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    Wildes Herz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Wildes Herz
    Von Manuel Berger

    Gleich zu Beginn seines Films bietet Regisseur Charly Hübner seinem Publikum verschiedene Perspektiven auf Feine Sahne Fischfilet: Für einen SPDler ist die Band „provokant“, für den Verfassungsschutz „linksextrem“, ein Pastor sieht sie dagegen als „christliche Urband“ im Sinne von Ton Steine Scherben. Eins ist die Combo dabei ganz bestimmt: gegen Nazis. Sänger Jan „Monchi“ Gorkow nimmt in seinen Texten diesbezüglich kein Blatt vor den Mund. Genau auf dieses Thema legt der vor allem als Schauspieler bekannt gewordene Hübner den Schwerpunkt seines dokumentarischen Porträts des Musikers und Aktivisten: Mit spürbarer Sympathie für dessen Engagement, aber trotzdem mit Raum für kritische Untertöne zeichnet er Gorkow als einen streitbaren Menschen, den man durchaus nicht mögen muss. Aber nach dem Anschauen von „Wildes Herz“ stehen die Chancen gut, dass man ihn respektiert und versteht, wie er tickt.

    Charly Hübner, der aktuell für seine Rolle in „3 Tage in Quiberon“ für den Deutschen Filmpreis als Bester Nebendarsteller nominiert ist, verzichtet bei seinem Langfilmdebüt als Regisseur auf inszenatorische Extravaganzen, der Tonfall ist ruhig und sachlich und die einzelnen Szenen sind geschickt miteinander verknüpft. Die sinnfällige Erzählstruktur offenbart dabei schnell die Ambivalenz der zentralen Figur. Nach einem gemütlichen Einstieg, in dem sich die liebenden Eltern stolz an die Kindheit ihres Sohnes erinnern, sprechen sie wenig später bitter enttäuscht über die Hooligan-Zeit des jugendlichen Jan. Vater Gorkow zeigt Monchi dabei ein Foto, das er damals heimlich im Fußballstadion geschossen hat, verweist auf den wütenden Gesichtsausdruck des am Metallzaun stehenden Teenagers und kommentiert: „Gleich knallts.“ Mit 14 kommt Monchi zum ersten Mal als Teil des Hansa-Rostock-Mobs in Gewahrsam. Jahre später verurteilt man ihn wegen Anzündens einer „Bullenkarre“, was letztlich seine persönliche Wandlung anstößt.

    Damit endet das Kapitel „Werdegang“, die Basis der Charakterstudie ist gelegt. Ganz so wie sein wachsendes politisches Bewusstsein Monchi einst zum Ausstieg aus der Ultra-Szene bewegte, wird der Aktivismus des Protagonisten zum wichtigsten Thema des Films. Statt weiter in der Vergangenheit zu wühlen, springt der Regisseur vorwärts: Feine Sahne Fischfilet spielen auf großen Festivals, haben die sexistischen Texte ihrer Anfangsphase längst hinter sich gelassen und sich als starke Stimme gegen Rechts etabliert. Die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2016 wird dabei zum wichtigen Kristallisationspunkt: Während Monchi und Band auf ihre ganz eigene Weise unparteilichen Wahlkampf betreiben, finden nun auch aktuelle politischen Streitthemen wie die Flüchtlingskrise und die AfD (Frauke Petry schafft es sogar in den Abspann) Eingang in den Film, der hier längst weit mehr ist als „nur“ eine Musikerdokumentation.

    Der Verfassungsschutz wirkt in der hier dargestellten Gemengelage immer wieder wie ein Klotz am Bein im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Hübner lässt auch Sprecher des Nachrichtendienstes zu Wort kommen und zeigt die Position der Behörde auf – ohne jede Polemik macht er dabei die unverhältnismäßig starke Fixierung des Verfassungsschutzes auf Feine Sahne Fischfilet deutlich. Der Band wurde etwa in dessen jährlichen Berichten ungleich mehr Platz gewidmet als einer ganzen Reihe von unbestreitbar extremen Nazi-Gruppierungen. Wenn der Bandname am Ende des Films nach langem Hin und Her doch noch aus den Dokumenten getilgt wird, dann erweisen sich die Argumente der Musiker letztlich sogar ganz offiziell als die stärkeren. Hübner ist durchaus parteiisch, aber er vertritt seine Position argumentativ überzeugend, indem er nachvollziehbar das Pro und Contra darstellt.

    Die Stärke von „Wildes Herz“ liegt gerade darin, dass Monchi nicht als uneingeschränkt sympathisch dargestellt wird (seine Ex-Freundin bezeichnet ihn ungeschönt als Narzisst). Aber der Kraft seiner Botschaft gegen Hass und Ausgrenzung tut das keinen Abbruch. Sie wird von Hübner übernommen und geteilt, dabei kommt der Film ohne explizit linke politische Motive aus, was gerade vor dem Hintergrund des Linksextremismus-Vorwurfs essenziell ist, um „Wildes Herz“ nicht zur ideologisch aufgeladenen Predigt verkommen zu lassen. Tatsächlich ist das kraftvollste Motiv des Films eines, das sonst vor allem diejenigen für sich beanspruchen, gegen die Feine Sahne Fischfilet ansingen: die Heimatliebe. Wiederholt bekundet Monchi in „Wildes Herz“ seine Liebe zu Mecklenburg-Vorpommern und lebt damit aktiv vor, dass sich Heimatverbundenheit und Willkommenskultur nicht ausschließen müssen.

    Fazit: „Wildes Herz“ ist ein gerade in seiner Sachlichkeit überzeugendes Porträt, bei dem es kaum um die Musik des Protagonisten Monchi Gorkow geht, sondern vor allem um dessen Aktivismus.

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