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    Spielmacher
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Spielmacher
    Von Carsten Baumgardt

    Es scheint so, als könnte nichts die Liebe der Deutschen zum Fußball erschüttern. Trotz zunehmend astronomischer Spielergehälter, die nur noch die wenigsten Klubs bezahlen können, immer höherer Eintrittspreise für Stadionbesuche und steigender Pay-TV-Gebühren, ist die Begeisterung für die Jagd nach dem runden Leder im Land des amtierenden Weltmeisters nach wie vor riesengroß. Daran haben auch die Enthüllungen von Mauscheleien hinter den Kulissen der zum „Sommermärchen“ verklärten WM 2006 nicht viel geändert. Da kann es nicht schaden, daran zu erinnern, dass auch der Fußball nicht gegen jede Krise gefeit ist. Genau darum bemüht sich Debütregisseur Timon Modersohn mit seinem Wettmafia-Drama „Spielmacher“.

    Der Skandal um den von verbrecherischen Wettbetrügern bestochenen Schiedsrichter Robert Hoyzer, der unter anderem ein DFB-Pokalspiel zwischen dem damaligen Drittligisten SC Paderborn und dem Bundesliga-Dino Hamburger SV (4:2) verschoben hat, bietet den ungenannten Hintergrund für den Film. Die Hauptfigur Ivo entstammt dem Milieu, dem auch der damalige Haupttäter Ante Sapina angehörte und das hier beleuchtet wird. Trotz guter Darsteller erwacht „Spielmacher“ aber nur selten zum Leben, weil die Handlung zu oberflächlich und vorhersehbar bleibt.

    Ivo (Frederick Lau) war wegen schwerer Körperverletzung im Knast. Wieder auf freiem Fuß will der Ex-Kicker, der es fast in die Profiligen geschafft hätte, seine Fußball-Leidenschaft wiederbeleben. Die Karriere, die ihm selbst versagt blieb, will er nun dem talentierten Teenager Lukas (Mateo Wansing Lorrio) ermöglichen. Auch mit dessen Mutter Vera (Antje Traue) freundet sich Ivo an. Doch es dauert nicht lange, da gerät er erneut auf die schiefe Bahn: Nach einer verlorenen Fußballwette wird er von dem kriminellen Buchmacher (Oliver Masucci) angeworben und schließlich als Spielerbeobachter in den unteren Ligen des Ruhrpotts eingesetzt. Ivos Aufgabe ist es, Fußballer zu finden, die für Bestechung offen sind und Dejans Wettmafia sorgt schließlich für Spielmanipulationen, mit denen sie Millionen umsetzt. Um diese Einnahmen zu schützen, schrecken die Gangster auch vor Gewalt nicht zurück. Ivo bekommt Skrupel…

    Mit dem doppeldeutig betitelten „Spielmacher“ greift Regisseur Timon Modersohn (Regieassistent bei „Oh Boy!“) ein hochspannendes Thema auf: Wie ist das milliardenschwere Geschäft des Betrugs mit Fußballwetten organisiert? Wo werden die großen Beträge verschoben? Der Film zeigt, dass dies eben nicht in den Top-Profiligen passiert, weil Manipulationsversuche angesichts von Dutzenden Kameras in den Stadien und der medialen Komplettberichterstattung viel zu riskant wären. Aber inzwischen lässt sich problemlos auch auf untere Ligen und sogar Jugendspiele wetten – und genau da ist der Sport anfällig, denn ohne die Kontrollwirkung der öffentlichen Aufmerksamkeit sind Mauscheleien kaum zu verhindern.

    Am besten ist „Spielmacher“, wenn dieser verschlungene Pfad des Betrugs dokumentiert wird. Für ein paar Tausender fängt sich ein Kicker auf ein Zeichen hin eine Rote Karte ein oder lässt ein Gegentor zu – und schon sind Millionen gewonnen, wenn es richtig eingefädelt ist. Wenn der von Karl Markovics („Die Fälscher“) gespielte Wirt und Mafiaverbindungsmann in seinem Hamburger Hafenimbiss mal eben ein dickes Bündel Euronoten aus seinem Mayonnaise-Topf klaubt, finden Regisseur Modersohn und sein hollywooderprobter Kameramann Christian Rein („Love, Rosie“, „How To Be Single“) ein ebenso originelles wie vielsagendes Bild für die Dimensionen des kriminellen Geschäfts.

    Immer wieder steuert Rein außergewöhnliche Einstellungen bei und verleiht „Spielmacher“ damit in den besten Momenten einen Hauch von Film-noir-Stimmung. Erzählerisch bleibt das etwas reißbrettartige Drama allerdings frei von Überraschungen. Ivos redlicher Versuch, sich zu resozialisieren ist als vergeblich vorgezeichnet und sein Abrutschen in die Wettmafia-Szene geht damit unausweichlich Hand in Hand – eine penetrant auf fatal gestimmte Abwärtsspirale, der auch der treibende bedeutungsschwangeren Elektro-Score keine Spannung verleiht.

    Sehenswert ist aber neben der visuellen Gestaltung auch die Arbeit der Schauspieler. Frederick Lau („Victoria“, „Der Hauptmann“) spielt seinen gewohnt-bewährten Rollentypus und gefällt einmal mehr als harter Kerl mit weichem Kern. Die Adidas-Trainingshose zieht er höchstens mal für Lukas‘ Mutter Vera aus, aber ansonsten ist sie festgewachsen, weil sich das für Leute wie Ivo gehört wie die Kippe im Hals und das Arbeiter-Pils in der Hand. Auch wenn er nicht sauber spielt, bleibt Ivo die Identifikationsfigur. Dank Lau will man ihm einfach nicht so recht böse sein. Und wenn Ivo über Fußball spricht, spürt man seine Passion für diesen Sport, der ihm alles bedeutet und den er trotzdem verrät. Oliver Masucci (der Hitler aus „Er ist wieder da“) ist ebenso charismatisch als scheinbar herzlicher, aber hinter der Fassade eiskalter Brutalo, dem Menschenleben nichts wert sind.

    Im Mafiamilieu tummeln sich die archaischen Typen nur so. Doch abseits der üblichen Gangmachenschaften von Erpressung, Nötigung, roher Gewalt bis zum Mord schafft es Modersohn nicht, mit „Spielmacher“ tiefere Einblicke in die Welt des Wettbetrugs zu geben. Dazu kommen offenkundige Patzer und Ungereimtheiten, die der Glaubwürdigkeit der Figuren und der Handlung schaden. In einer Szene wetten Dejan und Ivo um den Ausgang des Drittliga-Spiels MSV Duisburg gegen Preußen Münster. Ivo setzt auf Münster, auch weil „die zuhause spielen“. Wie die Einblendung auf dem TV-Bildschirm zeigt, stimmt das aber gar nicht. Duisburg ist die Heimmannschaft, die schließlich gewinnt (und Ivo verlieren lässt). Da hat eine ganze Filmcrew einen Faktendreher übersehen und dadurch kann die angeblich so fußballverrückte Figur leicht als unwissend erscheinen.

    Fazit: Am Ende halten sich bei Timon Modersohns Fußball-Drama „Spielmacher“ Licht und Schatten die Waage. Die stimmige Atmosphäre und die überzeugenden Schauspieler retten die wenig nuancierte und überraschungsfreie Geschichte, die mehr Tiefe verdient hätte.

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