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    Plan B - Scheiß auf Plan A
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Plan B - Scheiß auf Plan A
    Von Thomas Vorwerk

    Viele große Actionstars der 80er und 90er erfreuen sich bis heute (fast) ungebrochener Beliebtheit, obwohl Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Jackie Chan und Co. längst das Rentenalter erreicht haben oder zumindest kurz davor stehen. Die alten Recken des Genres haben auch die jungen Filmemacher hinter der Multikulti-Actionkomödie „Plan B: Scheiß auf Plan A“ (Regie: Ufuk Genç und Michael Popescu) inspiriert. Die Stunt-Spezialisten in den Hauptrollen sorgen für einige staunenswerte Einlagen, schauspielerische und erzählerische Defizite werden mit viel Enthusiasmus und Spontanität wettgemacht.

    Vier Freunde mit unterschiedlichen Migrationshintergründen träumen in Berlin von einer Karriere als Actionstars und besuchen dafür Casting auf Casting – ohne Erfolg. Doch dann geraten sie mitten in eine echte Unterweltverschwörung: Phong (Phong Giang) wird entführt und soll nur freigelassen werden, wenn seine Kumpel Can (Can Aydin), Cha (Cha-Lee Yoon) und U-Gin (Eugene Boateng) bei einer Art Schnitzeljagd durch Etablissements des Gangsterbosses Gabriel (Henry Meyer) den Standort eines streng geheimen Safes mit Erpressungsmaterial ermitteln, das Gabriels kriminelle Konkurrenz und die teilweise korrupte Polizei belastet. Verfolgt werden die drei Freunde dabei nicht nur von einem Spitzel des skrupellosen Eddy (Florian Kleine), sondern auch vom Polizisten Kopp (Laurent Daniels) mit seinem neuen Partner Schulz (Gedeon Burkhard). Kopp versucht schon seit längerem, Gabriel dingfest zu machen und hofft, über die etwas verplanten Möchtegern-Schauspieler an den Gauner heranzukommen.

    Bei Erstlingsregisseuren, die mit kaum erprobten Schauspielern einen Low-Budget-Genrefilm realisieren, sind die Erwartungen eher heruntergeschraubt, aber in diesem Fall ist es so, dass drei der vier Hauptdarsteller (Eugene Boateng ist eher Tänzer als Martial-Arts-Experte) mit ihrer Stunt-Firma „Reel Deal Action Design“ schon einiges an Filmerfahrung gesammelten haben (unter anderem auch in internationalen Produktionen wie „James Bond 007: Skyfall“ oder „xXx: Die Rückkehr des Xander Cage“) – zumindest, was die Action angeht, kann man die Crew schon fast den alten Hasen zurechnen.

    Die Actionchoreografie bewegt sich durchaus auf internationalem Niveau und zum geballten Stunt-Know-how kommt noch eine sorgfältige Arbeit in der Postproduktion. Seien es die digital eingefügten Blutspritzer bei rasant geschnittenen Schießereien, die immer mal wieder ins Bild integrierten Soundwords („Bang!“) im Comic-Stil, die Zeitlupen, Freezeframes oder Splitscreens – die geradezu spielerisch eingesetzten Gestaltungsmittel verfehlen ihre Wirkung in „Plan B“ selten. Zuweilen leidet allerdings die Spannung darunter, dass die Kämpfe aus mehreren Kamerapositionen gefilmt und regelrecht zelebriert werden. In solchen ausgedehnten Sequenzen streift die extreme Stilisierung gelegentlich die Grenze zum unfreiwillig Komischen – dann wirkt das fast wie ein John-Woo-Film ohne jede dramatisch-emotionale Unterfütterung.

    Co-Regisseur Michael Popescu, der einschlägige Erfahrungen im Musik- und Videobereich gesammelt hat, kümmert sich derweil auch um den Soundtrack und verbindet aktuelle Trends (es gibt Gastauftritte von „K.I.Z.“ und „Die Atzen“) mit klassischen 80er-Jahre-Klängen, sodass man sich öfters mal an Survivor, „Flashdance“ oder John Carpenters Filmmusik erinnert fühlt. Die Mischung wirkt wie der ganze Film etwas künstlich, aber das hat durchaus seinen Reiz – die Realitätsferne ist hier geradezu Programm. So haben die von der Actionfilmkarriere träumenden Protagonisten sich zum „Casting“ angezogen wie die filmischen Idole angezogen haben. Stallone-Fan Can natürlich als „City Cobra“ (das Zitat um die zu heilende Krankheit darf natürlich nicht fehlen), Phong als Marty McFly, Cha im Jet-Li-Look und U-Gin mit der roten Jacke von Michael Jackson in „Thriller“. Dafür werden sie von den Gangstern auch entsprechend verhöhnt: „Ihr seid im falschen Film gelandet, jetzt kommt der Abspann, ihr könnt die Leichen spielen!“. Bis Schmalspurganove Eddy auf die Idee mit dem Safe kommt und er drei der Freunde (in der auffälligen Farbkombi schwarz-rot-gelb) auf die Suche schickt.

    Die größte Schwäche des Films ist das Drehbuch, das dramaturgisch kaum über ein simples Videospiel hinauskommt. Unter dünnem erzählerischen Vorwand geht es von Gegner zu Gegner und zu immer neuen Koordinaten auf dem Stadtplan. Man kloppt sich gewissermaßen von einem Level zum nächsten, während der Polizist Kopp (Spitzname: „Robokopp“) in seinem Voice-Over-Kommentar versucht, daraus so etwas wie eine Geschichte zu basteln: „Und diese Jungs sollten meine neuen besten Freunde werden“ - ein Versprechen, das dann vermutlich erst im nicht ausgeschlossenen Sequel „Plan C“ erfüllt wird.

    Sowohl Obergangster Gabriel als auch Kopp haben übrigens eine besondere Vorliebe für Schachmetaphern, wie schon zur Einstimmung klar gemacht wird: „Schach wird gemeinhin als das Spiel der Könige bezeichnet. Dabei wird übersehen, dass auch ein paar Bauern gehörig arschtreten können.“ Auf diesem kernigen Macho-Level spielt sich der gesamte Film ab, und die gelegentlichen ironischen Brechungen, wenn die Jungs sich gegenseitig hochnehmen, weil Can noch bei seiner Mutter wohnt und sich von ihr „die Unterhosen bügeln“ lässt oder Phong liebevoll für seine Freundin kocht, sorgen nur zu Beginn für etwas Auflockerung, dazu gibt es etwas Berliner Lokalkolorit, wenn der erste Hinweis auf den Safe in Kreuzberg zwischen Adalbertstraße und Kottbusser Tor „erarbeitet“ wird. Beim zweiten, dritten und vierten Koordinatenset geht es dann weit weniger spezifisch zu, wenn es in ein x-beliebiges Striplokal, auf einen unecht wirkenden Friedhof (damit U-Gin nicht umsonst in der „Thriller“-Jacke herumläuft) und schließlich in eine von Chinesen kontrollierte Lagerhalle geht.

    Fazit: „Plan B: Scheiß auf Plan A“ ist ein Leckerchen für Freunde gutgemachter Actionsequenzen, für die nicht immer alles bierernst sein muss. Erzählerisch und dramaturgisch lässt der Film jedoch trotz seiner sympathischen Multikulti-Message einiges zu wünschen übrig.

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