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    Gorky Park
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gorky Park
    Von René Malgo

    Martin Cruz Smiths Romanvorlage ist ein politisches, preisgekröntes Krimi-Meisterwerk und wurde ein Welterfolg. Kein Wunder, dass 1983, zwei Jahre nach Buchveröffentlichung, bereits eine Verfilmung die Lichtspielhäuser des kapitalistischen Westens heimsuchte. Michael Apted (James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug, Blink) zeichnete für die Regie verantwortlich und bescherte dem Publikum einen atmosphärisch dichten Kriminal-Thriller.

    Russland, zur Zeit des Kalten Krieges, im Winter. In Moskaus Gorki Park werden drei unkenntlich gemachte Leichen im Schnee gefunden. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich von Polizei-Inspektor Arkadi Renko (William Hurt). Er ist davon überzeugt, dass der KGB und sein Rivale Major Pribluda (Rikki Fulton) den Fall bald an sich ziehen werden. Doch nichts dergleichen geschieht. Um den unangenehmen Fall abzugeben, beginnt Renko nach Beweisen zu forschen, dass ein Ausländer in dem Fall verwickelt ist. Das würde die Zuständigkeit des KGB begründen. Er stößt auf die hübsche Irina Asanova (Joanna Pacula) und wirft ein Auge auf das Mädchen. Sie scheint genauso etwas mit der Sache zu tun zu haben, wie der mysteriöse, amerikanische Geschäftsmann Jack Osborne (Lee Marvin). Und dann ist da noch der amerikanische „Tourist“ William Kirwill (Brian Dennehy), der ein ausgesprochen lebhaftes Interesse an den Mordfällen an den Tag legt. Arkadi stößt auf Sachen, die er lieber nicht erfahren hätte und gerät immer mehr in die Bredouille …

    Mit der Verfilmung eines vielfach gefeierten Romans gehen natürlich hohe Erwartungen einher. „Gorky Park“ kann als Film die meisten, aber nicht alle erfüllen.

    Dennis Potters (The Singing Detective) Skript kürzt die Originalgeschichte an den richtigen Stellen. So wurde z.B. sinnigerweise der Subplot um Arkadis fanatisch-sozialistische Bald-Ex-Frau gestrichen. Auch fand ein höchst interessanter Einschub gegen Ende der Geschichte keinen Platz, was zur Folge hat, dass gerade der Anlauf zum Finale stark gestrafft daherkommt (für die Buchkenner: Arkadi in Gefangenschaft, beaufsichtigt von Pribluda). Auch diese Streichung macht Sinn, denn sie hätte den langen Film nur unnötig aufgebläht. So kommt es, dass die Leinwandversion im Gegensatz zum sprunghaft erzählten Roman ein eher gemächliches Tempo an den Tag legt. Potter lässt sich Zeit, die Geschichte zu entwickeln und hält sich in den wichtigen Details fast wortwörtlich an die Vorlage. Damit macht er das einzig Richtige.

    Die Drehbuchadaption ist sehr gut gelungen. Lediglich ein kleiner Wehrmutstropfen bleibt: Das Finale wurde von New York (im Buch) nach Stockholm (im Film) verlegt. Das war wohl billiger, kehrt aber den Kulturschock unter den Tisch, den eben Arkadi im Buch erlebte, als er sich plötzlich im neonlichtdurchfluteten New York wieder fand.

    Im Weiteren pflegt der Film - wie das Buch auch – bewusst einige Klischees, umfährt andere wiederum gekonnt. Der größte Verdienst des zur Zeit des Kalten Kriegs entstandenen, amerikanischen Films ist, dass eben ein russischer, seinem Land treu bleibender Ermittler der Held und Sympathieträger ist.

    Da anno dazumal westliche Regisseure noch nicht die Erlaubnis hatten, in Russland zu drehen, mussten andere Orte für Moskau herhalten (Walter Hills Action-Komödie „Red Heat“ war 1988 der erste US-Film, der an Originalschauplätzen gedreht werden durfte). Die Ausstatter wichen auf Glasgow in Schottland und Helsinki in Finnland aus. Das Ausstatterteam um Paul Sylbert („Fletchers Visionen“, Einer flog über´s Kuckucksnest) und Michael Seirton (The Green Mile, Cold Creek Manor) tut alles, um Moskau zum Leben zu erwecken. Es fällt jedoch schwer, die westeuropäischen Kulissen uneingeschränkt als Russlands traditionsreiche Hauptstadt zu akzeptieren. Vielleicht liegt’s auch daran, dass somit z.B. der obligatorische Klischee-Panorama-Schwenk auf Moskaus Wahrzeichen - der Rote Platz - fehlt. Was beispielsweise ist schon ein Hollywoodfilm über Washington ohne Blick auf das Capitol, oder ein US-Film über Paris ohne ein Eiffelturm im Hintergrund?

    Trotzdem, Atmosphäre kann und muss dem Film nicht abgesprochen werden, zeichnet ihn vielmehr aus. Michael Apteds Regie ist grundsolide. Das bewusst ruhig gehaltene Tempo trägt zusammen mit dem vielen Schnee zur Stimmungsdichte bei. Schön und passend ist die Musik von James Horner (Troja, Apollo 13), der in „Gorky Park“ auf seine üblichen, mit Titanic bekannt gewordenen Orchesterklänge verzichtet und dagegen typischen 80s- und Synthesizer-Sound präsentiert. Kostümgestalter Richard Bruno (GoodFellas, Wie ein wilder Stier) kreierte (oder besorgte) genug Pelzmützen und Wintermäntel, um auch die zahlreichen Statisten wie richtige Filmrussen aussehen zu lassen.

    William Hurt (Der gute Hirte, A History Of Violence) ist als Arkadi Renko ein Glücksgriff. Zu schade, dass die Reihe nie - wie die Bücher - in Serie gegangen ist. Er mimt den vorsichtigen Inspektor Renko mit stoischer Gelassenheit, etwas hölzern wirkend und trifft dabei exakt die Beschreibungen aus „Gorki Park“, dem Buch. Genauso gut macht’s Joanna Pacula („Tombstone“, Virus) in ihrem US-Kinofilmdebüt als die hübsche, undurchsichtige Irina Asanova. Zu Recht bekam sie für ihre Rolle eine Golden-Globe-Nominierung. Die beiden Amerikaner im Film werden von Lee Marvin (Der Mann, der Liberty Valance erschoss, „Das dreckige Dutzend“) und Brian Dennehy (Rambo, Aus Mangel an Beweisen) dargestellt. Perfekt ist auch die Wahl dieser beiden Herren. Nur die Rolle von Pribluda wird ein bisschen vernachlässigt. Fernsehdarsteller Rikki Fulton („The Rikki Fulton Show“) bleibt blass. Auch die weiteren, kleineren Rollen werden u.a. mit Ian Bannen (Lang lebe Ned Devine, Der Flug des Phoenix (1966)) als Staatsanwalt, Michael Elphick als Renkos loyaler Partner Pasha (Der Elefantenmensch, „Piraten“) oder „Imperator“ Ian McDiarmid (Star Wars: Trilogie - Episode IV-VI) als schrulliger Professor bestens besetzt.

    „Gorky Park“ ist ein interessanter Kalter-Krieg-Krimi. Die politische Brisanz besteht zwar nicht mehr, der Spannung und dem Unterhaltungswert tut dieser Umstand aber keinen Abbruch. Ein sehenswerter, wenn auch nicht perfekter Thriller, dem eine ordentliche Portion Anspruch nicht abgesprochen werden muss.

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