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    One Percent - Streets of Anarchy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    One Percent - Streets of Anarchy

    Im Windschatten von "Sons Of Anarchy"

    Von Lutz Granert

    Kaum etwas verkörpert den ur-amerikanischen Freiheitswillen besser als eine knatternde Harley Davidson auf einem endlos erscheinenden Highway, der sich unter brennender Sonne durch die trockene Landschaft Kaliforniens schlängelt. Die von 2008 bis 2014 produzierte Drama-Serie „Sons Of Anarchy“ zeigt, was aus diesem einstigen Traum des weißen und inzwischen alten Mannes geworden ist: Der titelgebende Motorradclub verdient sein Geld nicht nur ehrlich mit einer KFZ-Werkstatt, sondern vor allem mit illegalen Waffenschiebereien. Was für den Club-Patriarchen Clay Morrow eine Selbstverständlichkeit darstellt, lässt seinen Ziehsohn und künftigen Nachfolger Jax Teller zweifeln, der nach und nach den krummen Geschäften abschwören will. Die an Shakespeares Drama „Hamlet“ angelehnte Story um Macht und Verrat fand viele Fans, die seit der Ausstrahlung der siebten und letzten Staffel nach mehr gieren.

    Die daraus resultierende Lücke ist trotz der mittlerweile existierenden Spin-off-Serie „Mayans MC“ noch so groß, dass andere ein Stück vom Biker-Kuchen abhaben wollen: so auch eine bereits 2017 unter dem Titel „Outlaws“ abgedrehte australische Independent-Produktion. Wie der clever gewählte deutsche Verleihtitel „One Percent – Streets Of Anarchy“ auch noch einmal verdeutlich, orientiert sich das Thrillerdrama stark an die US-Erfolgsserie. Dabei hält sich Filmemacher Stephen McCallum in seinem Debütfilm weitestgehend an die Maxime „Besser gut kopiert als schlecht selbst gemacht“, bleibt aber zu nah am Vorbild und gerade bei den Actionszenen auch wirkliche Schauwerte schuldig.

    Koch Films

    Die australische Alternative zu den Sons Of Anarchy

    Die Copperheads sind ein australischer Motorradclub, der einen zwielichtigen Stripclub betreibt. Als Club-Präsident Knuck (Matt Nable) hinter Gittern landet, führt der jüngere Chris (Ryan Corr) die Geschäfte weiter. Als sein infantiler Bruder Skink (Josh McConville) den konkurrierenden Motorradclub-Boss Sugar (Aaron Pedersen) bestiehlt, fordert der den Kopf des Diebes. Doch Chris kann das Leben seines Bruders retten, indem er einwilligt, dass die Copperheads Geld für den Erzrivalen waschen. Als Knuck aus dem Gefängnis freikommt, sagt er die Vereinbarung ab – und Chris wird direkt von Sugar unter Druck gesetzt. Auf Anraten seiner Frau Katrina (Abbey Lee) sieht er daher nur einen Ausweg: Knuck töten und selbst die Führung des Clubs übernehmen…

    Wie beim großen Vorbild „Sons Of Anarchy“ bemüht sich der ehemalige Rugby-Spieler Matt Nable (der auch Knuck verkörpert) in seinem Skript darum, das raue Milieu der Biker irgendwo zwischen harten Aufnahmeritualen und dubiosen Geschäften nachzuzeichnen sowie mit Rocker-Klischees aufzuräumen, was schon die Figurenzeichnung unterstreicht. Schönling Ryan Corr („Wolf Creek 2“) wirkt als langhaariger Chris immer etwas zu harmlos, um als harter, skrupelloser Biker durchzugehen. Doch dafür ist sein Gewissenskonflikt durchaus nachvollziehbar – besonders, wenn Skink beim Verkaufen von Drogen erwischt wird und vor dem Rauswurf aus dem Club steht. Beim muskelbepackten Macho Knuck, der immer einen schwulenfeindlichen Fluch auf den Lippen hat, ist dagegen die ganze schroffe Attitüde nur Fassade: Er hat im Knast entdeckt, dass er auf Männer steht (was seine Kameraden natürlich nicht einmal ahnen dürfen).

    Immer nur im Windschatten

    Das Wissen, dass diese Figurenkonstellation explodieren wird, sorgt für Spannung. Allerdings entlädt sich diese erst in einer bleihaltigen Schlussviertelstunde, die man sich nach allerlei gesponnenen Intrigen und langen Dialogen in arg schummrig ausgeleuchteten Innenräumen dann auch sehnlichst herbeiwünscht. Denn bis dahin geht es in „One Percent – Streets Of Anarchy“ etwas zu gemütlich zu. Abgesehen von ein paar Motorrad-Szenen und einigen kurzen Prügeleien ist wirkliche Action Mangelware, die in dem moralinsauren Plot um Loyalität und Bruderliebe für etwas Auflockerung sorgen könnte.

    Daneben fehlen auch das wirkliche Gefühl der Freiheit auf heißen Ofen oder beeindruckende Landschaftsaufnahmen des australischen Outbacks. Und starke Frauenfiguren sind trotz der engen Orientierung am Serienvorbild Mangelware. Simone Kessell („San Andreas“) erinnert als Knucks ebenso loyale wie biestige Freundin Hayley zwar an die Eiseskälte von Gemma Teller Morrow als Ehefrau und Mutter zwischen den Fronten in „Sons Of Anarchy“. Ihr fehlt jedoch mangels Screentime die Möglichkeit, der Figur Profil zu verleihen. Und so tuckert die sichtlich schmal budgetierte australische Independent-Produktion stets nur im Windschatten der US-Erfolgsserie dahin.

    Fazit: Der Männermachtkampf in „One Percent – Streets Of Anarchy“ ist zwar phasenweise gut erzählt, doch dem Thriller-Drama fehlt es an Tempo und Actionszenen. Das unentwegte Schielen auf die US-Erfolgsserie „Sons Of Anarchy“ lässt leider kaum Platz für eigene Ideen.

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