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    Wie der Vater...
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Wie der Vater...
    Von Antje Wessels

    Als Netflix im Oktober 2017 ankündigte, fortan 80 eigene Filme – also selbst produzierte und exklusiv eingekaufte - pro Jahr veröffentlichen zu wollen, gab es bei Kritikern dieser massiven Expansionspolitik vor allem zwei Sorgen: Wird Netflix jetzt viele Filme aus den Kinos klauen, die vielleicht nicht ganz den Mainstream-Geschmack treffen, sondern ein wenig ambitionierter und anspruchsvoller sind? Oder werden die Netflix-Eigenproduktionen, wenn plötzlich im Schnitt alle 4,5 Tage eine auf der Streaming-Plattform rausgehauen wird, schon allein wegen ihrer Massenproduktion im Mittelmaß versinken?

    Die erste Befürchtung hat sich in den vergangenen acht Monaten vor allem in Bezug auf Alex Garlands „Auslöschung“ bewahrheitet, während sich auf der anderen Seite etliche Beispiele für mittelmäßige Produktionen finden, die im Kino ganz ehrlich auch niemand groß vermisst. Zu diesen gesellt sich nun auch das Regiedebüt von Seth Rogens Ehefrau Lauren Miller Rogen: „Wie der Vater…“ ist eine prominent besetzte und auf einem realen Kreuzfahrtschiff gedrehte, aber dennoch austauschbare und streckenweise ziemlich öde Vater-Tochter-Komödie.

    Es ist der Albtraum vieler Frauen: Nachdem die ehrgeizige Rachel (Kristen Bell) nicht einmal auf ihrer eigenen Hochzeit ihre Hände vom Smartphone lassen kann, wird sie noch vor dem Traualtar von ihrem Verlobten sitzengelassen. Rachel trägt es mit Fassung, bis sie unter den Hochzeitsgästen plötzlich ihren Vater Harry (Kelsey Grammer) entdeckt. Seit Jahren besteht zwischen den beiden kein Kontakt mehr und nun führt sie ausgerechnet die geplatzte Heirat wieder zusammen. Kurzerhand disponiert Rachel um: Aus den Flitterwochen auf einem Luxusdampfer wird eine Vater-Tochter-Versöhnungsreise, auf der Rachel nicht bloß wieder zu sich selbst findet, sondern auch noch den charmanten Jeff (Seth Rogen) kennenlernt, der wie sie gerade von seiner Liebsten verlassen wurde…

    Spätestens seit Maren Ades „Toni Erdmann“ wissen wir, wie unterhaltsam es zugehen kann, wenn Vater und Tochter nach Jahren des Auseinanderdriftens versuchen, wieder Interesse füreinander zu entwickeln. In dem Kritikerliebling ist am Anfang ziemlich klar, dass Sandra Hüller für ihren Filmvater Peter Simonischeck zunächst nicht den Hauch von Interesse aufbringt. Stattdessen braucht es die streichespielende, schiefzahnige Kunstfigur Toni Erdmann, um die Familie wieder zusammenzubringen. Nun wäre es natürlich unfair, einen solchen Ausnahmefilm als Maßstab für eine Netflix-Familienkomödie zu nehmen. Aber so lässt sich zumindest das zentrale Problem benennen, warum „Wie der Vater…“ trotz der ähnlichen Ausgangslage sein Publikum kaltlässt.

    Die von Kristen Bell („Bad Moms“) souverän gespielte Rachel und der von Kelsey Grammer („Frasier“) nicht minder sympathisch verkörperte Harry werden hier zwar als dysfunktionales Vater-Tochter-Gespann eingeführt, aber von den persönlichen Differenzen zwischen den beiden bekommt man von Anfang an kaum etwas zu spüren. Würde Rachel nicht selbst andauernd betonen, dass sich die beiden ja ewig nicht gesehen hätten, käme man als Zuschauer wohl nie auf die Idee, dass zwischen ihnen überhaupt so etwas wie ein Zwist herrscht. Die dramatische Fallhöhe der zentralen Beziehung des Films tendiert so gegen Null.

    Auf der anderen Seite ist es fast schon angenehm, dass sich in „Wie der Vater…“ – mit Ausnahme eines arg konstruierten und klischeehaft aufgelösten Missverständnisses im finalen Drittel – nichts hysterisch hochschaukelt. Stattdessen gehen die beiden Protagonisten sehr respektvoll und schlichtweg normal miteinander um, wenn sie in ruhigen Dialogen ihre  – so wird es zumindest behauptet – schwierige Vergangenheit aufarbeiten. Aber bis auf die durchaus charmante Empörung, dass Rachel ihren Dad ja noch nicht mal gegoogelt habe (was sich später als trotzige Lüge herausstellt), kommt dabei einfach nicht sonderlich viel rum. Ohne direkt den ganz großen Krach heraufbeschwören zu wollen, bleibt das Vater-Tochter-Duo bei seinen verbalen Auseinandersetzungen einfach viel zu brav und konzentriert sich vorwiegend auf so austauschbare Probleme wie Rachels Karriere, die sie stets ihrer Familie vorgezogen habe, und die Entscheidung von Harry, sich irgendwann einfach aus dem Staub zu machen.

    Aber nicht nur der Konflikt zwischen den beiden bleibt konsequent harmlos, auch ansonsten hakt das Skript (ebenfalls von Lauren Miller Rogen) relativ überraschungsfrei die üblichen Elemente eines Reisefilms ab: Die Urlaubsbekanntschaften bringen noch mal eine frische Perspektive in den „Streit“ ein und die Landausflüge geschehen vor wunderschön fotografierten Kulissen – und am Ende gibt es sogar noch ein Vater-Tochter-Karaoke (wobei der Szenenapplaus, den Hüller und Simonischeck in „Toni Erdmann“ für ihre Gesangseinlage geerntet haben, hier sicherlich ausbleiben wird).  

    Das charmante Kennenlernen zwischen der stehengelassenen Fast-Ehefrau und dem hier ungewohnt zurückhaltend aufspielenden Seth Rogen („Das ist das Ende“) als ebenfalls verlassener Kreuzfahrtgast hätte hingegen ruhig noch deutlich mehr Aufmerksamkeit vertragen können. Denn die sich ansonsten eher kontraproduktiv auf die Erzählung auswirkende Unaufgeregtheit passt hier perfekt, um ganz ohne Klischees von der vorsichtigen Annäherung zwischen einer frisch verletzten Frau und einem frisch verletzten Mann zu erzählen. Schade, dass das Skript diesen Ansatz nicht weiterverfolgt.

    Fazit: Seichte und arg konfliktarme Kreuzfahrt-Unterhaltung für „Traumschiff“-Fans!

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