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    Jesus Rolls - Niemand verarscht Jesus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Jesus Rolls - Niemand verarscht Jesus

    Ein "The Big Lebowski"-Spin-off ohne den Dude

    Von Oliver Kube

    Sein Auftritt in „The Big Lebowski“ währt nur ein paar Minuten. Trotzdem zählt John Turturros Gastspiel als schmieriger Bowlingbahn-Konkurrent des von Jeff Bridges gespielten Dude zu den (aller)besten Segmenten eines nahezu perfekten Films. Im Original-Drehbuch von Joel und Ethan Coen war Jesus Quintana allerdings noch längst nicht die schillernde Figur, die wir am Ende auf der Leinwand sahen. Es war vielmehr Turturro selbst, der die meisten der krassen Ticks und kuriosen Eigenheiten erdachte, die seine Figur beim Publikum letztlich so populär machten.

    Obwohl die Coens bis heute immer wieder betonen, dass es kein Sequel zu ihrem Kult-Hit geben wird, erlaubten sie Turturro trotzdem, einen eigenen Film mit Jesus als Protagonisten zu entwickeln. Das ist allerdings alles, was die Oscargewinner mit dem Spin-off zu tun haben. 2016 begann Turturro damit, die Indie-Produktion als Regisseur zu realisieren. Zuvor hatte er das Drehbuch ebenfalls selbst verfasst. Neben der Verwendung des Jesus-Charakters und einiger netter Anspielungen auf die Vorkommnisse in „The Big Lebowski“ ist die Krimi-Farce mit Roadmovie-Feeling aber vor allem ein Remake der französischen Kult-Sexkomödie „Die Ausgebufften“ von 1974. Am Ende punktet „The Jesus Rolls“ zwar mit diversen witzigen Momenten, kann aber leider nie wirklich an die Qualitäten seiner beiden Vorbilder anknüpfen.

    Jesus (John Turturro) und Petey (Bobby Cannavale) wollen Marie (Audrey Tautou ) unbedingt ihren ersten Orgasmus verschaffen.

    20 Jahre nach der Begegnung mit dem Dude kommt Jesus Quintana (John Turturro) aus dem Gefängnis frei. Vor dem Tor wartet bereits sein bester Freund Petey (Bobby Cannavale). Die zwei „borgen“ sich spontan ein Auto, um eine Spritztour zu unternehmen. Als sie den Wagen zurückbringen, wartet bereits der ungehaltene Besitzer Paul Dominique (Jon Hamm) mit einer Waffe in der Hand auf sie. Mit Hilfe von Dominiques Assistentin Marie (Audrey Tautou), einer alten Bekannten von Jesus, gelingt jedoch die Flucht.

    Allerdings bekommt Petey dabei eine Kugel in den Oberschenkel. Während einer wilden Odyssee kreuz und quer durch Kalifornien werden eine Reihe weiterer Autos entwendet, Diebstähle begangen und das bald auch sexuell miteinander involvierte Trio trifft jede Menge schillernde Figuren. Dazu zählen Jesus‘ im hohen Alter erfolgreich als Prostituierte arbeitende Mama (Sônia Braga) sowie die depressive, just aus dem Frauengefängnis entlassene Jean (Susan Sarandon) samt ihres Ex-Knackie-Sohns Jack (Pete Davidson)...

    Sequel, Spin-off, Remake

    Turturro hält sich meist sehr eng an die französische Vorlage, in der übrigens ebenfalls ausführlich gebowlt wurde. Das betrifft den generellen Ablauf der Geschehnisse und geht gelegentlich sogar so weit, dass nicht nur die Kostüme nahezu identisch sind, sondern ganze Sequenzen fast eins zu eins übernommen wurden. Am auffälligsten ist diesbezüglich eine Dreier-Sexszene zwischen Jesus, Petey und Marie, in der sogar dieselben Kameraeinstellungen und Wort für Wort übersetzte Dialoge aus „Die Ausgebufften“ verwendet werden.

    Während Bertrand Blier, der Regisseur und Co-Autor des Originals, mehr Wert auf die amourösen und erotischen Abenteuer (heute würde man das Verhalten der Typen wohl zu Recht als sexuelle Belästigung bezeichnen) als auf die kleinen Verbrechen seiner Protagonisten legte, tendiert das Verhältnis der Plot-Elemente bei Turturro eher in die andere Richtung. Jesus und Petey machen im Verlauf des Films auch keine solch signifikanten Fortschritte wie die damals von Gérard Depardieu und Patrick Dewaere verkörperten Jean-Claude und Pierrot: In „Die Ausgebufften“ lernt der Zuschauer die zunächst eher unsympathischen Halunken erst mit der Zeit lieben. In „The Jesus Rolls“ werden die Figuren von Turturro und Cannavale („The Irishman“) - all ihrer Fehler und Dummheiten zum Trotz – hingegen von Anfang an als irgendwie liebenswert präsentiert. Da bleibt wenig Raum für eine Entwicklung...

    Kein Orgasmus und viele Cameos

    Abgesehen von Jesus erfahren wir zudem nichts Erwähnenswertes über die Vergangenheit der Figuren. Große Veränderungen macht ebenfalls keine von ihnen durch – weder was ihre Lebensumstände noch ihre Geisteshaltung angeht. Der einzige Aspekt, der zumindest vage in diese Richtung geht, sind die Versuche der nymphomanische Züge zeigenden Marie – nach immerhin 374 Sexualpartnern, wie sie unumwunden ausplaudert – zum ersten Mal in ihrem Leben zu einem Orgasmus kommen zu wollen.

    Trotz seiner nur gut 80 Minuten Laufzeit hat der Film dabei einige Längen. Ähnlich wie seine Figuren mäandert er nämlich meist ziellos dahin. Von einer Story mit Anfang, Mitte und Ende kann nicht wirklich die Rede sein. Mehrfach hat man das scheinbar nicht ganz unbegründete Gefühl, Turturro habe einfach hier oder dort noch eine Vignette eingefügt, um Freunden kurze Auftritte zu verschaffen. So etwa bei dem Auftritt von J.B. Smoove, mit dem Turturro einst in „Mr. Deeds“ zusammen auftrat und der hier einen ziemlich merkwürdigen Mechaniker gibt. Ein weiteres Beispiel ist George Sheanshang, der im echten Leben Rechtsberater ist und dem Star unter anderem bei der Finanzierung seines Regie-Projekts „Illuminata“ zur Seite stand. Im selben Film von 1998 spielte auch Christopher Walken mit, der hier nun ebenfalls einen Cameo absolviert: Als Gefängnisdirektor zählt Walken zu Beginn genüsslich die gesammelten Verfehlungen von Jesus auf und serviert uns dabei einen Flashback zu dem von John Goodman in „The Big Lebowski“ erwähnten Moment mit einem achtjährigen Jungen auf einer öffentlichen Toilette, der aus Jesus einen verurteilten Sittlichkeitsverbrecher machte.

    Bowling-Regel Nr. 1: Erst lecken, dann werfen!

    Wer nach weiteren, oft nur losen Verbindungen zum Meisterwerk der Coens sucht, wird schnell fündig werden: Etwa wenn bei Jesus‘ Entlassung aus dem Knast (so wie in dem älteren Film bei der Bowlingszene) im Hintergrund ein Song der Gypsy Kings erklingt. Die Musiker sind sogar kurz zu sehen, wie sie in einer Zelle kräftig in die Saiten ihrer Flamenco-Gitarren hauen. Apropos Bowling: Die klarste Anspielung findet sich auf einer solchen Bahn. Der Titelheld zeigt, dass er offenbar nichts von seinem Können mit der Kugel eingebüßt hat und die alten Moves – inklusive des Anleckens seines Sportgerätes – noch immer draufhat. Das alles ist locker und ungezwungen eingebaut. Die philosophische Tiefe und komödiantische Klasse von „The Big Lebowski“ wird aber auch in den gelungeneren Momenten nicht erreicht.

    Fazit: Fans von „The Big Lebowski“ sollten bitte nicht zu viel erwarten. Dann bereitet dieses story- und größtenteils auch sinnfreie Komödien-Spin-off über den liebenswert-großspurigen Schmierlappen Jesus zumindest zwischendurch immer mal wieder Freude.

     

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