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    The Recall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Recall
    Von Lutz Granert

    Eine Gefängnisstrafe ist nicht gerade förderlich für die Karriere, erst recht nicht wenn man ein allmählich alternder 90er Jahre-Actionstar ist. Seitdem Wesley Snipes („Blade“, „Demolition Man“) 2013 seine Haft wegen Steuerhinterziehung verbüßt hat, versucht er sich an einem Comeback, doch abgesehen von „Expendables 3“, in dem ihm Sylvester Stallone eine kleine Nebenrolle verschaffte, sind ihm Publikumserfolge bisher versagt geblieben. Die NBC-Thrillerserie „The Player“, in der er einen Gangster verkörperte, wurde wegen mieser Quoten nach nur einer Staffel wieder abgesetzt, auch Spike Lees Drama „Chi-Raq“ floppte an der Kinokasse und zuletzt enttäuschte der halbgare Genremix „Armed Response – Unsichtbarer Feind“. Diese Vorzeichen ließen für Snipes‘ neuesten Film „The Recall“ wahrlich nichts Gutes erwarten, aber Mauro Borrellis in den USA nur ganz klein in den Kinos gestarteter und in Deutschland von vornherein fürs Heimkino bestimmter SciFi-Thriller erweist sich immerhin als Genredurchschnittsware mit soliden Effekten und einem durchaus beachtlichen Unterhaltungswert – vor allem, tatsächlich, dank Wesley Snipes.

    Die fünf Teenager Charlie (Jedidiah Goodacre), Annie (Laura Bilgeri), Brendan (RJ Mitte), Rob (Niko Pepaj) und Kara (Hannah Rose May) fahren in die Wälder und wollen in einer abgelegenen Holzhütte ein Wochenende lang Party machen. Doch schon bei ihrer Ankunft vergeht ihnen die Feierlaune, denn ein furchteinflößender Jäger (Wesley Snipes) legt ihnen nahe, den Wald zu verlassen und wieder nach Hause zu fahren. Den Grund für die Warnung erfahren die fünf Freunde, als die Nacht hereinbricht: Ein mysteriöser Sturm zieht auf und Aliens landen auf der Erde. Die Außerirdischen haben es auf das jugendliche Quintett abgesehen…

    Zugegeben: Die schon hundertfach strapazierte Ausgangslage mit jungen Leuten und einer entlegenen Hütte trieft regelrecht vor Klischees – und das Gleiche gilt für die Charakterzeichnungen der fünf partywütigen Teenager. Vom traumatisierten Schüchternen über die verletzliche Einfühlsame und den durchdrehenden Draufgänger bis hin zur Sexhungrigen ist alles dabei. Auch „Breaking Bad“-Darsteller RJ Mitte als unverbesserlicher Nerd, der als Vorsichtsmaßnahme eine Kamera mit Bewegungssensoren im Wald aufstellt, sticht weniger schauspielerisch hervor als durch eine wirre Pseudo-Emofrisur, die er sich immer wieder aus dem Gesicht wischen muss.

    Aber das blasse Quintett hat ohnehin keine Chance gegen einen durchtrainierten Wesley Snipes („GallowWalkers“), der in seiner Mission als Alien-Jäger und Teenager-Beschützer in einer verstaubten Waldhütte haust und immer wieder eindrucksvoll seine Männlichkeit demonstriert. Ein Loch im Boden ausheben? Der namenlose Jäger greift nicht zu einem harmlosen Spaten, sondern zur ungleich maskulineren Spitzhacke. Einer der Teenies bedroht ihn mit einem Ast? Der namenlose Jäger hält ihm die Shotgun ins Gesicht und betont, dass er „den Größeren“ hat. Ein Alien greift an? Der namenlose Jäger tötet es, zieht es gut verpackt hinter sich her und präpariert es in seiner Hütte als wäre er Gunther von Hagens mit seiner „Körperwelten“-Ausstellung.

    Wenn die Autoren nicht mehr weiter wissen, kommt einfach Snipes‘ Figur als Allzweckwaffe zum Einsatz. Als die Teenies sich in einer Kampfpause verwirrt fragen, warum die Aliens sie überhaupt angreifen, ist der Ex-Astronaut und Jäger zur Stelle und erzählt untermalt mit unheilvoll-pathetischer Musik über mehrere Minuten eine abstrus ausgeschmückte Geschichte um extraterrestrische Experimente an der Menschheit. Das ist dann so absurd, dass man durchaus seinen Spaß dran haben kann, und Momente wie dieser machen den abstrus konstruierten und nur leidlich spannenden SciFi-Thriller mit Backwood-Slasher-Elementen (auf diesen Mix muss man erst einmal kommen!) letztlich überraschend unterhaltsam – ohne dass der Film deshalb gut wäre.

    Bis das Tempo endlich anzieht und die Alien-Invasion startet, vergeht erst einmal eine halbe Stunde Laufzeit mit langwieriger und dennoch höchst oberflächlicher Figureneinführung. Später gibt es dafür angesichts des schmalen Budgets erstaunlich solide visuelle Effekte und einige unerwartete Wendungen, zu denen auch gehört, dass Regisseur Mauro Borrelli („The Ghostmaker“) in den acht Minuten, die an Bord des Alien-Mutterschiffes spielen, plötzlich ein kleines Meisterstück des Produktionsdesigns einführt. Die detailreichen, an die „reale Welt“ in „Matrix“ erinnernden Raumschiffsets unter einer Blaublende zeugen von einem visuellen Einfallsreichtum, mit dem an der späten Stelle im Film nicht mehr zu rechnen war. Leider zeigt Borrelli, der früher im Art Department immerhin unter anderem an der Entwicklung der visuellen Konzepte zu „Fluch der Karibik“ und „Sleepy Hollow“ beteiligt war, nicht mehr davon.

    Fazit: Der betont viril agierende Wesley Snipes und ein abstruses Drehbuch am Rande des Trash sorgen in diesem handwerklich durchaus soliden Sci-Fi-Thriller für Kurzweil.

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