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    Your Name.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Your Name.
    Von Ulf Lepelmeier

    Die romantische Animationstragikomödie „Your Name.“ entwickelte sich in ihrer Heimat Japan zum Erfolgsphänomen: 13 Wochen lang hielt sich der visuell herausragende Anime von Makoto Shinkai („The Garden of Words“) an der Spitze der Kinocharts und wurde schließlich zum kommerziell zweiterfolgreichsten einheimischen Film aller Zeiten in Japan – vor ihm liegt nur noch Hayao Miyazakis Meisterwerk „Chihiros Reise ins Zauberland“. Was das weltweite Kinoeinspielergebnis anbelangt, ist „Your Name.“ dank der erfolgreichen Chinaauswertung gar zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten aufgestiegen.Tausendsassa Shinkai verfilmte mit „Your Name.“ seine eigene Manga-Vorlage und übernahm dabei nicht nur Regie und Drehbuch, sondern zeichnete auch für Kamera, Schnitt und Storyboards verantwortlich. Und so vielfältig wie die Talente seines Machers ist auch der Film selbst: „Your Name.“ beginnt als kurzweilige Coming-of-Age-Geschichte mit fantastischen Elementen, um dann immer dramatischere Züge anzunehmen und schließlich Raum und Zeit ganz hinter sich zu lassen. Untermalt vom Sound der angesagten japanischen Rockband RADWIMPS entfaltet sich eine so unterhaltsame wie rührende Erzählung über die Macht des Schicksals und die Suche nach dem Seelenverwandten.

    Mitsuha Miyamizu lebt mit ihrer kleinen Schwester Yotsuha und ihrer Großmutter in einem kleinen Bergdorf, in dem es weder ein Café noch einen Zahnarzt gibt. Als Tochter der Miyamizu-Familie, die den örtlichen Shinto-Schrein betreut, ist sie für verschiedene Rituale zuständig. Unzufrieden mit der dörflichen Langeweile und den familiären Pflichten, wünscht sie sich ein gutaussehender Junge in der pulsierenden Metropole Tokio zu sein. Als sie diesen Wunsch eines Tages laut in die Nacht hinausruft, findet sie sich am nächsten Morgen tatsächlich im Körper des gleichaltrigen Schülers Taki Tachibana wieder, der in der Hauptstadt nach Schulschluss in einem italienischen Restaurant jobbt. Und auch Taki wähnt sich in einem allzu real erscheinenden Traum, als er auf einmal Mitsuhas Leben bestreitet. Fortan wachen sie morgens mal im eigenen und mal im Körper des anderen auf. Sie fangen an, in ihren Smartphones die Tagesereignisse zu notieren und schaffen es so immer besser, ihre merkwürdige Situation zwischen zwei Lebenswelten zu koordinieren. Doch dann bricht die geheimnisvolle Verbindung der beiden plötzlich ab. Taki möchte das Mädchen ausfindig machen, mit dem er auf so ungewöhnliche Weise sein Leben geteilt hat...

    Mit Mitsuhas hinausposauntem Wunsch nimmt in „Your Name.“ erst einmal eine Body-Switch-Geschichte ihren Lauf, wie sie im Buche steht. Ein Junge aus der Großstadt und ein gleichaltriges Mädchen vom Lande tauschen ihre Körper, sie sehen und erleben am eigenen Leib, was es heißt, in einer vollkommen anderen Lebenswirklichkeit zu stecken. Dieses Spiel mit den Identitäten hat zunächst fast die Leichtigkeit von Hollywood-Komödien wie „Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag“ oder „30 über Nacht“, aber das ist hier nur der Beginn einer größeren Geschichte voller unterschiedlicher Stimmungen. Die Zeit ist hier gleichsam elastisch, ähnlich wie bei „Donnie Darko“, gibt es miteinander verbundene und sich überlappende Ereignisstränge, die sich trennen und auch wieder zusammenfinden. Am Anfang lernt das Publikum die Leben von Taku und Mitsuha Leben aus je eigener Perspektive und dann aus doppelter Perspektive kennen und wenn sie dann versuchen, zueinander zu finden, wird die Struktur immer komplexer. Die jugendliche Romanze bekommt kosmische Dimensionen, aber nebenbei streift Shinkai auch handfestere Themen wie die Landflucht der Jugend, das langsame Vergessen der Traditionen oder auch das Trauma von Fukushima und die damit verbundene Angst vor der unberechenbaren Wucht der Naturgewalten.

    Ob die Reflexionen der Hochhäuser Tokios, der Fackelschein im Shintoschrein der Miyamizu-Familie oder das Farbenschauspiel des sich der Erde nähernden Kometen, Makoto Shinkai begeistert mit atemberaubenden Lichtschauspielen in einer ungeheuer detailreichen animierten Filmwelt. So wie in den Werken Hayao Miyazakis gibt es auch in „Your Name.“ in den liebevoll arrangierten Hintergründen immer etwas zu entdecken: von kleinen Fischschwärmen in einem Teich und zu Boden segelndem Herbstlaub bis hin zu den Einrichtungsdetails der Jugendzimmer der beiden Protagonisten. Makoto Shinkai schert sich nicht um physikalische Gesetze und Raum-Zeit-Kontinuen, sondern folgt einer eigenen Logik, die ein wenig an den magischen Realismus seines berühmten Landsmanns Haruki Murakami in Büchern wie „Kafka am Strand“ erinnert. Der Regisseur etabliert eine mysteriöse kosmische Verbindung zwischen den beiden Jugendlichen und schlägt mit ihren sich nun überlappenden Lebenswelten die Brücke zwischen Stadt und Land, Tradition und Moderne. Auf ganz selbstverständliche Weise integriert er das Übernatürliche in die realistischen Alltagszenarien. Das Unerklärliche gehört hier der japanischen Tradition entsprechend einfach fest zum Leben dazu, gerade das macht einen großen Teil der Faszination von „Your Name.“ aus.

    Einen Namen zu vergessen, bedeutet eine Identität und damit eine Geschichte auszulöschen: Was schon in „Chihiros Reise ins Zauberland“ eine Rolle spielte, wird in „Your Name“ zum schicksalsbestimmenden Motiv. Die beiden jugendlichen Protagonisten suchen wie eigentlich alle Teenager sich selbst und ihren Platz in der Welt. Dieses ganz normale Bedürfnis nach Sinn und Orientierung sowie die Sehnsucht nach einem Seelenverwandten überhöht Regisseur Makoto Shinkai gekonnt in seiner Raum und Zeit aus den Angeln hebenden Geschichte. Wenn das Schicksal es so will, dann gelten für die Menschen keinerlei Grenzen…

    Fazit: Der japanische Sensationshit „Your Name.“ bezaubert mit wunderschönen Animationen und einer herzzerreißenden Geschichte über Seelenverwandtschaft und Vorbestimmung.

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