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    Komponistinnen
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    Anonymer User
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    Veröffentlicht am 31. Oktober 2018
    „Komponistinnen“ sah ich zum ersten Mal in Berlin zur Welturaufführung, als er dort im Babylon-Kino Ende Mai 2018 lief. Als großer Dokufan sehe ich mir so viele Dokumentationen wie möglich an, vor allem, wenn ich noch keine oder nur eine rudimentäre Ahnung von einer bestimmten Materie habe. Ich möchte so viel und so anschaulich wie möglich lernen können, und das so unterhaltsam wie möglich – nicht nur zum Vergnügen. Was sich mir in dieser mittlerweile zu recht preisgekrönten Filmdokumentation ausgebreitet hat, ist eine unglaublich große Bereicherung.

    Wer kennt schon Komponistinnen? Grade vielleicht mal Clara Schumann oder vielleicht noch Hildegard von Bingen, über die man bereits Kino- und Fernsehfilme erleben durfte, aber das war es dann auch schon. Ich fragte mich, warum ich nur so wenige Komponistinnen kenne – und gibt es wirklich nur so wenige, die bedeutende Werke hinterlassen haben?

    Denn die Musik, die im Film von gleich vier ganz unterschiedlichen historischen Komponistinnen erklang, war sensationell, unfassbar tiefgehend und groß. Sie hat mich sehr tief berührt und kann locker mit der Musik von den bekannten Herren Komponisten dieser Zeit mithalten. Dann stellte sich mir die Frage: Warum hört man diese Musik nicht öfter oder sogar regelmäßig im Radio, bei den bekannten Rundfunksendern, zumindest in der Sparte „klassische Musik“? Eine kurze Recherche ergab, dass Komponistinnen anscheinend bis heute von Rundfunkanstalten, im regulären Konzertbetrieb und bei Festivals extrem vernachlässigt werden. An der Qualität dieser Musik kann es aber definitiv nicht liegen.

    Noch weiter recherchiert stieß ich auf das Buch „Die großen Komponistinnen“ von Danielle Roster, in dem eindrücklich erklärt wird, warum Komponistinnen über Jahrhunderte lang kleingehalten wurden und man es wohl erst den Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts zu verdanken hat, dass Musik von Frauen überhaupt wieder gehört wird. Eine besondere Rolle kommt dabei wohl dem Frankfurter Archiv Frau und Musik zu, das auch im Film vorkommt und dabei gleich zwei der Expertinnen dieses offenbar unterschätzten – und wie auf dessen Webseite zu lesen ist – sogar „existenz-bedrohten Musikarchivs“ im Film zu Wort kommen. Man findet da übrigens um die 1.800 Komponistinnen – also: es handelt sich nicht nur um ein paar Ausnahmen.

    Sehr gut ist der dramaturgische Aufbau des Films gelungen: Hier besonders, wie er allen vier Komponistinnen in Ton, Bild und Wort gerecht wird, dabei elegant und fast spielerisch die eine Protagonistin die andere ablöst. Dennoch sind die Biografien von Fanny Hensel (1805-1847) geb. Mendelssohn, Emilie Mayer (1812- 1883), Mel Bonis (1858-1937) und Lili Boulanger (1893-1918), ihre Schicksale und familiären Hintergründe spannend erzählt und eng verflochten. Das ist meisterliches Filmhandwerk und große Erzählkunst, denn von Anfang bis zum Schluss wird der Spannungsbogen erzählerisch kurzweilig, dabei aber bildlich sowie auf der Tonebene anspruchsvoll gehalten.

    Der Film wechselt oft kinematisch meisterhaft von Schwarz-weiß zu Farbe, so wie gleich am Anfang: Er beginnt ruhig mit sich warmspielenden Händen – Luftklavier statt Luftgitarre – der Pianistin Kyra Steckeweh und geht fließend in eine von dieser grandios interpretierte Klaviersonate von Fanny Hensel über. Die junge Pianistin, die sich schon in ihrem Studium fragte, warum sie keine Werke von Frauen kannte, führt fortan durch den Film, der ihre Entdeckungsreise begleitet.

    Zum Glück wird hier auf abgedroschene Reenactments verzichtet. Stattdessen erschließen sich die Komponistinnen vielmehr durch mehrere, von Tim van Beveren mit der Kamera sehr anspruchsvoll umgesetzte Klavier-Sequenzen, die wiederum fließend in den nächsten Erzählstrang überleiten. Am Schluss steht ein begeistert beklatschtes Konzert mit Werken von Frauen und dazwischen findet sich eine großartige Mischung aus Historie und Geschichten, die teils humorig und mit reichhaltigem zeitgenössischem Originalmaterial umgesetzt wurden.

    „Komponistinnen“ ist ein „must see“ für jeden musikbegeisterten und -affinen Menschen. Eigentlich sollte er in jeder Musikschule und jedem Kulturzentrum gezeigt werden, damit man endlich das längst überfällige „mehr“ über diese bedeutenden Frauen in der Musikgeschichte erfährt.

    Am Ende des Films war ich jedenfalls sehr froh, von diesen eindrucksvollen Frauen endlich erfahren zu haben. Gleichzeitig war ich aber auch sehr betroffen, warum einem diese höchst geniale Musik so lange vorenthalten wurde. Es bleibt daher die Hoffnung auf eine Fortsetzung dieses Dokumentarfilms, um dieses Manko endlich zu beseitigen.
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