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    Tatort: Querschläger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Querschläger

    Milan Peschel veredelt halt jeden Krimi

    Von Lars-Christian Daniels

    Bei seinen letzten drei „Tatort“-Auftritten hat Milan Peschel beim Publikum mächtig Eindruck hinterlassen: Im grandiosen Frankfurter „Tatort: Weil sie böse sind“, der zu den beliebtesten Folgen der Krimireihe überhaupt zählt, mimte der Schauspieler 2010 einen verzweifelten Affekttäter, der von einem arroganten Schnösel (Matthias Schweighöfer in seiner ersten und bisher einzigen „Tatort“-Rolle) erpresst und für weitere Schandtaten instrumentalisiert wurde. Im gewohnt humorvollen Münsteraner „Tatort: Der Hammer“ gab Peschel dann 2014 vor den Augen von fast 13 Millionen TV-Zuschauern einen kostümierten Möchtegern-Superhelden, der mit dem titelgebenden Hammer mordete – und 2016 nahm er als interner Ermittler im „Tatort: Zahltag“ schließlich den exzentrischen Dortmunder Kommissar Peter Faber in die Mangel.

    Auch in Stephan RicksTatort: Querschläger“ stiehlt der „Der Nanny“-Star wieder allen die Show – und doch ist der Krimi aus Norddeutschland im Vergleich zu den anderen drei Folgen die schwächste mit Milan Peschel. Das liegt aber weniger an seiner gewohnt charismatischen Darbietung als vielmehr am durchwachsenen Drehbuch: Der Plot birgt einige Logiklöcher, lässt den Tiefgang an entscheidenden Stellen vermissen und driftet bisweilen sogar in den Kitsch ab.

    Ein Unbekannter eröffnet das Feuer auf Bundespolizist Thorsten Falke ...

    Die Bundespolizei-Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) kontrollieren gerade auf einem Rastplatz einen LKW, als plötzlich ein Schuss fällt: Ein Heckenschütze hat sich in einem nahegelegenen Waldstück verschanzt und auf das Fahrzeug angelegt. Während der Fahrer Efe Aksoy (Deniz Arora) mit dem Schrecken davonkommt, prallt die zweite Kugel von einer Felge ab und trifft einen unbeteiligten Trucker tödlich. Worauf hat es der Schütze abgesehen? Als Falke und Grosz im Wald nach Spuren suchen, finden sie die Packung eines starken Schmerzmittels, das in Deutschland gar nicht zugelassen ist …

    … doch der Zollbeamte Steffen Thewes (Milan Peschel) hat es für seine schwerkranke Tochter Sara (Charlotte Lorenzen) aufgetrieben. Sie hat aufgrund einer Halswirbelsäuleninstabilität nur noch wenige Wochen zu leben – und Thewes und seine Frau Marie (Oana Solomon) benötigen dringend 300.000 Euro für eine lebensrettende Operation in den USA. Weil Thewes das Geld nicht hat, ist er mit der Waffe losgezogen und will den Spediteur und Bruder des LKW-Fahrers, Cem „Jimmy“ Aksoy (Eray Egilmez), um eben diese Summe erpressen. Aksoy hingegen verdächtigt seinen Schwiegervater Roland „Rolle“ Rober (Rudolf Danielewicz) und weigert sich, zu zahlen…

    Ein Hauch von "4 Blocks"

    „Wenn Rolle auf dich geschossen hat, dann regeln wir das – aber ohne Polizei. Rolle ist Familie“, erklärt Jimmy Aksoy seinem spielsüchtigen Bruder Efe, nachdem das erste Mal die Bundespolizei in der Spedition auf der Matte stand: Einen Moment lang weht ein Hauch von „4 Blocks“ durch den „Tatort“ aus Norddeutschland. Was danach folgt, ist im Vergleich zu der vielgelobten TNT-Serie aber eine herbe Enttäuschung. Die dubiosen Machenschaften der Aksoys werden in der 1111. Ausgabe der Krimreihe nämlich kaum ausgeführt – da gab es mal irgendeine illegale Tour nach Moldawien, von der Efe nichts wusste, und irgendwelche krummen Geschäfte, die sogar den Zollbeamten Thewes kalt lassen – und wenn man Rolles Tochter heiratet und zwei Kinder mit ihr zeugt, muss man offenbar damit rechnen, dass der mal mit der Waffe auf einen anlegt. Ist eben ein harter Hund.

    So einfach ist das im „Tatort: Querschläger“ – und so einfach macht es sich Drehbuchautor Oke Stielow auch an anderen Stellen. Dabei scheint er sich gleich zu Beginn des Films nicht entscheiden zu können: Soll das ein Whodunit werden, ein Whydunit oder ein Howcatchem? Heckenschütze Thewes fährt zwar maskiert zum Parkplatz, ist für den Zuschauer aber an seiner Stimme zu erkennen und tritt danach stets unmaskiert auf – und während sein Tatmotiv für Falke und Grosz rätselhaft ist, hat das Publikum schon bald den Durchblick. Somit wird der „Tatort“ nur noch von der Frage vorangetrieben, ob die Polizei einen zweiten Toten verhindern kann – das hätte in einen packenden Wettlauf gegen die Uhr münden können, wirkt aber überraschend blutleer und konstruiert. Ausgerechnet Thewes’ Handeln ist dabei – emotionale Ausnahmesituation hin oder her – nicht immer nachvollziehbar (insbesondere bei einer Begegnung mit einem Jäger im Wald).

    ... aber das Publikum weiß sofort, wer da unter der Maske steckt: "Tatort"-Allzweckwaffe Milan Peschel!

    Gerade im Mittelteil des Films will auch wenig Spannung aufkommen: All das, was der Zuschauer längst weiß, müssen Falke und Grosz sich mühsam zusammenreimen. Frage A führt zu Aussage B, Person C führt zu Akte D und Hinweis E. Parallel zu diesen Ermittlungen nach Schema F werden wir durch einen zweiten Handlungsstrang Zeuge dessen, wie sich Thewes für seine Tochter aufopfert – wirklich mitzureißen vermag ihr Schicksal allerdings nicht, weil sich die Filmemacher weder ernsthaft mit ihr als Person, noch mit ihrer Krankheit oder ihrer möglichen Angst vor dem Tod auseinandersetzen. Stattdessen gipfelt das Ganze in einer bemerkenswert kitschigen Begegnung mit Falke, der sich bei einem Besuch an ihrem Krankenbett ihre Kopfhörer aufsetzt und in ein paar Takte der „Giant Rooks“ reinhört, die gleich drei Songs zu diesem „Tatort“ beigesteuert haben.

    Dass der „Tatort: Querschläger“ trotz der genannten Schwächen unterm Strich noch passabel unterhält, liegt neben dem spannend arrangierten Showdown auch an der großartigen Performance von Milan Peschel („Halt auf freier Strecke“), der als verzweifelter Familienvater sein ganzes Können in die Waagschale wirft und wacker gegen die Eindimensionalität seiner Figur – Thewes war natürlich auch Sportschütze – ankämpft. In den Nebenrollen ist der sechste gemeinsame Fall von Falke und Grosz deutlich schwächer besetzt: Deniz Arora kann mit dem Rest des Casts nicht mithalten, während Marie Rosa Tietjen (als Polizistin Tine Geissler, die sich auf den ersten Blick in Grosz verguckt) und Levin Liam (als Falkes Sohn Torben, der lediglich kiffen und danach einschlafen darf) kaum Raum zur Entfaltung bekommen. Da hat man den „Tatort“ aus Norddeutschland schon besser gesehen – und es bleibt zu hoffen, dass er nach starken Folgen wie dem „Tatort: Alles was Sie sagen“ schnell wieder zu alter Stärke zurückfindet.

    Fazit: Routiniert inszenierter, aber erst am Ende spannender „Tatort“ mit erheblichen Drehbuchschwächen, einem tollen Milan Peschel und einer Prise Betroffenheitskitsch.

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