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    Tatort: Der Turm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Der Turm

    Farbloser Finanzkrimi aus Frankfurt

    Von Lars-Christian Daniels

    Im Dezember 2018 musste schon so mancher „Tatort“-Kommissar vorübergehend ohne seinen gewohnten Partner auskommen: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) war im „Tatort: Vom Himmel hoch“ über weite Strecken auf sich allein gestellt, weil sich ihre Partnerin Johanna Stern (Lisa Bitter) in der Wohnung der gesuchten Mörderin überwältigen und für die zweite Hälfte des Krimis an ein Heizungsrohr ketten ließ. Auch Franziska Tobler (Eva Löbau) musste auf die Unterstützung ihres Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) verzichten, weil der sich das Bein gebrochen hatte – im tollen „Tatort: Damian“ kam stattdessen Gastkommissar Luka Weber (Carlo Ljubek) zum Zug und machte seine Sache sehr ordentlich. In Lars HenningsTatort: Der Turm“, den die ARD am 2. Weihnachtstag ins große Quotenduell mit dem nach Hawaii schippernden „Traumschiff“ schickt, tritt nun auch Anna Janneke (Margarita Broich) kürzer: Weil die Frankfurter Hauptkommissarin einleitend schwer am Kopf verletzt wird, ist Paul Brix (Wolfram Koch) bei den Ermittlungen vorwiegend ohne Janneke unterwegs. Der achte Fall der Ermittler vom Main gehört jedoch zu ihren schwächsten, was neben der fehlenden Spannung vor allem am enttäuschenden Drehbuch liegt.

    Mitten im Frankfurter Bankenviertel liegt die spärlich bekleidete Leiche einer jungen Frau, die offenbar mit einer Plastiktüte über dem Kopf von einem Büroturm gestürzt ist. Weil ihr Kollege Paul Brix (Wolfram Koch) noch im Stau steht, besichtigt Hauptkommissarin und Hobby-Fotografin Anna Janneke (Margarita Broich) den Tatort zunächst allein: Ihr Weg führt direkt in den Turm, in dem sie ein paar Bilder im Halbdunkeln knipst und dabei plötzlich niedergeschlagen wird. Als Brix endlich eintrifft, liegt Janneke bewusstlos im Aufzug und wird mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus eingeliefert. Dort hält sie es aber nicht lange aus: Obwohl ihr die Ärzte dringend davon abraten, verlässt Janneke die Krankenstation wieder und wertet unter strenger Aufsicht von Brix‘ Mitbewohnerin Fanny (Zazie de Paris) in ihrer Wohnung die Fotos aus, die sie nachts geknipst hat. Und tatsächlich: Auf einem der Fotos ist eine männliche Person zu erkennen, die sich offenbar zur Tatzeit im Turm aufgehalten hat. Handelt es sich dabei um den Täter?

    Spätestens seit der gelungenen ZDF-Serie „Bad Banks“ wissen wir: Investmentbanker sind mit allen Wassern gewaschen und kennen keinerlei Skrupel beim Scheffeln der nächsten Million. Nicht von ungefähr wurden in den Zwillingstürmen der Deutschen Bank in den vergangenen Jahren mehr Razzien durchgeführt wurden als bei mancher Rockerbande. Wer „Bad Banks“ oder ähnliche Formate gesehen hat, dem hat Regisseur und Drehbuchautor Lars Henning („Zwischen den Jahren“) allerdings wenig Neues über den Finanzkapitalismus zu erzählen: Profi-Trader sind den Aufsichtsbehörden immer einen Schritt voraus, feiern ausufernde Partys mit Prostituierten und werden natürlich von ihren gut bezahlten Anwälten und glänzend vernetzten Vorständen aus der Schusslinie gehalten, wenn die Polizei ihnen auf die Pelle rückt. Die auffallend bedrohlich in Szene gesetzte, fast durchgehend aus der Froschperspektive fotografierte und damit undurchdringliche Glasfassade des titelgebenden Turms (gedreht wurde im mittlerweile abgerissenen Deutsche Bank Investment Banking Center) steht damit auch exemplarisch für das Drehbuch: Statt wirklich zu kurz angerissenen Aspekten wie Microtrading oder den Details des windigen Gebarens dubioser Finanzdienstleister durchzudringen, stochert Henning bei seinem „Tatort“-Ausflug ins Investmentmilieu weitgehend im Nebel.

    Denn im 1076. „Tatort“ werden vor allem gängige Stereotypen bedient: Dazu zählt besonders die arrogant-affektierte Rechtsanwältin Dr. Rothmann (Katja Flint), die die Kommissare – und das ist typisch für die öffentlich-rechtliche Krimireihe – eiskalt abblitzen lässt und stets die schützende Hand über ihre Klienten hält. Auch die bisweilen vergeblich um Ausstrahlung bemühten Jungschauspieler Rouven Israel („Bruder: Schwarze Macht“) und Rauand Taleb („4 Blocks“) kämpfen in der Rolle der IT-Nerds Jonathan und Bijan vergeblich gegen das Schablonenhafte ihrer Figuren an, werden vom Drehbuch aber auch mit hölzernen Dialogzeilen gestraft, denen jede Authentizität abgeht – zum Beispiel, wenn sie Brix bei einem zwanglosen Treffen in einer Sushi-Bar erläutern, wie sie sich bei Vorlesungen in der Uni kennengelernt haben: „Er hat immer die schlausten Fragen gestellt.“ – „Und er hat sie beantwortet. Da hat der Algorithmus gepasst.“ Angenehm geräuschlos fügt sich hingegen Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern) ins Figurenensemble ein – das liegt aber auch daran, dass er einmalig Fosco Cariddi (Bruno Cathomas), den eigentlichen Chef von Janneke und Brix, ersetzt, den nach seinen drei bisherigen „Tatort“-Auftritten wohl nur die wenigsten Zuschauer im Frankfurter Präsidium vermissen.

    Aus dem vor allem atmosphärisch überzeugenden und auffallend düster inszenierten „Tatort: Der Turm“ hätte trotz der genannten Schwächen aber durchaus ein kurzweiliger Krimi werden können, hätten die Filmemacher doch nur mehr aus dem Mikrokosmos Turm (wie ihre bayrischen Kollegen im „Tatort: Außer Gefecht“, der zu großen Teilen im Münchner Olympiaturm spielte) oder Jannekes vorübergehender Amnesie (wie im „Tatort: Wir sind die Guten“, in dem Ermittler Ivo Batic sein Gedächtnis verlor) herausgeholt – von der konstant hohen Qualität ihrer ersten „Tatort“-Auftritte sind Janneke und Brix mittlerweile aber weit entfernt. Denn die Spannungsmomente lassen sich an einer Hand abzählen: Während Brix, der diesmal viel von seinem jüngeren Kollegen Jonas (Isaak Dentler) unterstützt wird, den nicht immer glaubwürdigen Wutbürger gibt und – natürlich – mit seinem Interimsvorgesetzten Bachmann aneinanderrasselt, sichtet die labile Janneke akribisch Fotos. Wirklich spannend wird es erst auf der Zielgeraden, ehe der unbefriedigende Schlussakkord dem enttäuschenden Krimi mit einer plumpen Zaunpfahlmoral ein Ende setzt. Nach dem mauen „Tatort: Land in dieser Zeit“ und dem furchtbar schlechten „Tatort: Fürchte dich“ bleibt damit auch der achte Einsatz des einst so überzeugenden Teams aus Frankfurt hinter den Erwartungen zurück.

    Fazit: Lars Hennings „Tatort: Der Turm“ ist ein enttäuschender Finanzkrimi aus Frankfurt, der vor allem unter seinen platten Figuren und den fehlenden Spannungsmomenten leidet.

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