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    Action Point
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Action Point
    Von Antje Wessels

    Johnny Knoxville hat zwischen 2000 und 2018 in mehr als 30 verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. In Verbindung bringt man ihn aber weiterhin am ehesten mit seiner selbstzerstörerischen Anfangszeit bei der MTV-Show „Jackass“. Anfang des Jahrtausends sorgte die provokant-sinnbefreite Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger widerlichen Extrem-Stunts für jede Menge Diskussionen über den Geisteszustand der Macher und Zuschauer. Das Ergebnis: Die Serie wurde absoluter Kult und hat inzwischen auch noch – je nach zählweise – mindestens vier Kinoableger nach sich gezogen. Inzwischen wurden die scheinbar schmerzbefreiten Stuntmänner allerdings links und rechts überholt – schließlich kann man sich heutzutage noch viel abgefahrenere Pleiten, Pech und Pannen jederzeit auf YouTube reinziehen. Deshalb haben Knoxville und seine Crew mit ihrem bisher letzten Kinofilm „Jackass: Bad Grandpa“ auch versucht, neben absurd-derben Versteckte-Kamera-Späßchen auch eine gute Portion Herz in der Story unterzubekommen.

    Aber bei der lose auf der wahren Geschichte eines unfallprovozierenden Freizeitparks basierenden Komödie „Action Point“ haben Knoxville und sein Co-Autor Derek Freda (Produzent sämtlicher „Jackass“-Filme) nun mit der „charmanten Story“ maßlos übertrieben. Der erfahrene Serien-Regisseur Tim Kirby („Veep“) bemüht sich knapp eineinhalb Stunden sichtlich, den Anarcho-Humor der „Jackass“-Jungs (neben Knoxville ist Chris Pontius als sein Sidekick dabei) und eine familienfreundliche Freizeitpark-Komödie mit reichlich Retro-Charme unter einen Hut zu bekommen. Das Ergebnis ist aber weder Fisch noch Fleisch – und so ist „Action Point“ die meiste Zeit über vor allem eins: enttäuschend öde.

    Als er eines Tages auf seine kranke Enkelin aufpasst, gerät der rüstige Rentner D.C. (Johnny Knoxville mit „Bad Grandpa“-Gedächtnismaske) regelrecht ins Schwärmen, als er sich an seine Zeit als Freizeitparkbetreiber zurückerinnert: Als junger Mann (Johnny Knoxville ohne Maske) gehörte ihm einst der Vergnügungspark „Action Point“, in dem stets der Spaß an erster und die Sicherheit an allerletzter Stelle stand. Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen, was aber auch kein Wunder ist: Egal ob Löcher in der Wasserbahn oder klaffende Wunden – alles wird einfach nur mit Panzertape zusammengeklebt. Als ganz in der Nähe in hochmoderner Fun Park eröffnet, müssen D.C. und seine oft betrunkenen und immer heillos überforderten Mitarbeitern nach neuen Ideen suchen, um trotz der vermeintlich übermächtigen Konkurrenz im Gespräch zu bleiben. Zu ihrem Masterplan gehören unter anderem ein Streichelzoo mit bissigen Krokodilen und das Abmontieren der Bremsen bei den Fahrgeschäften…

    Einen Freizeitpark wie im Film gab es tatsächlich. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre gehörte der Action Park in Vernon zu den gefährlichsten Themenparks der Vereinigten Staaten. Mindestens sechs Menschen kamen hier bei Unfällen ums Leben. Erst seit dem Jahr 2016 bemüht man sich mit neuem Namen und neuem Konzept darum, sich von dem schlechten Ruf des zwischendurch immer mal wieder geschlossenen und neu eröffneten Parks zu distanzieren. Die von Johnny Knoxville im Film vollzogenen Eskapaden dürften diesen Imagewandel allerdings kaum unterstützen, denn im Wesentlichen unterstreicht „Action Point“, dass man in einen solchen Park am besten keinen Fuß setzen sollte, wenn einem sein Leben lieb ist. Knoxville und seine Schauspielkollegen nehmen sich Attraktion um Attraktion vor, aber mehr als ein wenig zu schnell die Wildwasserbahn herunterrutschen und bei der Sommerrodelbahn – im wahrsten Sinne des Wortes – über das Ziel hinausschießen, ist dann doch nicht drin. Wobei die besten Momente eh die sind, in denen ganz beiläufig im Hintergrund irgendetwas Aberwitziges passiert, ohne dass der Film groß darauf hinweisen würde.

    Aber die „Jackass“-Jungs riskierten früher nicht bloß ihr Leben bei waghalsigen Stunts, sie loteten auch regelmäßig die Grenzen des guten Geschmacks aus. Dafür haben sie sich entweder von Tieren beißen, Dinge in alle möglichen Körperöffnungen einführen oder sich nicht unbedingt Essbares verabreichen lassen. In „Action Point“ sind solche „Jackass“-Momente allerdings absolute Mangelware, etwa wenn ein harmloses Eichhörnchen mithilfe von Nüssen in die Boxershorts eines auf dem Boden liegenden Mannes gelockt wird. Früher hätte das Eichhörnchen vermutlich anstatt in seine in die Nüsse des Mannes gebissen und es wäre allein aufgrund des damit begangenen Tabubruchs auf eine morbide Weise lustig gewesen. In „Action Point“ dagegen fängt Knoxville den Nager einfach ein und die Szene ist zu Ende. Damit steht dieser Moment symptomatisch für den gesamten Film, in dem man immer mal wieder das Gefühl hat, die Macher wollten das alte „Jackass“-Feeling zwischendurch zwar immer mal wieder anteasern, aber um die Nummer dann auch durchzuziehen, fehlte es ihnen dann am Mut zum unbedingten Wahnsinn.

    Das hinderte Johnny Knoxville allerdings nicht daran, alle seine Stunts in „Action Point“ selbst zu übernehmen. Innerhalb der 14 Drehwochen wurde der 47-Jährige gleich mehrfach ins Krankenhaus eingeliefert, unter anderem mit einem aus seiner Höhle herausgerutschten Auge (!), vier Gehirnerschütterungen, einer gebrochenen Hand und einem zerrissenen Meniskus. Diese Opferbereitschaft ist dem fertigen Film anzusehen, wenn auch viel zu selten. „Action Point“ wäre ganz sicher ein weitaus besserer Film geworden, wenn die Verantwortlichen wieder voll auf Anarcho-Späße gesetzt hätten. Aber das fünfköpfige (!) Team hinter Story und Drehbuch streut sie nur vereinzelt in eine völlig beliebige Vater-Tochter-Geschichte ein. Wenn der alte D.C. seiner Enkelin von seiner Zeit als Parkleiter erzählt, dann geht es dabei auch „um die gute alte Zeit“, in der man noch ohne nervige Sicherheitsbestimmungen einfach unbeschwerten Spaß an der frischen Luft haben konnte. Ganz im Gegensatz zu den heutigen Teenagern, die nur noch auf ihre Handys starren. Aber so ganz ohne zündende Pointen wird auch „Action Point“ kaum dafür sorgen, dass sie ihren Blick weg vom Display hoch auf die Kinoleinwand richten.

    Fazit: „Action Point“ ist eine weitestgehend witzlose Komödie, in der zwar überdurchschnittlich viele, aber trotzdem lange nicht genug Menschen auf die Fresse fliegen. Nur wenn hier und da mal Spurenelemente des klassischen „Jackass“-Vibes durchscheinen, erwacht der Film für einen kurzen Moment zum Leben.

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