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    The Lodgers - Zum Leben verdammt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Lodgers - Zum Leben verdammt
    Von Thomas Vorwerk

    Nicht nur dank Guillermo del Toro und seiner blutigen Big-Budget-Romanze „Crimson Peak“ feiert der Gothic Look mehr als 50 Jahre nach der Hochzeit der britischen Hammer-Filme aktuell ein breites Comeback – gerade im Vergleich mit den in Durchschnitts-Einfamilienhäusern spukenden Found-Footage-Geistern aus den „Paranormal Activity“-Filmen macht so ein echtes, schaurig-schönes Spukschloss mit quietschenden Dielen, wehenden Vorhängen und knorrigen Ästen im Mondlicht eben erst recht was her. Und ziemlich romantisch ist es noch dazu. Während die meisten Gothic Novels ja eher im 18. und 19. Jahrhundert angesiedelt sind, geht der irische Regisseur Bryan O’Malley („Let Us Prey“) mit seinem Gothic-Horrorfilm „The Lodgers - Zum Leben verdammt“ allerdings nur ein knappen Jahrhundert in die Vergangenheit zurück – aber gerade aus dieser Entscheidung ergeben sich die interessanteren Elemente des Films.

    Irland im Jahr 1920: Die anglo-irischen Zwillinge Rachel (Charlotte Vega) und Edward (Bill Milner) wohnen allein im etwas modrigen, abgeschieden gelegenen Anwesen ihrer Vorfahren. Während die neugierige Rachel zumindest hin und wieder mit der Außenwelt interagiert, etwa Vorräte im nächsten Dorf besorgt, meidet Edward sogar das Tageslicht und scheint sich damit abgefunden zu haben, ausschließlich in dem halb verfallenen Gemäuer zu hausen, das sich die Geschwister mit geisterhaften Wesen teilen, die in einem Gewässer unter den Bodendealen hausen und jeweils nach Mitternacht aktiv werden. Edward pocht auf die Einhaltung der in einem Kinderlied zusammengefassten drei Regeln: Sei um Mitternacht im Bett! Lass keinen Fremden durch die Tür! Und lasst euch gegenseitig nie allein! Doch mit dem greisen Anwalt Bermingham („Harry Potter“-Hausmeister David Bradley, der die kurz vor dem Bankrott stehenden Zwillinge zum Auszug bewegen will, sowie dem jungen Soldaten Sean (Eugene Simon, „Game Of Thrones“), der ein Auge auf Rachel geworfen hat, gibt es gleich zwei potenzielle Eindringlinge, die einen Regelverstoß provozieren könnten…

    Das immer wieder angedeutete Familiengeheimnis, das viel zu schrecklich ist, als das man es offen aussprechen könnte, ist ein häufiges und zentrales Motiv des Gothic-Horrors – und in diesem Fall manifestiert es sich eben in Form der garstigen Geister, von denen schnell klar wird, dass sie die eigentlich gemeinten „Mieter“ im Filmtitel sind, während Edward und Rachel allenfalls geduldet werden, solange sie sich an die Regeln aus dem Kinderreim halten. Dabei erinnert der leider nur wenig furchterregende Look der durch eine Bodenluke aus dem Wasser ins Haus kommenden Gestalten interessanterweise eher an den Wasserleichen-Look, wie wir ihn in erster Linie von Geistern aus dem asiatischen Gruselkino gewöhnt sind (sowieso sind „Wassermänner“ offenbar gerade schwer im Kommen, auf den Fantasy Filmfest White Nights 2018 gab es sie gleich in drei von zehn Filmen, neben „The Lodgers“ nämlich auch noch in Xavier Gens‘ „Cold Skin“ sowie Guillermo del Toros „Shape Of Water“). Insgesamt erzeugt „The Lodgers“ durchaus eine schön-schaurige Atmosphäre, aber mit den inszenatorischen Highlights ähnlich „feuchter“ Fantasyfilme (man denke an die Aale aus „A Cure For Wellness“ oder die Spiegelsymmetrie in „Thelma“) kann Bryan O’Malley trotzdem nicht mithalten, was sicherlich auch ein Stück weit mit dem knappen Budget zusammenhängen dürfte.

    Wenn Rachel gleich zu Beginn ihrem Bruder gegenüber betont, dass sie „niemals das machen dürften, was ihre Eltern getan haben“, entwickelt man als Zuschauer schnell naheliegende Theorien, worin das grausige Familiengeheimnis wohl bestehen könnte. Auch (verbotene) Sexualität zählt natürlich zu den Standards einer Gothic Romance (gerne auch mal innerhalb der Familie), trotzdem bleibt die Beziehung von Rachel und Edward erstaunlich unterentwickelt – Edward wird zwar im Verlauf des Films immer blasser und blasser, aber das Gros der Spannung steuern andere Konflikte bei. So zum Beispiel das Auftauchen von Sean, für Rachel die große Hoffnung, dem Familienfluch vielleicht doch noch zu entgehen. Die Konstellation zwischen den beiden erinnert durchaus an „Die Schöne und das Biest“ – ist dabei aber ungleich sexualisierter als in den beiden Disney-Versionen: Nach der ersten Zufallsbegegnung mit dem versehrten Kriegsheimkehrer erinnert sich Rachel zuhause an das Treffen zurück und lässt dabei ihre Finger auf Wanderschaft gehen. Zudem gibt es da noch den bedrohlichen Dorf-Macho Dessie (Moe Dunford, „Vikings“), der nicht nur Seans Schwester Kay (Roisin Murphy) bedrängt, sondern auch Sean selbst wegen dessen Soldatendienstes auflauert (so tropft auch der sehr reale Irlandkonflikt noch mit in die ansonsten fantastische Bedrohungslage). Dessie ist zwar längst nicht so schnöselig wie der Disney-Gaston, dafür aber umso bedrohlicher.

    Fazit: „The Lodgers“ überzeugt mit seiner Atmosphäre und den schauspielerischen Leistungen, aber während die Geschehnisse außerhalb der Spukvilla vor allem dank des Hereintropfens der politischen Konflikte jener Ära interessante neue Perspektiven auf das Gothic-Genre eröffnen, fehlt den klassischeren Grusel-Szenen der rechte Kick. In dieser Hinsicht versickert da durchaus einiges an Potential in den modrigen Dielen des gotischen Gemäuers.

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