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    Call Me By Your Name
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Call Me By Your Name
    Von Michael Meyns

    Bei Robert Redfords berühmtem Sundance-Festival im Januar 2017 war „Call Me By Your Name“ einer der absoluten Kritiker- und Publikumslieblinge. Hätte es diese so prominente Premiere nicht gegeben, wäre die internationale Co-Produktion ein naheliegender Kandidat für den Berlinale-Wettbewerb gewesen, aber der ist mit wenigen Ausnahmen Welturaufführungen vorbehalten. Stattdessen feierte einer der Festival-Höhepunkte daher in der Sektion Panorama seine Europapremiere, was auch sehr gut passt, denn schließlich gibt es dort traditionell einen Schwerpunkt auf dem Queer Cinema - und Luca Guadagnino erzählt in seinem Liebesdrama von einer leidenschaftlichen Sommeraffäre zwischen zwei jungen Männern. Mit dem Etikett „Schwules Kino“ ist der Film des italienischen Regisseurs von „I Am Love“ und „A Bigger Splash“ allerdings unzureichend beschrieben, denn er transzendiert Geschlechterrollen und erzählt am Ende nicht mehr und nicht weniger als die Geschichte einer ganz besonderen Liebe.

    Der Sommer 1983 in Norditalien. Einheimische Discomusik schallt aus den Radios oder dem Walkman, in einer mondänen Villa lässt es sich Familie Perlman gut gehen: Elio (Thimotée Chalamet, „Homeland“), der 17-jährige Sohn, pubertiert vor sich hin, flirtet mit der hübschen Marzia und erfreut sich des Lebens. Sein Vater (Michael Stuhlbarg, „A Serious Man“) dagegen beschäftigt sich am liebsten mit antiken Statuen. Der Archäologe hat den gutaussehenden Amerikaner Oliver (Armie Hammer, „Social Network“) als Hausgast geladen, der ihn bei der Arbeit unterstützen soll. Doch schon bald wirbelt der selbstbewusste junge Mann mit der einnehmenden Art Elios Gefühlshaushalt durcheinander…

    Schon mit seinen vorigen Filmen hat sich Luca Guadagnino als moderner Meister des  atmosphärischen Beziehungsfilms etabliert. Für die Erschaffung komplexer Gefühlswelten braucht er nicht viele Worte (in „A Bigger Splash“ erlaubte er es sich sogar, Tilda Sinton fast über die gesamte Filmdauer mit einer Kehlkopfentzündung verstummen zu lassen). Über weite Strecken funktioniert auch „Call Me By Your Name“ fast wie ein Stummfilm: Blicke und Gesten sprechen Bände, die Musik erzählt viel mehr als es Worte könnten. Vom langsamen Wachsen des Begehrens zeugen die Blicke, von der Unsicherheit Elios, ob Oliver überhaupt Männer mag, vom Zweifel, ob er selber Männer mag. Und von der Frage, ob das überhaupt eine Rolle spielt, wenn zwei Menschen sich zueinander hingezogen fühlen.

    Nicht unbedingt verboten ist diese Liebe, aber doch unüblich, zumindest in dieser Welt von 1983, in die Guadagnino die Geschichte verlegt hat, die in der Romanvorlage „Ruf mich bei deinem Namen“ des US-Schriftstellers André Aciman noch etwas später angesiedelt ist. Sowohl Oliver als auch Elio flirten auch mit Frauen, verhalten sich also den Konventionen entsprechend, die zwar nicht offen benannt werden, aber doch unterschwellig existieren. Angesichts dieser Konstellation überrascht es nicht, dass zunächst James Ivory, Regisseur von Filmen wie „Maurice“ oder „Zimmer mit Aussicht“, an einer Verfilmung des Kultromans gearbeitet hat. Fürs Regieführen war der inzwischen fast 90-jährige Amerikaner aber nicht mehr fit genug und so übernahm Guadagnino das Zepter.

    Anders als in seinen recht atemlosen Vorgängerfilmen schlägt der Regisseur ein dem bukolischen Sommer der Handlung angepasstes gemächlicheres Erzähltempo an. Auch die Inszenierung und die Auftritte der Schauspieler fallen vergleichsweise unauffällig aus: Lieferte Ralph Fiennes in „A Bigger Splash“ noch eine zwar brillante, aber auch extrem manierierte Performance ab, überzeugen der junge Thimotée Chalamet und der schon etablierte, aber immer noch jungenhafte Armie Hammer hier mit unterschwelligem, subtilem Spiel. Die erotische Spannung zwischen beiden Männern ist dabei geradezu greifbar – und das nicht nur wegen ihrer knappen Shorts und der oft  nackten Oberkörper: „Call Me by Your Name“ ist ein extrem sinnlicher, aber nie aufdringlicher Film.

    Fazit: Mit flirrend-sinnlichen Bildern inszeniert Luca Guadagnino in „Call Me by Your Name“ eine mitreißend-subtile Liebesgeschichte.

    Wir haben den Film im Rahmen der Berlinale 2017 gesehen, wo „Call Me By Your Name“ als Panorama Special gezeigt wird.

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