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    Death Kiss
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Death Kiss

    Charles Bronson lebt!

    Von Lutz Granert

    Charles Bronson kultivierte den Rollentypus des schweigsamen Rächers wie kein Zweiter. Der unter anderem als mysteriöser Mundharmonikaspieler in Sergio Leones Westernklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ bekannte Schauspieler feierte dabei seinen größten Erfolg als Selbstjustiz übender Architekt Paul Kersey: In insgesamt fünf Teilen der „Death Wish“-Reihe bringt dieser reihenweise Kriminelle zur Strecke. Am 30. August 2003 verstarb der Actionstar, nur um am 7. April 2018 offenbar wiedergeboren zu werden. Denn an diesem Datum gingen die Homepage sowie der Facebook- und Twitter-Account eines Schauspielers online, der Charles Bronson in seinen mittleren Jahren von den Gesichtszügen über die Statur bis hin zum Oberlippenbart verblüffend ähnlichsieht: Dahinter steckt der Ungar Robert „Bronzi“ Kovacs, der sich anschickt, als Bronson-Doppelgänger Karriere zu machen. Die erste große Nachricht ließ auf den drei PR-Kanälen des Mimen nämlich nicht lange auf sich warten: Mit „Death Kiss“ wurde Kovacs‘ erstes Filmprojekt für den Heimkino-Markt angekündigt. Und es verwundert nicht, dass der von Rene Perez realisierte Rachethriller aus zahlreichen Reminiszenzen an „Ein Mann sieht rot“ (der deutsche Titel von „Death Wish“) besteht. Das Ergebnis ist trotz des jederzeit sichtbar schmalen Budgets solide Genre-Kost.

    Während der Radiomoderator Dan Forthright (Daniel Baldwin) in seiner Sendung täglich immer wieder die Versäumnisse der Polizeiarbeit und die Schlupflöcher des Justizsystems anprangert, nimmt ein Mann das Gesetz selbst in die Hand. Der mysteriöse K. (Robert Bronzi) lässt der alleinerziehenden Mutter Ana (Eva Hamilton) immer wieder Geld für die Ausbildung ihrer im Rollstuhl sitzenden Tochter zukommen und sorgt mit seinem Revolver für Recht und Ordnung. Bei seinen eigenmächtigen Feldzügen gegen das Verbrechen kommt er dem skrupellosen Drogendealer Tyrell (Richard Tyson) immer näher, mit dem er sowieso noch eine Rechnung offen hat…

    Rene Perez führt bei seinen Low-Budget-Filmen nicht nur Regie, sondern ist nun auch bei „Death Kiss“ wie zuvor schon bei den drei Teilen der Horrorreihe „Playing With Dolls“ sowie seiner düsteren Märcheninterpretation „Rotkäppchen“ im Abspann auch als Co-Produzent, Drehbuchautor, Kameramann und Cutter gelistet. Dabei treten seine Stärken und Schwächen deutlich zutage: Während ruhige Dialoge mit Gespür für Timing überzeugen, entgleiten ihm längere Actionszenen immer wieder – wie etwa eine Verfolgungsjagd und Schießerei in einem Feld mit ausgeschlachteten Autowracks: „Held“ K. und ein tätowierter, sichtbar hüftlahmer Scherge joggen hier allzu gemütlich durch den Schrottpark und werfen sich immer wieder etwas zu unmotiviert in Deckung, wobei zunehmend die Übersicht verloren geht, wer gerade wo hinläuft und in welche Richtung ballert. Immerhin lockern einige Point-Of-View-Shots im Egoshooter-Style das lahme Szenario etwas auf.

    Die kürzeren Schusswaffen-Duelle in den städtischen Hinterhöfen erinnern (trotz eines exorbitant-verschwenderischen Einsatzes platzender Blutbeutel) überdeutlich an das offensichtliche Vorbild „Ein Mann sieht rot“ – ebenso wie die angedeutete Gesellschaftskritik und natürlich die Hauptfigur. Robert Bronzi, der demnächst im Retro-Actioner „Escape From Death Block 13“ wieder Charles Bronson nacheifern wird, zelebriert mit starrem, grimmigem Pokerface regelrecht die ikonische Figur des schweigsamen, anzugtragenden Rächers. Und das Mysterium um den Schauspieler, der quasi aus dem Nichts auftauchte und auf seiner Homepage reihenweise Cowboy-Fotos präsentiert, bei denen man meint, wirklich Charles Bronson zu sehen, spiegelt sich auch im Film selbst wider: Von der insistierenden Ana bei mehreren einseitigen Dialogen auf seine Hilfsbereitschaft und seinen Namen angesprochen, gibt der distanzierte Gerechtigkeitsfanatiker schließlich nur widerwillig preis, dass K eine seiner Initialen sei. Mehr Hintergrund gibt es nicht.

    Leider trägt Perez bei allem Bemühen um Wiedererkennungswerte immer wieder etwas zu dick auf. In seinem Drehbuch minimiert er die bereits in „Ein Mann sieht rot“ simple Charakterzeichnung des Protagonisten aufs Notwendigste, so dass man sich als Zuschauer unweigerlich die Frage stellt, was K. eigentlich sonst die ganze Zeit so treibt, wenn er keine Kleinkriminellen mit überzeichneter Punk-Attitüde über den Haufen schießt. Auch die Musikuntermalung von The Darkest Machines (hier steckt ebenfalls Rene Perez dahinter) wirkt mit ihrem Mix aus 80er Jahre-Synthesizern, Elektropop-Beats und harten Gitarrenriffs etwas planlos zusammengeklaubt. Dennoch ist die mit bescheidenen finanziellen Mitteln entstandene Hommage an das große Vorbild stets zu erkennen.

    Fazit: Charles-Bronson-Lookalike Robert Bronzi gelingt eine beeindruckend stoische Performance, die „Death Kiss“ abseits von 08/15-Geballer tatsächlich so etwas wie Würde verleiht. Der Low-Budget-Film bietet so zumindest eine gehörige Portion Retro-Charme für treue Fans der „Spiel mir das Lied vom Tod“-Legende.

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