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    James Bond 007 - Feuerball
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    James Bond 007 - Feuerball
    Von Martin Soyka

    Mit Terence Youngs „James Bond 007 - Feuerball“ weitete sich die Bonditis, die seit „Goldfinger“ herrschte, zum weltweiten Phänomen aus. Und das zurecht, denn nach wie vor ist der Film Inbegriff all dessen, was die Bond-Reihe ausmacht.

    Der eigentliche Plot ist schnell erzählt: Die bereits aus „Liebesgrüße aus Moskau“ bekannte kriminelle Organisation SPECTRE (deutsch: „Das Phantom“!) arrangiert es, dass ein Kampfjet der Briten gekapert und gewassert wird und zwei Atombomben daraus entführt werden. Mit diesen Bomben werden die reichsten Nationen der Erde dann um einen namhaften Geldbetrag erpresst. England kontert, indem es seine gesamte Doppel-Null-Abteilung darauf ansetzt. James Bond (Sean Connery), eigentlich Kanada zugeteilt, überredet seinen Chef, ihn in Nassau einzusetzen, weil dort Domino (Claudine Auger), die Schwester eines Flugzeuginsassen, weilt und er dessen Leichnam kürzlich in einem Sanatorium aufgefunden hatte. Kaum auf dem Bahamas eingetroffen, ist der eigentliche Bösewicht ausgemacht: Emilio Largo (Adolfo Celi), Vormund von Domino und Nummer zwei von SPECTRE. Dann beginnt das bereits aus „Goldfinger“ bekannte Umherschleichen der Kontrahenten umeinander, unterbrochen von einigen Mordanschlägen auf 007 und Stelldicheins mit diversen Schönheiten beiderlei Seiten...

    „Feuerball“ sollte eigentlich ursprünglich für das Fernsehen adaptiert werden. Aus den Plänen wurde bekanntlich nichts, und so arbeitete Ian Flemming die Storyline zu einem Roman um. Als dann der ersten Bond-Film für das Kino verfilmt werden sollte, beabsichtigte man zunächst, „Feuerball“ zu realisieren. Unglücklich daran war nur, dass die Story nicht von Flemming allein, sondern gemeinsam mit anderen entwickelt worden war. Und die machten jetzt gerichtlich ihre Rechte geltend. Also zog man „Dr. No“ vor und stellte das Projekt zurück. Einige Jahre und drei Filme später war das Franchise groß genug, um das Riesenprojekt auf dem Weg zu bringen. Die juristischen Streitigkeiten waren - einstweilen - beigelegt; später erstritt sich Kevin McClory das Recht auf eine Neuverfilmung („Sag niemals nie“).

    „Feuerball“ fällt eine deutliche Nummer größer aus als sein unmittelbarer Vorgänger. Die Schauplätze sind prächtiger, Bond ist cooler, die Frauen sind schärfer und die Action ausgefeilter. Dazu gibt es zum ersten Mal einen „typischen“ Maurice-Binder-Vorspann mit nackten Frauen als Schattenriss. Dies sollte ab jetzt neben dem Blick durch den Pistolenlauf zu Beginn zum optischen Markenzeichen der Reihe werden. Ein ganzes Viertel des Films spielt zudem unter Wasser. Gerade letzterer Aspekt nimmt dem Film allerdings viel an Tempo und verführt dazu, auf der DVD-Fernbedienung den Knopf für dem Bildvorlauf zu drücken.

    Trotzdem enthält der Film interessante Aspekte, die nicht sofort ins Auge springen. Domino ist das eigentliche Zentrum, auch wenn ihre Figur den Plot nicht wirklich voranbringt. Sie ist gefangen zwischen den familiären Bindungen zu ihrem Bruder und ihrem Vormund. Mit letzterem verbindet sie eine quasi-inzestuöse Beziehung, aus der sie sich befreien muss (letztlich mittels einer Harpune) und nicht etwa von Bond errettet wird. Largo, als Nummer zwei hinter dem künftigen und hier noch namenlosen Superschurken Blofeld vorgestellt, hat den Tod ihres Bruders verschuldet und sie gleichsam geschändet, was seiner Schurkenrolle eine zusätzliche Dimension verleiht. Neben Gert Fröbe ist Adolfo Celis Bösewicht der gelungenste der Serie. Zwar hat er nicht die überwältigende Körperfülle, dafür aber Muskeln, Grips, Augenklappe und - neu für das Franchise - Libido. Auch die Handlanger gefallen gegenüber dem comichaften Oddjobb, allen voran die Figur der Fiona Volpe (Luciana Paluzzi). War im Vorgänger Pussy Galore als Tough Chick allzu schnell in Bonds Armen schwach geworden, lässt sich Fiona nicht so schnell um den Finger wickeln. Im Gegenteil, hier wird der Womanizer vernascht. Seine müde Erwiderung auf diese Erkenntnis, nur für König und Vaterland gehandelt und die Bettgymnastik selbstverständlich nicht genossen zu haben, kann diese Schlappe nicht wettmachen.

    Die Story ist gegenüber „Goldfinger“ allerdings in einem Punkt im Nachteil: Es droht keine unmittelbare Gefahr. Die Regierungen sind bereit, das Lösegeld zu zahlen, wenn Bonds Mission fehlschlägt. Der Druck ist geringer, es steht nicht auf Spitz oder Knopf, sondern es herrscht eine Dauergefahr. Bond könnte sich auch Zeit lassen und die Bomben nächste Woche finden. Mit anderen Worten: Es geht um die Erpressbarkeit von führenden Nationen, was kein echtes Mitfiebern ermöglicht. Der Zeitaspekt, am Anfang des Films klar in den Vordergrund gestellt, rückt gegen Ende immer weiter an den Rand.

    Die üblichen Gimmicks dürfen nicht fehlen: Neben dem Aston Martin aus „Goldfinger“ wurde ein Raketenrucksack eingesetzt, ferner Geigerzähler in der Armbanduhr, radioaktive (!) Kapseln zur Ortung (selbstverständlich ohne Einfluss auf den Geigerzähler) und - besonders geschmeidig - Atemgeräte im Füllhalterformat. Die fand auch das US-Militär interessant und erkundigte sich später bei den Ausstattern, wie diese funktionierten und wie lange man damit unter Wasser bleiben könne. Die passende Antwort: „So lange sie es schaffen, die Luft anzuhalten.“ Damit wird belegt, dass die mitunter vorgetragene Meinung, alles, was bei Bond zu sehen sei, funktioniere auch wirklich, blanker Unsinn ist. Es wird nur glaubwürdig präsentiert. Kino ist Imagination. Quod erat demonstrandum.

    Die Produktion kann sich selbstverständlich bei aller Gigantomanie mit heutigen Standards nicht mehr messen. Dem Zuschauer fallen die Rückprojektionen bei den Autofahrten ebenso unangenehm auf wie die am Schneidetisch künstlich beschleunigte Geschwindigkeit bei Action-Sequenzen. Eine Yacht ist und bleibt kein Offshore-Speedboat und wirkt auf Film gebannt eben träge. Da hilft auch kein trickreiches Editing, eine Erfahrung, die Jahrzehnte später von Jan de Bont in „Speed 2“ auf traurige Art wiederholt werden musste. „Feuerball“ ist umgekehrt erfrischend echt gemacht, da gibt es kein CGI, auf das zurückgegriffen werden konnte. Es ist alles echt, was man sieht. Die Schlussexplosion der Disco Volante war auch nicht wie sonst üblich mit künstlich beschleunigter Kamera aufgenommen worden, um bei normaler Abspielgeschwindigkeit mehr Wucht zu erzeugen. Der Knall ist echt, tatsächlich eine der größten Explosionen der Filmgeschichte, und ließ noch viele Kilometer entfernt die Scheiben bersten. Nicht zuletzt deshalb ist „Feuerball“ der einzige der Sechziger-Jahre-Bonds, der entgegen der Angabe auf dem DVD-Cover mit einem raumklangfähigen Upmix für die Originaltonspur ausgestattet wurde.

    Von dem Film gibt es verschiedene Schnittversionen mit unterschiedlichen Dialogen, offenbar auf eine hektische Schlussphase zurückzuführen. Auch beim Soundtrack gab es Probleme, so dass er erst lange Jahre später auf Tonträger veröffentlicht werden konnte. Unter anderem sollte eigentlich Shirley Bassey wieder für den Titelsong zum Einsatz kommen, aber der von ihr eingesungene Track „Mr. Kiss, Kiss, Bang, Bang, der auf Bonds Spitznamen in Japan anspielt, war nicht dramatisch genug. Für sie sprang Tom Jones ein, der zwar eine echte Röhre war und ist, aber gegen den wirklich bescheuerten Text ansingen muss. Das ursprünglich vorgesehene Titellied kann man übrigens in einer Instrumentalversion hören, als Bond mit Fiona beim Karneval tanzt, worauf diese passender Weise in seinen Armen ihr Leben lässt. „Feuerball“ ist zusammen mit „Goldfinger“ das Fundament des Franchise. Ein guter Cocktail, den man immer wieder stilvoll genießen kann, und ein echter Klassiker dazu. Von einigen leichten Schwächen abgesehen.

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