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    Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch
    Von Lars-Christian Daniels

    Im November 2015 knallten bei der ARD mal wieder die Korken: Der „Tatort: Schwanensee“ hatte sage und schreibe 13,6 Millionen Zuschauer vor den Fernseher gelockt. Selbst für den populären Fadenkreuzkrimi aus Münster war das ein neuer Bestwert. Die Hauptdarsteller Jan Josef Liefers („Vier gegen die Bank“) und Axel Prahl („Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“) ließen sich ihren Erfolg ein Jahr später mit einem stattlich dotierten neuen Vertrag versüßen – aber würden sie eine solch fabelhafte Einschaltquote noch einmal wiederholen können? Die beiden setzten sogar noch einen drauf: Im April 2017 schalteten sagenhafte 14,6 Millionen Zuschauer ihren „Tatort: Fangschuss“ ein – das war die beste „Tatort“-Quote seit 25 Jahren. Angesichts solch gigantischer Werte dürfte den federführenden WDR jede Kritik an den immer seltener originellen Krimis aus Westfalen kaltlassen: Der Sender überlässt die Innovationen lieber anderen und liefert dem Publikum genau das, was es sehen will. In die immer länger werdende Reihe der massenkompatiblen Schmunzelkrimis reiht sich auch Lars Jessens „Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch“ nahtlos ein: Spannung und Tiefgang bleiben auf der Strecke, aber die Fans von Thiel und Boerne kommen einmal mehr auf ihre Kosten.

    Kurz vor der Eröffnung der Internationalen Skulptur-Tage in Münster ruft das vermeintliche Werk des renommierten Aktionskünstlers Zoltan „G.O.D.“ Rajinovic (Aleksandar Jovanovic) Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seine Kollegin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) auf den Plan: Eine vor dem Rathaus aufgestellte Clownsfigur entpuppt sich als Leiche eines ehemaligen Stadtrats, der vom Verdacht der Unzucht mit Kindern freigesprochen wurde. Hat sein Mörder aus Rache gehandelt? Für Ausstellungskuratorin Klara Wenger (Victoria Mayer), deren Mutter Nika (Gertie Honeck) gut mit Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) bekannt ist, ist das zweitrangig: Die Publicity kommt ihr nicht ungelegen. Während die Befragung der Künstler Jan Christowski (Christian Jankowski) und Swantje Hölzel (Raphaela Möst) keine brauchbaren Erkenntnisse liefert, finden Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und seine Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) finden bei der Obduktion neben einem USB-Stick den Buchstaben „S“ im Körper des Toten – und schon bald gibt es eine weitere Leiche, die auf einen Serienmörder schließen lässt...

    Die erste gute Nachricht erreichte die Fans der „Tatort“-Folgen aus Münster schon zwei Wochen vor der TV-Premiere des Films: „Man soll nicht aufhören, wenn es am schönsten ist“, ließ Axel Prahl in einem Interview verlauten und bestätigte, noch mindestens bis 2021 an der Seite von Jan Josef Liefers in seiner Paraderolle weitermachen zu wollen. Ginge es nach ihren Fans, würden die beiden wohl bis ins hohe Rentenalter nach dem altbekannten Schema ermitteln, das auch im „Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch“ wieder zur Anwendung kommt: Die erfahrenen Drehbuchautoren Christoph Silber („Ich bin dann mal weg“) und Thorsten Wettcke („Die Hebamme“) setzen voll auf das erfolgserprobte Rezept aus mal mehr, mal weniger originellem Dialogwitz, einem Kriminalfall ohne nennenswerten Anspruch auf Realitätsnähe und den gewohnten Frotzeleien der Figuren, die bei ihrem 32. gemeinsamen Einsatz wieder voll in ihrem Element sind. Der eingebildete Boerne neckt die schüchterne „Alberich“, der mürrische Thiel moniert die Nikotinsucht der qualmenden Staatsanwältin und auch „Vaddern“ Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) tut mal wieder das, was er am besten kann: Drogen konsumieren, Taxi fahren und seinen Sohn zur Weißglut treiben.

    Das alles hat man im Münster-„Tatort“ schon etwa 32 Mal gesehen, und auch die Nebenfiguren bekommen traditionell wenig Platz zur Entfaltung. Die Stars sind hier stets die Ermittler und selten die Verbrecher. Wenigstens einem Verdächtigen verleihen die Filmemacher diesmal aber Profil: Aleksandar Jovanovic („You Are Wanted“) gibt als überzeichneter Aktionskünstler G.O.D. das Enfant terrible in dieser Krimikomödie und zugleich Einblicke in seine exzentrische Künstlerseele, die den nicht minder ich-fixierten Hobbykünstler Boerne von Beginn an faszinieren. Sicher: Ein Faible für Kunst hätte Nadeshda Krusenstern oder Assistentin „Alberich“ genauso gut zu Gesicht gestanden, was in dieser Krimikomödie vom Reißbrett für Abwechslung gesorgt hätte – im „Tatort“ aus Münster ist es aber fast immer Boerne, der von Folge zu Folge einer neuen Leidenschaft frönen darf, die in irgendeinem Zusammenhang zum Mordfall steht. Auch andernorts häufen sich die Zufälle: Thiel und Kuratorin Wenger kennen sich angeblich noch aus der gemeinsamen Zeit ihrer Eltern in einer Kommune – dass Wenger diese freizügige Vergangenheit nach Feierabend wieder aufleben lassen möchte, wirkt mehr als bemüht und generiert keinen einzigen brauchbaren Gag.

    Durchaus originell und dramaturgisch ansprechend konstruiert ist diesmal aber der Kriminalfall: Dass der gesuchte Killer seinen in familienkompatibler „Hannibal“-Variation drapierten Leichen Botschaften mit auf den Weg gibt und sich aus den Puzzleteilen erst kurz vor dem Showdown ein schlüssiges Gesamtbild ergibt, animiert zum Miträtseln und wirkt hier deutlich runder als in so manchem anderen Fall der westfälischen Publikumslieblinge. Wenngleich die Ermittlungen recht schleppend in Fahrt kommen und die Auflösung eingefleischten Krimikennern nur ein müdes Lächeln abringen dürfte, wartet der 1036. „Tatort“ doch noch mit einer überzeugenden Schlussviertelstunde auf, die ein wenig für die vielen Klischees, die ausgelutschten Erzählmuster und so manchen misslungenen Witz entschädigt. Wenn sich der verschlafene Thiel nämlich statt seines klingelnden Steinzeit-Handys, das seit 15 Jahren den gleichen Hans-Albers-Klingelton spielt, seine Fernbedienung ans Ohr hält und das Gespräch annehmen will, verkommt der Film vorübergehend zur Klamotte – deutlich gelungener ist der Auftritt von Aktionskünstler Christian Jankowski, der in dieser Krimikomödie „Jan Christowski“ heißt und sie mit einer eigenwilligen Schlusspointe abrunden darf.

    Fazit: Lars Jessens „Tatort: Gott ist auch nur ein Mensch“ ist ein Schmunzelkrimi aus Münster nach altbewährtem Rezept – und dürfte der ARD daher wieder eine fantastische Quote bescheren.

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