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    Bodies Bodies Bodies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bodies Bodies Bodies

    Die Generation Z macht sich selbst den Garaus

    Von Christoph Petersen

    Das Internet ist voll von Memes, die davon handeln, wie verweichlicht die Mitglieder der Generation Z (sprich: die Geburtenjahrgänge von 1995 bis 2010) doch angeblich sind. Wo man sich früher, um einmal die Worte von Torwarttitan Oliver Kahn zu bemühen, den Mund abgewischt und weitergemacht hat, gibt es heute – zumindest dem Gen-Z-Klischee nach – nur noch Diskussionen und Gejammere. Jede(r) will, dass das eigene Leid universell anerkannt wird – und das gilt so auch für die ultraverwöhnten Rich Kids in Halina Reijns blutigem, dunkelschwarzhumorigem, regelrecht nihilistischem Agatha-Christie-aber-mit-Instagram-Whodunit „Bodies Bodies Bodies“. Selbst als einer nach dem anderen das Zeitliche segnet, scheint den größtenteils superreichen jungen Erwachsenen das Ausleben der eigenen Befindlichen wichtiger zu sein, als auch noch den nächsten Sonnenaufgang atmend zu erleben.

    Für die kommende Nacht ist ein schwerer Sturm angekündigt. Also hat David (Pete Davidson) im Luxusanwesen seiner verreisten Eltern zu einer Hurrikan-Party eingeladen. Neben seiner Angehend-Schauspielerin-Freundin Emma (Chase Sui Wonders) sind auch noch die Podcasterin Alice (Rachel Sennott), ihr sehr viel älterer Freund Greg (Lee Pace) und die lesbische Jordan (Myha'la Herrold) anwesend. Nicht gerechnet hat David allerdings damit, dass seine einstmals beste Freundin Sophie (Amandla Stenberg) nach einem Drogenentzug bei der Feier aufschlägt – und dazu auch noch ihre neue Liebhaberin Bee (Maria Bakalova), die als einzige an diesem Abend aus der Arbeiter*innen-Klasse stammt, mit im Schlepptau hat. Irgendwann wird eine Partie „Bodies, Bodies, Bodies“ gespielt, bei dem ein zufällig Auserwählter möglichst viele der Mitspielenden im Dunkeln durch Antippen auf den Rücken „ermorden“ muss, bevor ihm die anderen auf die Schliche kommen. Aber aus dem Spiel wird schon bald blutiger Ernst…

    Selbst wenn der Leichenberg um sie herum immer größer wird, sind Sophie (ganz links: Amandla Stenberg) & Co. zunächst einmal mit sich selbst beschäftigt.

    „Bodies Bodies Bodies“ ist ein besonders gutes Beispiel dafür, welche Rolle die Erwartungshaltung bei der Rezeption eines Werkes spielt: Wer den Film etwa bei der Weltpremiere auf dem South-by-Southwest-Festival gesehen hat und nach der reinen Plot-Beschreibung einen Gesellschaftsspiel-Slasher womöglich gar in der Tradition von „Ouija - Spiel nicht mit dem Teufel“ erwarten musste, der wurde von den beißenden satirischen Abgründen des Stoffes natürlich positiv überrascht. Wer nun hingegen ins Kino geht, weil „Bodies Bodies Bodies“ mit 85 Prozent positiver Besprechungen auf Rotten Tomatoes inzwischen zu den bestbesprochenen und am meisten gehypten Horrorfilmen des Jahres zählt, der wird womöglich enttäuscht, weil die Spannung doch etwas kurz kommt und auch der große Twist nicht wirklich überrascht (wobei er in seiner konkreten Ausgestaltung doch ziemlich cool geraten ist).

    Aber der Höhepunkt ist eben, wie sich die potenziellen Opfer selbst zerfleischen, wenn zwischen den Kills – ganz im Stile des titelgebenden Mörder-Ratespiels – darüber diskutiert wird, wer denn wohl der Schuldige ist. Da wechseln die Partygäste ihre Allianzen nämlich schneller als ihre Designerschuhe. Die zuvor noch propagierte Achtsamkeit ist da ganz schnell vom Tisch – und das kennt man ja auch aus früheren Horrorfilmen, wo Figuren selbst ihre Freund*innen verraten, nur um selbst zu überleben. Aber in „Bodies Bodies Bodies“ scheint es den Protagonist*innen nun eben gar nicht mal vornehmlich ums (eigene) Überleben zu gehen – stattdessen werden selbst dann noch, wenn sich drumherum bereits die blutüberströmten Leichen stapeln, stur weiter die eigenen Befindlichkeiten verhandelt. Die zeitgeistige Ausdrucksweise inklusive Triggern und Enablern sitzt – aber der eigene Überlebensinstinkt setzt aus.

    Endlich wird das Geheimnis um Pete Davidsons Attraktivität gelüftet: Er sieht ganz einfach aus „wie jemand, der fickt“.

    Bei den Charakteren in Slasher-Filmen kommt es traditionell auf die richtige Mischung an: Man braucht durchaus ein paar Widerlinge, bei deren Ableben man den Killer anfeuern kann – aber dazu eben auch Sympathieträger*innen, mit denen man in den Suspense-Szenen möglichst mitfiebert. „Bodies Bodies Bodies“ pfeift hingegen – mit voller Absicht! – auf diese erprobte Mixtur. Stattdessen sind die Figuren praktisch alle Arschlöcher – selbst bei Bee, die als aus Osteuropa stammende Studentin zunächst noch als Identifikationsfigur in der Welt der selbstbezogenen Superreichen fungiert, ist irgendetwas off. Das geht durchaus auf Kosten der Spannung, denn die Daumen drückt man hier eher wenigen (oder sogar absolut niemandem). Aber dafür geraten die satirischen Spitzen, wenn Sophie etwa ihre weniger gut bemittelte Freundin fallen lässt, als wäre sie ein zeitweiser Pflegefall aus dem Tierheim, der nach allerlei hohlen Liebesschwüren wie selbstverständlich wieder zurückgebracht wird, wenn die Urlaubszeit ansteht, eben auch richtig, richtig böse …

    … und das liegt sicherlich auch am aufstrebenden All-Star-Cast, den die niederländische Schauspielerin Halina Reijn hier für ihre zweite Spielfilm-Regiearbeit nach „Instinct - Gefährliche Begierde“ zusammengetrommelt hat: Für Amandla Stenberg geht es seit ihrem ikonischen Auftritt als Rue in „Die Tribute von Panem - The Hunger Games“ nur immer noch steiler nach oben, während sich Rachel Sennott mit der Hauptrolle in „Shiva Baby“ zum edgy Indie-Darling aufgeschwungen hat – und Maria Bakalova hat es für ihre schamlose Performance als Sacha Baron Cohens Tochter in „Borat 2: Borat Anschluss Moviefilm“ ja sogar bis zu einer Oscar-Nominierung als Beste Nebendarstellerin gebracht! Aber allen ein wenig die Show stiehlt hier – nicht ganz unerwartet – am Ende doch Pete Davidson. Wer sich schon immer gefragt hat, warum der „Saturday Night Live“-Absolvent und Kim-Kardashian-Ex trotz seiner Augenringe als so ungemein attraktiv gilt, bekommt hier die Antwort: „I Look Like I Fuck. That’s The Vibe I’m Going For!

    Fazit: Eine gnadenlos-garstige Gen-Z-Abrechnung – gewürzt mit allenfalls solidem Whodunit-Horror.

     

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