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    Vidocq - Herrscher der Unterwelt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Vidocq - Herrscher der Unterwelt

    Aufgeschlitzte Kehlen im historischen Paris

    Von Lutz Granert

    Nachdem er als Meisterdieb und „König der Ausbrecher“ zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, setzte bei Eugène François Vidocq mit der napoleonischen Herrschaft zunehmend ein Umdenken ein. So bot der Kleinkriminelle nach einer erneuten Verhaftung im Jahre 1809 dem Pariser Polizeichef Jean Henry seine Dienste an und horchte fortan als Spitzel seine Mitgefangenen aus, um zur Aufklärung bis dahin ungelöster Kriminalfälle beizutragen. Dem realen Vidocq, der 1833 eine Privatdetektei eröffnete, wird bis heute sowohl die Erfindung der Undercover-Ermittlungen sowie von ersten Ballistik-Tests zugeschrieben.

    Dieses bewegte Leben auf beiden Seiten des Gesetzes inspirierte nicht nur Vidocqs zeitgenössische Schriftsteller wie Alexandre Dumas oder Victor Hugo, sondern später auch zahlreiche Filmemacher. Zuletzt verfolgte etwa der kräftig gebaute, stark ans reale Vorbild angelehnte Gérard Depardieu als Kriminalist im schlicht „Vidocq“ betitelten Fantasy-Thriller von Pitof einen Mörder mit einer verspiegelten Maske. Regisseur Jean-François Richet („Blood Father“) geht in „Vidocq – Herrscher der Unterwelt“ nun allerdings einen anderen Weg und lässt mit viel Liebe zum Detail ein von der Revolution müdes und gesellschaftlich zerrüttetes Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder auferstehen. Leider verheddert sich der Abenteuer-Thriller dabei aber mit fortschreitender Laufzeit immer mehr in politischen Ränkeleien, die den zunächst noch so schwungvoll erzählten und hochkarätig besetzten Film zunehmend ausbremsen.

    Vincent Cassel (links, hier mit August Diehl) spielt den Verbrecherjäger Vidocq.

    Im Jahre 1805 gelingt es Vidocq (Vincent Cassel) mit Hilfe der Unterstützung des Kleinkriminellen Nathanaël de Wenger (August Diehl), aus einer Strafkolonie zu fliehen. Einige Jahre später ist Vidocq nach Paris zurückgekehrt und versucht sich dort unerkannt als Stoff-Händler ein Leben fernab der Kriminalität aufzubauen. Aber als ihm von der Unterweltgröße Maillard (Denis Lavant) ein Mord in die Schuhe geschoben wird, droht Vidocq nach seiner Verhaftung die Guillotine. Widerstrebend bietet der Meisterdieb dem Pariser Polizeichef Jean Henry (Patrick Chesnais) eine Zusammenarbeit an: Für Straferlass und seine Freiheit will er ihm dabei helfen, bisher ungeklärte Kriminalfälle aufzuklären. Vidocqs Arbeit trägt schnell Früchte. Das weckt auch das Interesse von Vidocqs einstigem Weggefährten Nathanaël, der ebenfalls nach Paris zurückgekehrt ist, um die Herrschaft über die dortige Unterwelt zu übernehmen...

    Die französische Produktion „Vidocq – Herrscher der Unterwelt“ verschlang den sehr stattlichen Betrag von 22 Millionen Euro - und das Geld wurde gut angelegt. Während die französischen Schlösser eh immer eine imposante Kulisse bietet, überzeugen auch die neugestalteten Sets wie ein reges Markttreiben beim Wiedersehen von Vidocq und Nathanaël durch ihre Detailfülle, während die Szenerie erweiternde CGI-Effekte nur angenehm zurückhaltend eingesetzt werden. Die Sets lassen neben den opulenten Kostümen und einem staubigen Schleier, der stets über den entsättigten Bildern zu liegen scheint, die historische Illusion vollkommen werden. Gerade in der ersten Hälfte erzählen Regisseur Jean-François Richet und sein Co-Autor Éric Besnard („Birnenkuchen mit Lavendel“) Abenteuer-Thriller actionreich und mit Verve. Vidocq und seine Helfer liefern sich beinahe im Minutentakt Scharmützel mit Maillards Mannen, wobei die Gewalt mit zahlreichen aufgeschlitzten Kehlen und Messerstechereien unerwartet explizit ausfällt.

    Zu viel gewollt

    Leider nimmt das Tempo in der zweiten Hälfte jedoch spürbar ab. Dann nämlich kippt „Vidocq – Herrscher der Unterwelt“ zunehmend in Richtung eines zähen Historiendramas, das versucht, die Geschichten von Vidocq und der jungen und noch ziemlich chaotischen Französischen Republik gleichzeitig zu erzählen. Abseits einer unnötigen Nebenhandlung um den politischen Einfluss der dubiosen Baronin von Giverny (Olga Kurylenko) rückt dabei immer stärker auch der innere Konflikt Vidocqs ins Zentrum des Films. Der hadert dialoglastig mit seiner Rolle zwischen auf beiden Seiten des Gesetzes, zwischen der eigenen Ganovenehre und der Hoffnung auf ein besseres Leben. Der charismatische Vincent Cassel („Black Swan“), der sich zur Vorbereitung auf die Rolle des untersetzten Kriminalisten im Sommer 2017 satte 15 Pfund anfuttern musste, liefert in der Titelrolle eine solide Vorstellung – mehr als stechende Blicke und ein grüblerischer Gesichtsausdruck werden ihm aber auch selten abverlangt. Ihm gegenüber bekommt August Diehl („Der junge Karl Marx“) leider zu wenig Screentime, um seinem Part als diabolischen Möchtegern-Fürst der Unterwelt wirkliches Profil zu verleihen.

    Fazit: Der Historien-Thriller „Vidocq – Herrscher der Unterwelt“ ist inhaltlich überladen, entschädigt dafür aber mit einer extrem aufwändigen Ausstattung sowie ungeahnt blutigen, temporeichen Actionszenen.

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