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    Letztendlich sind wir dem Universum egal
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Letztendlich sind wir dem Universum egal
    Von Thomas Vorwerk

    Liebesromane zeichnen sich ja generell eher nicht durch übertriebenen Realismus aus, aber nachdem Groschenromanleser(innen) früher eher von Feuerwehrmännern, Chefärzten und Piraten fantasierten, kamen in den vergangenen 20 Jahren auch immer mehr Vampire, Außerirdische oder Zeitreisende als potentielles Boyfriend-Material dazu. Nach dem vor allem von „Twilight“ angeschobenen Young-Adult-Boom tauchten in manchen Buchläden sogar extra Regale nur für „paranormale Romanzen“ auf – und in diesen stand dann bestimmt auch eine Ausgabe des 2014 erschienenen Romans „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ von David Levithan, der nun unter demselben Titel von „Für immer Liebe“-Regisseur Michael Sucsy für die große Leinwand adaptiert wurde. Eine mehr als nur etwas andere Liebesgeschichte, deren Prämisse für eine Verfilmung besonders faszinierende Möglichkeiten bietet.

    Nachdem ihr Freund Justin (Justice Smith) am Vorabend mal wieder auf keine ihrer vielen Nachrichten geantwortet hat, ist die 16-jährige Rhiannon (Angourie Rice) am nächsten Morgen extrem überrascht, als sich Justin plötzlich wie verwandelt zeigt und mit ihr einen wunderschönen Tag verbringt. Als sich Justin anschließend nicht mehr an den gemeinsamen Ausflug erinnern kann, kommt Rhiannon das zwar merkwürdig vor, aber noch hat sie keine Ahnung, was wirklich dahintersteckt: Statt mit ihrem Freund hat sie den Tag nämlich mit einem Wesen namens „A“ verbracht, das seit seiner Geburt jeden Morgen im Körper eines anderen Menschen aufwacht. Während Geschlecht und Hautfarbe dabei keine Rolle spielen, erwacht „A“ stets in einem etwa gleichaltrigen Körper nicht allzu weit von seinem Aufenthaltsort am Vorabend entfernt. Normalerweise versucht „A“ dabei, den Teenagern, in deren Körper er steckt, so wenige Schwierigkeiten wie möglich zu bereiten und einfach nur durch den Tag zu kommen. Aber nun hat „A“ sich in Rhiannon verliebt und geht deshalb zunehmend Risiken ein, um ihr nahe sein zu können…

    A ist mal ein korpulenter Schwarzer, mal eine transsexuelle Teenagerin, mal ein blinder Junge – kein Wunder also, dass es eine Zeitlang dauert, bis Rhiannon ihrem Gegenüber die Story abkauft und nicht länger von einem sehr elaborierten Scherz ausgeht. Dieses „Kennenlernen“ ist mit Abstand der überzeugendste Teil des Films und das nicht nur, weil Rhiannon dabei die positive Message lernt, dass es in Liebesdingen letztendlich tatsächlich um die inneren Werte geht, sondern auch weil der Zuschauer ja trotz seines Mehrwissens letztendlich vor genau derselben Herausforderung steht: Auch das Publikum muss erst einmal akzeptieren, dass all diese sehr verschieden aussehenden Figuren tatsächlich ein und dasselbe Wesen sind.

    Der Film spielt sich fast nur zwischen Rhiannon und A ab, während ihre Eltern und ihre beste Freundin kaum über Statistenrollen herauskommen (trotz prominenter Besetzung mit Maria Bello). Aber da einer der beiden Parts in dieser Beziehung ja täglich neu „besetzt“ wird, gibt es trotzdem eine Menge Abwechslung und auch einige echt nette Ideen – so wacht A etwa eines Morgens als Teenager auf, dessen Eltern mit ihm just an diesem Tag nach Hawaii fliegen wollen, weshalb A aus dem Fenster fliehen muss, um nicht zu riskieren, am nächsten Morgen im Körper eines Hawaiianers Tausende Meilen von Rhiannon entfernt zu erwachen.

    Das ist oft clever, aber zugleich auch auffällig prüde (typisch amerikanisch eben): Sexualität wird maximal vage angedeutet – und obwohl es ja eigentlich gerade darum geht, dass Rhiannon A unabhängig von seinem gerade aktuellen Körper liebt, dauert es mehr als eine Stunde, bis es mal einen zaghaften lesbischen Kuss gibt (mit den männlichen As sieht man sie hingegen öfter im Bett umhertollen). Auch das absurd-komödiantische Potential der Situation wird nicht oft ausgenutzt, stattdessen konzentriert man sich lieber stärker auf die Romantik. Und diese Momente wenden sich mit Seifenblasen und Wunderkerzen wiederum sehr offensichtlich an ein sehr junges Gerade-erst-Teenager-Zielpublikum.

    Der im Original mit „Every Day“ viel passender betitelte Film bietet zwar grundsympathische Romantikunterhaltung, aber echte Spannung kommt nicht mehr auf, sobald Rhiannon die Situation erst einmal akzeptiert hat. Bei den eingestreuten kleinen Hindernissen für das Paar - etwa wenn A im Körper einer Lebensmüden erwacht oder ein Teenager im Anschluss an As Besuch überzeugt davon ist, von einem Teufel besessen gewesen zu sein - hält sich das Konfliktpotential doch arg in Grenzen. Nicht einmal Justin muckt noch ernstzunehmend auf, als sich Rhiannon von ihm trennen will, weshalb die Spannung erst ganz am Ende noch einmal ein wenig anzieht. Der finale Konflikt kommt allerdings nicht nur sehr plötzlich und unvorbereitet, auch die Auflösung überzeugt nicht wirklich.

    Fazit: Die wirklich vielversprechende Prämisse für eine Young-Adult-Romanze wird hier zwar etwas zu brav umgesetzt, überzeugt dank der stimmigen Chemie zwischen Angourie Rice und den vielen verschiedenen A-Darstellern aber trotzdem. Ein gelungenes Experiment, selbst wenn mit etwas mehr Mut definitiv noch deutlich mehr drin gewesen wäre.

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