ihre Mutter hat Delphine de Vigan (Emmanuelle Seigner) einen echten Bestseller gelandet. Aber das Schreiben des Buches hat sie viel Kraft gekostet, zudem erhält sie immer wieder anonyme Schmähbriefe, in denen ihr vorgeworfen wird, sie hätte ihre Familie mit dem Roman verraten und verkauft. Nach einer Autogrammstunde, die Delphine entkräftet vorzeitig abbricht, stößt sie auf die geheimnisvolle Elle (Eva Green), die sich als ihr größter Fan vorstellt und sich schon bald immer mehr in das Leben der Schriftstellerin drängt: Während Delphine gegen ihre Depressionen und ihre Schreibblockade ankämpft, übernimmt die eigentlich als Ghostwriterin tätige Elle (französisch für „Sie“) ihre gesamte Korrespondenz, sie wehrt lästige Anfragen ab und zieht schließlich sogar mit in die Wohnung. Aber mit der zunehmenden Abhängigkeit wächst  auch Elles Eifersucht – selbst wenn Delphine einfach nur einem Radiosender ein Interview gibt, macht das Elle unheimlich wütend…  

    Die Hauptfigur im Roman (und jetzt in der Verfilmung) ist die Autorin des Romans selbst – eine schön vertrackte Meta-Spielerei, zumal Emmanuelle Seigner (der einst mit Polanskis „Frantic“ der Durchbruch als Schauspielerin gelang) die einzige ist, die mit ihrem gedämpften Spiel eine gewisse Intransparenz und damit Spannung in den Film einbringt. Eva Green („James Bond 007 - Casino Royale“, „Penny Dreadful“) räumt hingegen gleich bei ihrem ersten Auftritt mit ihrem grimmig-verschlagen Blick alle Zweifel an den Absichten ihrer Figur aus und zieht das auch bis zum Schluss ohne nennenswerte Variationen durch. Damit ist ihre Elle ähnlich leicht zu durchschauen wie der Plot selbst: Während wir natürlich nicht wissen, ob Polanski und Assayas den finalen Twist des Films tatsächlich als Überraschung geplant haben, sollte jeder, der in seinem Leben schon ein paar Thriller gesehen hat, die Auflösung ziemlich schnell vorausahnen, wenn nicht sogar vollständig durchschauen können.

    Aber das allein wäre gar nicht so schlimm gewesen, denn im Kern ist „Nach einer wahren Geschichte“ sowieso eher ein düsteres psychologisches Drama über die inneren Abgründe, in die sich jeder hineinzustürzen bereit sein muss, der ein wirklich ehrliches persönliches Buch schreiben will. Nur kommt dabei leider kaum Aufregendes über das mitunter brandgefährliche Verhältnis eines Autors zu seinem Werk bei rum. Gerade wenn man den Film mit thematisch ähnlichen Meisterwerken wie „Adaption.“ oder „Barton Fink“ vergleicht, fällt sofort auf, wie wenig Eigenständiges Polanski dazu einfällt – und das schließt leider auch die visuelle Umsetzung mit ein: „Nach einer wahren Geschichte“ könnte man sich leicht auch als Theaterstück vorstellen, immerhin besteht er zum größten Teil aus Gesprächen zwischen Delphine und Elle – aber wo etwa François Ozon in seinem Cannes-Wettbewerbsfilm „L’Amant Double“ gerade noch bei der verspiegelten Inszenierung von Therapiesitzungen lustvoll über jedes Ziel hinausgeschossen ist, gibt es bei Polanski nicht eine Einstellung, die länger in Erinnerung bleiben würde. Aufregend wird es nur einmal zwischendurch, nämlich wenn sich Delphine eines Nachts vollgeschwitzt die Seele aus dem Leib kotzt – das erinnert tatsächlich für einen kurzen Moment an Polanskis verstörendes Psychosen-Frühwerk „Ekel“. Aber das ist zu wenig zu spät.

    Fazit: Eine enttäuschend dröge Angelegenheit – gerade bei den Namen Roman Polanski und Olivier Assayas hätte man sich deutlich mehr erwartet. So kann letztendlich allein Hauptdarstellerin Emmanuelle Seigner wirklich überzeugen.

    Wir haben „Nach einer wahren Geschichte“ bei den 70. Filmfestspielen in Cannes 2017 gesehen, wo er außer Konkurrenz im offiziellen Programm gezeigt wird.

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