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    No Exit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    No Exit

    Im neuen Disney+-Original jagt eine Wendung die nächste

    Von Sidney Schering

    Nach seinem starken Hinterwäldler-Horror „Killing Ground“ tauscht Regisseur Damien Power das australische Outback gegen die verschneiten Mountain States der USA. Der Roman „No Exit: Diese Nacht überlebst du nicht“ von Taylor Adams ist ein simpler, aber effektiver Thriller – nicht gerade komplex, aber spannend genug, dass man immer wieder gebannt zur nächsten Seite blättert. Ursprünglich sollte die Verfilmung „No Exit“ in die Kinos kommen, aber dann entschied sich der Disney-Konzern schließlich doch für eine Streaming-Auswertung – in den USA bei Hulu, hierzulande bei Disney+. Das ist zwar prinzipiell bedauerlich, aber auch verständlich. Denn als stets zur nächsten überraschenden Wendung hetzender Thriller ohne größeren Ambitionen eignet sich „No Exit“ tatsächlich eher für einen soliden Streaming-Filmabend.

    Die Studentin Darby Thorne (Havana Rose Liu) flieht aus einer Entzugsklinik, um ihre im Sterben liegende Mutter noch ein letztes Mal zu sehen. Auf der Reise gerät Darby jedoch in einen schweren Blizzard und sieht sich gezwungen, in einer Highway-Raststätte Halt zu machen. Dort befinden sich bereits vier Fremde: Sandy (Dale Dickey), Ed (Dennis Haysbert), Ash (Danny Ramirez) und Lars (David Rysdahl). Ohne Handy-Empfang versuchen sie, ihre missliche Lage durch Smalltalk und Kartenspiele zu versüßen. Allerdings liegt eine aggressive, misstrauische Grundstimmung in der Luft – und das nicht ohne Grund! Durch einen Zufall bemerkt Darby, dass vor der Raststätte ein Transporter mit einem eingesperrten Mädchen (Mila Harris) geparkt ist. Aber wem gehört der Wagen und was genau geht hier eigentlich vor sich…

    Sobald Darby Thorne (Havana Rose Liu) das eingeschlossene Mädchen im Wagen vor der Raststätte entdeckt hat …

    Obwohl den „Ant-Man And The Wasp“-Drehbuchautoren Andrew Barrer und Gabriel Ferrari die Aufgabe zukam, einen ganzen Roman auf unter 100 Filmminuten zu komprimieren, haben sie sich dazu entschlossen, nicht nur Stellen zu kürzen, sondern auch noch etwas neu dazu zu erfinden: Ihre Protagonistin Darby Thorne kämpft mit einer Vergangenheit des Drogenmissbrauchs, die so in der Vorlage nicht vorkommt. Die Art und Weise, wie Barrer und Ferrari dieses neue Story-Element einsetzen, ist allerdings symptomatisch für den gesamten Film: Die Sucht ist hier lediglich eine weitere austauschbare Hürde, die sich der Figur in den Weg stellt. Selbst gemessen am Maßstab eines simplen Thrillers, der wie gemacht ist für einen Fernsehabend mit einer Schale Knabbereien auf dem Schoß, mangelt es dem Umgang mit Darbys sprichwörtlichen Dämonen an Tiefe.

    Die Geschichte ist ohnehin ganz auf ständige Richtungswechsel und überraschende Enthüllungen in hoher Schlagzahl hin gebürstet – und Damien Power inszeniert das mit zügigem Tempo, das dafür sorgt, dass hier zumindest nie Langeweile aufkommt: Wann immer Gefahr droht, dass dem Stoff die Puste ausgeht, wird alles wieder durcheinandergewürfelt! Aber hinter dem oberflächlichen Reiz, dass „No Exit“ immer in Bewegung bleibt, selbst wenn Darby selbst festsitzt, steckt sonst nicht mehr viel. Die zügigen, geradlinigen Thrills gehen nie unter die Haut, selbst wenn Havana Rose Liu als ruhelose Protagonistin, die zähneknirschend versucht, das Richtige zu tun, eine erfrischende Sympathiefigur zum Mitfiebern abliefert.

    … folgt in „No Exit“ Schlag auf Schlag eine Wendung auf die nächste.

    In der zweiten Hälfte stellt sich aufgrund der gleichbleibend hohen Schlagzahl an Überraschungen irgendwann doch ein gewisser Ermüdungseffekt ein. Die Twists sind für sich genommen zwar plausibel genug, dass sie keine gravierenden Löcher in die Story reißen, jedoch lädt die schiere Menge dann doch eher zum Augenrollen ein. Die Nebendarsteller*innen haben angesichts der seichten Charakterzeichnung ihrer Rollen zudem kaum eine Möglichkeit, in die eine oder die andere Richtung qualitative Richtung aufzufallen.

    Dafür holt Power inszenatorisch allerdings einiges aus dem Stoff heraus: Die verschneite Raststätte ist ein angemessen karger, unangenehmer Hauptschauplatz, den Kameramann Simon Raby ebenso abwechslungsreich wie stimmungsvoll in Szene setzt. Und den platten Figuren zum Trotz kreiert Power einiges an Spannung, indem er zeigt, wie Darby die Blicke der Verdächtigen analysiert oder auch vermeidet, um sich nicht selbst in die Karten blicken zu lassen. Sobald die Situation eskaliert und Darby schließlich gar vor Nagelpistolenangriffen fliehen muss, lässt Power dann auch ein wenig von seiner „Killing Ground“-Vergangenheit durchschimmern. Wenn sich der Adrenalinpegel wieder gelegt hat, bleibt zwar nicht viel vom Gesehenen hängen – aber wenn man mal wieder unentschlossen nach dem schnellen Schuss Streaming-Spannung sucht, ist „No Exit“ dennoch eine sichere Wahl.

    Fazit: Solide Spannung für den heimischen Filmabend. „No Exit“ krankt zwar an dünnen Figurenzeichnungen, durch die auch die zahlreichen Twists nicht die gewünschte Wirkung entfalten. Doch eine starke Inszenierung und eine zum Mitfiebern einladende Leistung von Havana Rose Liu mildern diese Schwächen ab.

     

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