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    Ready Or Not - Auf die Plätze, fertig, tot
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ready Or Not - Auf die Plätze, fertig, tot

    Ein ebenso spaßiges wie blutiges Fangenspielen

    Von Carsten Baumgardt

    Es stimmt, die Reichen sind wirklich anders“, stellt der von Adam Brody verkörperte Daniel in „Ready Or Not – Auf die Plätze, fertig, tot“ trocken fest. Das ist an der Stelle aber nicht nur ziemlich lustig, sondern zugleich auch die Untertreibung des Kinojahres 2019: In dem fies-spaßigen Retro-Horror-Thriller treibt der Geldadel seine Dekadenz schließlich regelrecht hysterisch auf die Spitze, wenn die frischgebackene Braut des Sprosses in einem absurd-ernsten Versteckspiel um Leben oder Tod kämpfen muss – weil es eine bizarre Familientradition nun mal so verlangt. Abseits satirischer und schwarzhumoriger Einschübe ist „Ready Or Not“ zugleich auch ein höllisch spannender, elegant gefilmter Horror-Reißer mit 70er-Jahre-Touch, der seine extravagante Prämisse konsequent durchspielt und dabei auch genügend Überraschungen und Wendungen bereithält. So fällt der Unterhaltungswert konstant hoch aus, selbst wenn der Film nicht frei von Klischeefiguren ist. Wichtiger ist da ohnehin die Heldin der Geschichte – und die Australierin Samara Weaving wächst als wehrhafte Braut auf mitreißende Weise über sich hinaus.

    Nachdem der verlorene Sohn Alex (Mark O‘Brien) nach längerem Streit in den Schoß der steinreichen Unternehmer-Familie Le Domas zurückgefunden hat, ist die Stimmung bei der Hochzeitsfeier auf dem feudalen Landanwesen unter den Gastgebern seltsam angespannt. Familienoberhaupt Tony (Henry Czerny) und seine Frau Becky (Andie MacDowell) geben sich alle Mühe, um das zu überspielen, während sich Alex’ Bruder Daniel (Adam Brody) wie gewohnt in den Alkohol flüchtet und die grimmige alte Tante Helene (Nicky Guadagni) verbales Gift versprüht. Braut Grace (Samara Weaving) ist unterdessen einfach nur happy, selbst wenn sie nicht weiß, was sie bei den mysteriösen Le Domas erwartet. Der Klan kam einst mit der Produktion von Spielen zu Reichtum, weshalb nun jeder, der in die Familie eintritt, am ersten Abend ein Spiel absolvieren muss, das per Zufall bestimmt wird. In diesem Fall trifft die Wahl auf Verstecken! Die Regeln: Die Braut versteckt sich, alle Familienmitglieder versuchen sie zu finden und zu töten …

    Achtung, gleich wird's schmerzhaft: Braut Grace (Samara Weaving) kämpft ums Überleben.

    Schon in dem 30 Jahre vor der eigentlichen Handlung angesiedelten Prolog, in dem ein sichtlich um sein Leben fürchtender Mann durch ein antikes Luxusanwesen getrieben wird, bis ihn schließlich einige Armbrustpfeile durchbohren, etabliert das Regie-Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett (Teil des Filmkollektivs Radio Silence, „Devil’s Due“) eine Retro-Atmosphäre, die auch später konsequent beigehalten wird, obwohl der Plot dann ja eigentlich in der Gegenwart spielt: Die Oberschicht-Charaktere sind stellenweise wunderbar überkandidelt-affektiert, überall gibt es ausgestellten Prunk und pure Dekadenz wie in ganz alten Zeiten. Dazu der traditionsgeprägte Aberglaube, der die Weirdo-Familie beherrscht und zu dieser bestialischen Hatz treibt. Ist die hanebüchene Prämisse erst einmal etabliert, gibt „Ready Or Not“ direkt Vollgas, weshalb man ab da gar nicht mehr dazu kommt, über mögliche Logiklöcher und ähnliches großartig nachzudenken.

    Die Braut wird zur Bad-Ass-Heldin

    Die unheilvolle Stimmung schaukelt sich schon bei der Hochzeitsfeier bedrohlich hoch, ohne dass man konkret greifen könnte, warum genau Grace denn nun besorgt sein sollte. Warnungen wie „Du gehörst nicht in die Familie“ sind barsch und abschreckend, aber davon lässt sich die Braut nicht von ihrem (Un-)Glück mit Alex abbringen. Da sind einige Klischees bei den Nebenfiguren (die Koks-Frau, der Miesepeter, der Säufer) eher ein satirisches Stilmittel als tatsächlich Ausdruck einer Einfallslosigkeit, zumal es den Regisseuren gelingt, mit einer ganzen Reihe von Wendungen zu überraschen. So wird die auf das Anwesen und die unmittelbare Umgebung beschränkte Brautjagd trotz der räumlichen Limitation nicht fad.

    Die Le Domas, Familie des Grauens.

    Grace ist als Verfolgte im schneeweißen Brautkleid nicht einfach nur kreischendes Final Girl, mit der man mitfiebert, weil man um ihr Leben bangt, sondern auch zur Identifikation einladende Badass-Heldin, die den Ernst der Lage einfach akzeptiert: Die Satansfamilie oder ich! Übrigens ein erstaunlich faires Duell. Auf Seiten der La-Domas-Familie gibt es zumindest ein paar ambivalente Figuren: Wer wird schwach und Grace helfen? Wer ist tatsächlich einfach nur ein Arschloch? Spannender ist aber ohnehin die Frage, ob man die uralte Legende tatsächlich für bare Münze nehmen sollte: Muss der Le-Domas-Klan tatsächlich aussterben, wenn die Braut am nächsten Morgen lebend das Tageslicht erblickt?

    Die großartige Samara Weaving („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) erdet diesen völlig verrückten Plot mit einer handfesten, pragmatischen Performance. Wie Erin (Sharni Vinson) in „You’re Next“ nimmt sie die Herausforderung ab einem gewissen Zeitpunkt einfach an! Wobei das nicht heißt, dass für den Zuschauer anschließend nur noch Splatter-Spaß auf dem Programm steht: Nachdem die ersten (zufälligen) Todesfälle noch vor allem schwarzhumorig ausfallen, legen die Macher mit fortschreitender Spieldauer immer noch eine Schippe drauf, bis die Morde derart grotesk ausfallen, dass sie längst nicht mehr nur lustig sind. Spätestens wenn sich Grace in einer Szene nur dadurch retten kann, dass sie ihre ohnehin schon stark lädierte Hand in einen Nagel bohrt, konnte zumindest der Autor dieser Kritik kaum noch hinsehen.

    Fazit: Der schwarzhumorige Survival-Horror-Thriller „Ready Or Not“ ist spannend, brutal, manchmal ganz schön eklig, aber dafür eben auch oft diabolisch-lustig.

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