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    Glam Girls – Hinreißend verdorben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Glam Girls – Hinreißend verdorben

    Jede Menge Tempo und Glamour

    Von Antje Wessels

    Da kann man schon mal ein Déjà-vu haben: Schließlich hat Anne Hathaway erst im vergangenen Jahr eine tragende Rolle in „Ocean's 8“ gespielt. Bei der Ganovinnen-Posse handelt es sich um einen frauenzentrischen Reboot der starbespickten „Ocean's“-Reihe von Steven Soderbergh, deren erster Teil „Ocean's Eleven“ wiederum ein Remake von „Frankie und seine Spießgesellen“ (aus dem Jahr 1960) ist. In diesem Jahr nun spielt Hathaway erneut eine Hauptrolle in einer listigen Gauner-Komödie über trickreiche Frauen: „Glam Girls – Hinreißend verdorben“ von „Veep“-Veteran Chris Addison handelt von zwei Trickbetrügerinnen, die im atemberaubend schönen Beaumont-sur-Mer an der französischen Riviera ihr Unwesen treiben.

    Aber da enden die Parallelen noch lange nicht, denn auch die Vorgeschichte ist ganz ähnlich: Denn auch „Glam Girls“ ist wieder ein Remake mit getauschten Geschlechterrollen, diesmal von Frank Oz' 80er-Komödie „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“ mit Steve Martin und Michael Caine, die wiederrum auf Ralph Levys „Zwei erfolgreiche Verführer“ (von 1964) mit Marlon Brando und David Niven basiert. Im Vergleich zu den von Männern angeführten Vorgängern ist die Neuauflage zugleich schriller (nicht zuletzt aufgrund von „Pitch Perfect“-Star Rebel Wilson) und galanter (Anne Hathaways Garderobe ist zum Niederknien). Aber anders als der zwar solide, aber vor allem zu Beginn etwas trantütige „Ocean's 8“ entwickelt „Glam Girls“ von Anfang an den nötigen Schwung, den so ein glitzernd-glänzender Trickbetrugsspaß vor malerischer Kulisse auch einfach haben muss.

    Zwei ungleiche Trickbetrügerinnen, die sich aber trotzdem irgendwie zusammenraufen müssen...

    Die vorlaute Penny (Rebel Wilson) ist ebenso tollpatschig wie gerissen: Die Australierin zockt mit Vorliebe oberflächliche Typen ab, die sie über Dating-Apps kennenlernt. Aber auch den einen oder anderen Trickbetrug an Gelegenheitsbekanntschaften lässt sie sich nicht durch die Lappen gehen. Als sie eines Abends die Bekanntschaft der kultivierten, stets todschick gekleideten Josephine (Anne Hathaway) macht, fürchtet diese um ihr „Revier“. Denn Josephine ist eine extrem gerissene, hochprofessionelle Trickbetrügerin, die sich an der von reichen Männern hoch frequentierten Touristenfalle Beaumont-sur-Mer ein mehr als nur hübsches Sümmchen zusammenstibitzt. Da braucht es keine plumpere Konkurrenz, denkt sich Josephine, und versucht, Penny zu vertreiben. Als dies misslingt, begründen Penny und Josephine eine Zweckgemeinschaft, bei der sie zunächst eine Menge voneinander lernen. Aber schon bald kocht der Konkurrenzkampf zwischen den beiden wieder hoch…

    Auf der reinen Plotebene orientiert sich „Glam Girls“ eng an „Zwei hinreißend verdorbene Schurken“, dessen Handlung schon nur marginal von der von „Zwei erfolgreiche Verführer“ abweicht. Natürlich gibt es vereinzelte Modernisierungen wie etwa Pennys Masche, heuchlerische Dating-App-Nutzer übers Ohr zu hauen; und als Ziel einer Wette zwischen den beiden Damen dient nun ein Silicon-Valley-Millionär (Alex Sharp). Darüber hinaus wird aus der Rollstuhl-Betrügerei das stärker auf Rebel Wilsons Slapstick-Talent zugeschnittene Vortäuschen einer schweren Sehbehinderung. Sonst aber verwendet Drehbuchautorin Jac Schaeffer („Captain Marvel“) den Storyverlauf aus Frank Oz' Komödienklassiker ziemlich exakt als Blaupause, um nur die flotten Wortwechsel auszutauschen und zuweilen die Situationskomik auf die nun weiblich besetzten Hauptrollen anzupassen. Das allerdings gelingt ihr ausgesprochen souverän.

    Mit den Waffen der Frauen

    „Glam Girls – Hinreißend verdorben“ ist nämlich weder ein krampfhaft aufgesetzter Girl-Power-Streifen, noch verweigert er seinen Hauptfiguren ihre Weiblichkeit. So, wie vor allem Michael Caine und David Niven in den Vorgängerfilmen mit den Waffen eines Verführers von Welt hantiert haben, sezten nun Anne Hathaway und Rebel Wilson großzügig die metaphorischen „Waffen der Frauen“ ein. Als wäre „Ocean's 8“ nur eine vorsichtige Aufwärmübung gewesen, dreht dabei vor allem Oscargewinnerin Hathaway diesmal völlig auf und gibt eine liebenswert-selbstsichere Ganovin mit wohlerzogenem Auftreten, modischem Geschmack und verführerisch-verschmitztem Grinsen – jedenfalls solange sie nicht auf Kommando heult oder versucht, ihre Mal-Schülerin/Mal-Konkurrentin Penny mit Dolchstoßblicken zu töten. Die Leinwandchemie stimmt einfach: Hathaway und Wilson spielen sich schmissig die Bälle zu – und da „Glam Girls“ glücklicherweise die platten „Haha, ist die fett!“-Witze, mit denen Wilson erst zu Weltruhm gekommen ist, auf ein Minimum reduziert, kann Wilson auch in Szenen ohne Hathaway mit schroffem, aber herzlichem Witz überzeugen.

    ... und sich zugleich trotzdem andauernd gegenseitig übers Ohr zu hauen versuchen!

    Wilson spielt es darüber hinaus in die Karten, dass Schaeffer und Addison dem Publikum keine Favoritin auf dem Silbertablett servieren, sondern geschickt immer wieder die Sympathien verschieben: Wir lernen Penny als Gaunerin mit Herz kennen, die Dreckskerle reinlegt, bevor sie im Mittelteil Nutznießerin wird, die Josephine ihr Revier streitig machen will – sodass es sich schadenfroh mit Josephine mitlachen lässt, wenn sie glühend lächelnd Penny quält, während diese zunächst noch wenig erfolgreich versucht, ihre High-Society-Opfer in die Pfanne zu hauen. Gleichwohl schafft es Addison mit seiner zwar wenig auffälligen, aber funktionalen Regie, später wieder Penny die Herzen des Publikums zuzuschustern, indem er ihre wehleidigen Blicke dann ein paar Takte länger zeigt, wenn es kurz darauf einem Gag zugutekommt, dass wir nicht mehr nur auf Josephines Seite stehen. Das ist zwar eine schlichte Comedy-Mechanik – aber in diesem Fall nahe an der Perfektion eingesetzt.

    Fazit: Anne Hathaway stellt ihr eigene „Ocean’s 8“-Performance locker in den Schatten! So erweist sich „Glam Girls“ als temporeiche Trickbetrüger-Komödie voller trockener Sprüche und absurder Situationskomik – ganz gleich, ob man den Plot schon kennt oder nicht.

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