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    Tatort: Der höllische Heinz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Der höllische Heinz

    Krimi-Spaß mit Western-Anleihen

    Von Lars-Christian Daniels

    Zwischen Weihnachten und Neujahr – in einem Zeitraum also, in dem traditionell besonders viele neue „Tatort“-Folgen ausgestrahlt werden – schickte die ARD in den vergangenen Jahren am liebsten Christian Ulmen („jerks.“) und Nora Tschirner („SMS für Dich“) auf Täterfang: Schon der „Tatort: Die fette Hoppe“, mit dem die beiden Kinostars 2013 ihr mit Spannung erwartetes Debüt für die öffentlich-rechtliche Krimireihe gaben, wurde am 2. Weihnachtstag ausgestrahlt. An Neujahr 2015 folgte ihr zweiter „Tatort: Der irre Iwan“ – und ihren fünften „Tatort: Der wüste Gobi“ zeigte die ARD am 26. Dezember 2017. Das Wechselspiel geht weiter, denn auch auch das Krimijahr 2019 startet wieder mit einem neuen Beitrag aus Thüringen: Unter Regie von Dustin Loose, der zuletzt den vielgelobten Dresdner „Tatort: Déjà-vu“ inszenierte, ermitteln die beiden Kommissare in einer Westernstadt, in der erwartungsgemäß kein Auge trocken bleibt. Dass die Spannung dabei auf Sparflamme köchelt, versteht sich fast von selbst – dafür kommen die Fans von kurzweiligen Schmunzelkrimis aber einmal mehr auf ihre Kosten.

    Eigentlich stecken die Weimarer Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) gerade in den Vorbereitungen für den nahenden Besuch von Lessings penibler Mutter – doch als Schutzpolizist Ludwig Maria „Lupo“ Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) beim Schwimmen in der Ilm einen toten Indianer entdeckt, werden sie von ihrem Chef auf den neuen Mordfall angesetzt. Beim Toten handelt es sich um Wolfgang „Einsamer Wolf“ Weber, den Besitzer einer nahegelegenen Westernstadt für Touristen. Von deren Geschäftsführer Heinz Knapp (Peter Kurth) erfahren die Ermittler, dass Weber den Pächtern, die in „El Doroda“ ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, kündigen wollte. Ist der Täter einer der Hobbyisten? Während Dorn sich undercover als Cowgirl einschleust und dabei unter anderem dem undurchsichtigen Goldwäscher Odi (Hans-Uwe Bauer) und dem Reitshow-Leiter Tom Wörtche (Christoph Letkowski) auf den Zahn fühlt, ermittelt Lessing auch gegen die Tiefbauunternehmerin Ellen Kircher (Marie-Lou Sellem): Sie hat in der Westernstadt eine Bohrung verpfuscht, für die Weber die Rechnung nicht zahlen wollte. Deshalb taucht auch ihr Sohn Nick (Martin Baden), der eine Bikergang anführt, schon bald in El Doroda auf…

    Könnte ein Cineast gewesen sein“, kommentiert Dorn schnippisch, als der titelgebende „höllische Heinz“ gleich zu Beginn den blutigen Kopf eines Longhorn-Rindes in seinem Bett findet – und spielt damit natürlich auf die berühmte Szene aus Francis Ford Coppolas Mafia-Epos „Der Pate“ an, in dem statt des Rindes ein Pferd das Zeitliche segnet. Der Fund bleibt bei weitem nicht die einzige Anspielung auf die vergangenen Kinojahrzehnte: Die Drehbuchautoren Murmel Clausen („Der Nanny“) und Andreas Pflüger („Der Geruch von Erde“), die auch die bisherigen Fälle aus Weimar konzipierten, verarbeiten in ihrer originellen Geschichte unzählige typische Figuren, klangvolle Namen und bekannte Motive aus den populären Italo-Western, den Karl-May-Verfilmungen oder den „Lucky Luke“-Comics – vom gierigen Totengräber, der beim Eintreffen eines ungebetenen Gastes sofort die Körpergröße abmisst, über die „Sergio Leone Suite“ bis hin zu Nahaufnahmen der Augenpartien oder dem entscheidenden Mann-gegen-Mann-Duell auf der Hauptstraße. Mit der künstlichen Westernstadt erschaffen die Filmemacher eine reizvolle Parallelwelt, die zwar gerade noch in der Realität verankert ist, in der aber wenig unmöglich scheint.

    Auch die Hauptdarsteller Christian Ulmen und Nora Tschirner sind sich für nichts zu schade: Während Dorn sich beim Undercover-Einsatz freiwillig aufs Pferd schwingt und in der Westernstadt als Cowgirl Eindruck schindet (im Sattel aber nicht ganz glücklich wirkt), stürzt Lessing bis zum Scheitel in eine Tonne mit Teer und ermittelt danach einfach weiter, als sei nichts gewesen. Sein anschließendes Schrubben im schaumigen Duschbad zählt zu den spaßigsten Szenen im 1078. „Tatort“, doch auch Dorn kann zahlreiche Lacher für sich verbuchen – meist dank der staubtrockenen One-Liner, mit der die Kommissarin bei ihrem achten Einsatz wieder aus allen Rohren feuert („Pferd, Longhorn, Esel, Hirsch – ich reite alles, was‘n Fell hat.“). Ansonsten schießen die Filmemacher mit den Gags in bester Schrotflinten-Manier in die Breite: Von pfiffigen Wortwitzen über subtile Situationskomik bis hin zu absurdem Klamauk wird den Zuschauern in dieser spritzigen Krimikomödie zu stimmungsvollen Banjo-Klängen des Musikerduos Dürbeck & Dohmen so gut wie alles geboten. Nicht fehlen darf da natürlich auch Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten), der für die flachsten der zahlreichen Kalauer verantwortlich zeichnet („Wann! W-A-N!“).

    Wer in der Hoffnung auf einen spannenden Krimi einschaltet, kommt bei diesem „Tatort“ allerdings weniger auf seine Kosten: Sieht man von der atmosphärisch dichten Eröffnungssequenz ab, in der sich Knapps bei Nacht vor einem wütenden Lynchmob in Sicherheit zu bringen versucht, entsteht unter Regie von Filmemacher Dustin Loose („Notruf Hafenkante“) kaum etwas wirklich Aufregendes. Auch die Nebenhandlung um das Vorkommen der fiktiven seltenen Erde Pantazium ist natürlich Quatsch, aber den humorvollen Kontrapunkt innerhalb der Krimireihe setzt der MDR ganz bewusst – und im direkten Vergleich zu den megapopulären Ulknudeln Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) aus dem Münster-„Tatort“ wirkt in Weimar (noch) vieles origineller und deutlich abwechslungsreicher. Parallelen zum „Vorbild“ ergeben sich diesmal aber durch Sidekick „Lupo“: Ist es in Münster meist der eitle Professor, der teure Hobbys ausprobiert oder neuen Leidenschaften frönt und sich dabei in schöner Regelmäßigkeit zum Affen macht, trainiert der treudoofe Schutzpolizist diesmal für den Weimarer „Ultraman“ und nimmt es allein mit einer ganzen Rockerbande auf, um dann beim ersten Schluck Whiskey aus den Schuhen zu kippen.

    Fazit: Dustin Looses „Tatort: Der höllische Heinz“ ist eine kurzweilige Krimikomödie vor ausgefallener Westernkulisse.

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