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    Holmes & Watson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Holmes & Watson

    Wir kombinieren: NICHT LUSTIG!

    Von Carsten Baumgardt

    Der berühmteste Detektiv der Welt hat wieder Hochkonjunktur, sechs große Filme und Serien mit der 1886 von Sir Arthur Conan Doyle erschaffenen Kunstfigur sind allein in den vergangenen zehn Jahren entstanden: „Sherlock Holmes“ (2009), „Sherlock“ (2010), „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (2011), „Elementary“ (2012), „Mr. Holmes“ (2015) und „Sherlock Gnomes“ (2018). Wenn man in diesem Umfeld mit noch einer weiteren Geschichte über das kriminalistische Superhirn des viktorianischen Englands überzeugen will, sollte man also besser einen frischen Ansatz parat haben, sonst wird es schnell repetitiv und langweilig.

    In „Holmes & Watson“ tritt nun das bewährte Nonsens-Duo von „Die Stiefbrüder“ und „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“, Will Ferrell und John C. Reilly, in den Titelrollen an. Aber weil ihr Kumpel Adam McKay inzwischen lieber Oscarkost wie „Vice – Der zweite Mann“ inszeniert und sich deshalb mit einer Rolle als Produzent begnügt, hat stattdessen Etan Cohen („Der Knastcoach“) den Regieposten übernommen. Ob die Sache mit McKay besser ausgegangen wäre, steht in den Sternen. Aber Cohens selbstgeschriebenes Drehbuch ist jedenfalls ein absolutes Desaster und die Krimi-Parodie „Holmes & Watson“ ein Totalreinfall. Kaum einer der Gaga-Gags sitzt und die beiden Hauptdarsteller liegen so sehr neben der Spur, dass es beim Zusehen schmerzt. Nicht einmal der beim Filmeinkauf eigentlich nicht sonderlich wählerische Streaminggigant Netflix (Stichwort: „The Cloverfield Paradox“) wollte diesen Filmunfall aufkaufen, als Sony laut Deadline versuchte, „Holmes & Watson“ nach katastrophalen Testvorführungen irgendwie loszuwerden. Eine weise Entscheidung.

    London, 1881: Seitdem der Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Will Ferrell) wegen eines Missverständnisses den Selbstmord des kriegstraumatisierten Arztes John Watson (John C. Reilly) verhindert hat, arbeiten die beiden zusammen und lösen verzwickte Kriminalfälle. Ihr größter Widersacher und Erzfeind, der brillante Verbrecher Moriarty (Ralph Fiennes), steht gerade vor Gericht und Sherlock soll durch seine Aussage die Verurteilung besiegeln – denn der Angeklagte ist kurz davor, aus Mangeln an Beweisen freigesprochen zu werden. Selbst ein von Moriarty geschicktes, mit einer tödlichen Krankheit infiziertes Insekt kann Sherlock nicht aufhalten, obwohl zwischenzeitlich ein ziemliches Chaos ausbricht. Das ist aber nichts gegen das Durcheinander, das der Detektiv mit einer verworrenen Theorie vor Gericht auslöst. Moriarty, der mit Vorliebe Zeugen verschwinden lässt, kommt frei und die Morde gehen weiter. So landet zum Beispiel ein Toter in der Geburtstagstorte des Detektivs. Die Ermittlungen führen Sherlock und Watson in die Pathologie, wo sie auf die smarte US-Gerichtsmedizinerin Dr. Grace Hart (Rebecca Hall) und ihre Assistentin Millie (Lauren Lapkus) treffen. Watson verliebt sich sofort in Grace, Sherlock in die auf dem geistigen Stand einer Vierjährigen befindlichen Millie, die von einer Horde Katzen großgezogen wurde…

    Als das Projekt 2008 erstmals angekündigt wurde, sollte noch Sacha Baron Cohen („Borat“) die Rolle des Sherlock Holmes spielen und Will Ferrell („Die etwas anderen Cops“) seinen kongenialen Partner Doctor Watson geben. Ob das den Film gerettet hätte, wissen wir nicht, aber die Idee, Will Ferrell als Sherlock völlig freie Hand zu lassen, geht jedenfalls volle Kante nach hinten los. Der furchtlose Star-Komiker spielt gnadenlos seinen Stiefel runter, ohne dabei auch nur im Geringsten auf den Stoff oder die Figur Sherlock Holmes einzugehen. Seine üblichen Mätzchen, die richtig eingesetzt urkomisch sein können, funktionieren in diesem Setting nicht und wälzen den Stoff schlicht platt. So irrlichtern Ferrell und John C. Reilly („The Sisters Brothers“) als trotteliger Stichwortgeber Doctor Watson durch den Film, ohne aus ihrem schamlosen Körpereinsatz auch nur einen Lacher ziehen zu können. Dass sie sich dabei sichtlich Mühe geben, macht die Sache nur noch schlimmer – als würde man zwei angeschwemmten Walen zuschauen, wie sie mit aller Kraft wieder ins Meer zurück zu schleppen versuchen. Da hilft es auch nicht, dass sich die Handlung selbst als zartes Nichts herausstellt, weshalb der Krimi-Plot keine spannungssteigernden Impulse beizutragen hat.

    Keiner der Versuche, hier Humor auf verschiedenen Ebenen zu generieren, führt zum Erfolg. Der Fäkalhumor scheitert kläglich, wenn Sherlock bei einer romantischen Annäherung plötzlich kotzt wie ein Reiher. Nicht besser ist die unangenehme „Ghost“-Parodie, wenn sich die Doktoren Watson und Grace auf einer mit Tortenresten vollgeschmierten Leiche zu „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers suhlen. Da sind wir dann schon fast auf dem niederen Niveau der Filme der Parodie-Antagonisten Jason Friedberg und Aaron Seltzer („Meine Frau, die Spartaner und ich“, „Date Movie“) angelangt. Zwischendurch streut Regisseur Cohen immer wieder uninspiriert Donald-Trump-Witze ein, etwa wenn er Sherlock eine rote Make-England-Great-Again-Mütze tragen lässt. In einem Sketch mag das lustig sein, hier fehlt aber jedweder Kontext, weshalb da außer einem nichtssagenden Wiedererkennungswert nichts dahintersteckt. Überhaupt wirkt „Holmes & Watson“ wie ein launig ausgedachter „Saturday Night Live“-Sketch, den jemand konzeptlos mit brutaler Gewalt auf Spielfilmlänge geprügelt hat. Es werden wild Ideen reingeschmissen, die sich nicht zu einem homogenen Film verbinden wollen. Da besteigt dann irgendwann Billy Zane die Titanic – ohne dass aus dieser anachronistischen Popkultur-Referenz auch nur der kleinste komödiantische Reiz gezogen wird. Alles verpufft wirkungslos.

    Leidlich besser ergeht es dieses Mal den Randfiguren. Denn „Holmes & Watson“ verfügt über einen exzellenten Nebendarsteller-Cast. Rebecca Hall („Vicky Cristiana Barcelona“) zieht sich als selbstbewusst-emanzipierte Ärztin noch am glimpflichsten aus der Affäre, Hugh Lauries („Dr. House“) kurzer Gastauftritt als Sherlocks Bruder Mycroft ist sogar sowas wie der Höhepunkt des Films, weil sein telepathischer Austausch mit dem Meisterdetektiv fast schon amüsant ist. Kelly Macdonald („Trainspotting“) als Sherlocks ständig Sexorgien mit berühmten Zeitgenossen feiernde Haushälterin ist mit ihrem schottischen Hardcore-Akzent zumindest in der englischen Originalfassung wirklich hörenswert, während Ralph Fiennes‘ („Der englische Patient“) Wirken als Professor Moriarty nur Cameo-Charakter hat und für die Handlung unwichtig ist.

    Fazit: Ein Film wie ein in der ersten Minute totgerittener, überlanger Sketch – „Holmes & Watson“ ist eine erschütternd unlustige Komödie, die dem Mythos Sherlock Holmes nicht in einer einzigen Szene gerecht wird.

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