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    Tatort: Tod und Spiele
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Tod und Spiele
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Spatzen pfiffen es zwar schon monatelang von den Dächern, doch offiziell machte es der WDR erst im Frühjahr 2018: Schauspieler Rick Okon („Das Boot“) tritt als „Tatort“-Ermittler in Dortmund die Nachfolge von Stefan Konarske an, der sich zukünftig auf andere Film- und Theaterprojekte konzentrieren möchte. Seinen ersten Auftritt hatte Okon aber schon vor der Bekanntgabe seiner neuen Hauptrolle: Im tollen „Tatort: Tollwut“ war er als Undercover-Ermittler Jan Pawlak im Knast zu sehen und hinterließ bei seinen neuen Kollegen offenbar so viel Eindruck, dass er das Team um den exzentrischen Peter Faber (Jörg Hartmann) nun dauerhaft verstärkt. Sein offizielles Debüt an vorderster Front feiert der Neuling in Maris PfeiffersTatort: Tod und Spiele“, mit dem das Ermittlerquartett aus dem Ruhrpott allerdings nicht ganz an das hohe Niveau der vergangenen Jahre anknüpfen kann: Der 12. Fall von Faber & Co. ist einer der schwächsten, was in erster Linie an dem realitätsfernen Drehbuch und der überraschend steifen Inszenierung liegt.

    Von diesem Toten ist nicht mehr viel übrig: In einer leerstehenden Fabrik am Stadtrand findet die Dortmunder Kripo um Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und ihren neuen Kollegen Jan Pawlak (Rick Okon) die verbrannten Knochen eines Menschen. Rechtsmedizinerin Greta Leitner (Sybille J. Schedwill) findet heraus, dass das Opfer erschlagen wurde und bereits zu Lebzeiten mehrere schlecht verheilte Knochenbrüche aufwies. Ein in der Asche gefundener Schlüssel führt die Kommissare in ein Hotelzimmer: Unter dem Bett versteckt sich ein verängstigter Junge (Cecil Schuster), der aus Russland oder Tschetschenien stammen muss und womöglich der Sohn des Toten ist. Während sich Bönisch undercover im Hotel einquartiert und dort mit dem schwerreichen Oligarchen Oleg Kambarow (Samuel Finzi) anbandelt, trainiert Pawlak verdeckt im Martial-Arts-Club von Till Koch (Robert Gallinowski) mit: Die Ermittler vermuten, dass sich das Opfer an illegalen Kämpfen beteiligt hat, bei denen viel Geld im Spiel ist und es um Leben und Tod geht…

    Auf den ersten Blick scheint der junge Jan Pawlak gar nicht so recht nach Dortmund zu passen: Dort warten mit dem um Frau und Kind gebrachten Menschenfeind Faber, der verbitterten Dalay und der einsamen Bönisch, die sich in diesem „Tatort“ einmal mehr in eine Affäre stürzt, schließlich drei Einzelgänger und Alphatiere, die ihr Privatleben in aller Regel hintenanstellen. Im Gegensatz dazu ist Hauptkommissar Pawlak als glücklicher Familienvater sogar um Harmonie im Team bemüht und macht pünktlich Feierabend – das birgt ebenso Zündstoff wie sein Dienstgrad, der Oberkommissarin Dalay überhaupt nicht in den Kram passt. Schon bei der einleitenden Aufarbeitung dieser hierarchischen Diskrepanz offenbart sich aber eine der größten Schwächen dieses Krimis, die in den sonst so überzeugenden Folgen aus Dortmund bisher nur selten zu beobachten war: Die zwischenmenschlichen Konflikte und Dialoge lassen die Natürlichkeit bisweilen vermissen und entwickeln sich oft nicht aus den Charakteren heraus, sondern wirken wie vorgegeben und aufgesagt. Dass Drehbuchautor Jürgen Werner, der den Großteil der bisherigen Faber-Fälle konzipiert hat, das Ruder diesmal seinem Kollegen Wolfgang Stauch („Anderst schön“) überlässt, ist von Beginn an spürbar.

    Auch beim Blick auf die Nebenfiguren liegt einiges im Argen: Der charismatische Kambarow (stark: Samuel Finzi, „Klassentreffen 1.0“) darf sich als Bösewicht zwar ein Stück weit vom Klischee des schmierigen Russen mit viel Geld und wenig Skrupeln emanzipieren, bleibt am Ende aber einer der wenigen Lichtblicke im Ensemble. Als Figur fast verschenkt wird hingegen der kleine Junge, den Faber scherzhaft „Kleinkhan“ tauft und um den sich zumindest in den ersten zwanzig Minuten noch alles dreht: Darf er die Ermittler zu Beginn mit seinem hartnäckigen Schweigen und seiner Vorliebe für Fast Food der Reihe nach aus der Reserve locken, wird er später einfach vor Fabers PC geparkt und damit als Figur fallengelassen, um beim Showdown plötzlich wieder auf der Matte zu stehen. Während die Realitätsnähe – die Kripo lässt den Jungen tagelang ohne Wissen des Jugendamts im Büro auf dem Fußboden schlafen – im 1067. „Tatort“ erschreckend klein geschrieben wird, klaffen anderswo riesige Logiklöcher: Hätten die Ermittler einfach mal Kleinkhans Kleidung untersucht, um seiner Identität auf die Schliche zu kommen, wäre der Fall wohl schon viel früher gelöst gewesen.

    Wirklich mitzureißen vermag die Geschichte selten, wenngleich die parallel verlaufenden Undercover-Einsätze – Bönisch besucht mit Kambarow die Kämpfe, Pawlak trainiert im „Fight Club“ mit – zumindest ein paar kleine Spannungsmomente generieren. Größter Pluspunkt in diesem vergleichsweise zähen Dortmunder „Tatort“ sind aber einmal mehr die tollen Sprüche, für die vor allem Faber verantwortlich zeichnet – zum Beispiel dann, wenn er Bönisch heimlich auf der Damentoilette einer Kneipe trifft, mit ihr im Präsidium über die nötigen Grenzen ihrer Umtriebigkeit streitet oder sich zähneknirschend eingestehen muss, dass er sie nicht nur als Fachkraft schätzt. Bissige Wortgefechte allein machen aber noch keinen guten Krimi, und auch handwerklich ist der „Tatort: Tod und Spiele“ allenfalls Durchschnittsware: Besonders steif inszeniert ist neben dem steril wirkenden Auftakt am Leichenfundort und einem fast unfreiwillig komischen Knock-Out im Präsidium vor allem der enttäuschende Showdown am Ring, bei dem der Funken von den knallharten Mixed-Martial-Arts-Kämpfern nicht so recht auf die Besucherränge überspringen will.

    Fazit: Maris Pfeiffers „Tatort: Tod und Spiele“ ist der schwächste Dortmunder „Tatort“ seit Jahren, punktet aber zumindest mit Dialogwitz und seinen gewohnt gut aufgelegten Ermittlern.

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