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    Rollerball
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    Rollerball
    Von Carsten Baumgardt

    Zum zweiten Mal macht sich John McTiernan („Die Hard 1+3“) an einem Meisterwerk seines kanadischen Kollegen Norman Jewison zu schaffen. Gelang dem Actionspezialisten mit „Die Thomas Crown Affäre“ (1999) noch ein elegantes, wenn auch nur solides Remake des Steve-McQueen-Klassikers „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (1968), geht sein neuester Streich „Rollerball“ voll in die Hose. McTiernans Version des pessimistischen, gesellschaftskritischen Sci-Fi-Thrillers verkommt in der Neuzeit-Variante zu einem grandios misslungenen, oberflächlichen Actioner, der schon jetzt ein heißer Anwärter auf die filmische Gurke des Jahres ist.

    Brot und Spiele. Was im alten Rom funktioniert hat, ist auch Jahrhunderte später modern genug, eine unzufriedene Bevölkerung unter Kontrolle und vor allem bei Laune zu halten... Den Profivertrag in der NHL schießt der hochtalentierte Eishockeycrack Jonathan Cross (Chris Klein) in den Wind. Seinen Kick holt er sich lieber bei illegalen Downhill-Skateboard-Rennen quer durch die Fluchten von San Francisco. Als ihm das Ärger mit der Polizei einbringt, nimmt er das Angebot seines alten Kumpels Marcus Ridley (LL Cool J) an. In der ehemaligen Sowjet-Republik Kasachstan wird die brutalste Mannschaftssportart der Welt als globales Spektakel verkauft. Rollerball: Diese Mischung aus Hockey, Football und Motorradrennen ist in Zentralasien Volkssport und begeistert die Massen der desillusionierten Minenarbeiter. Schnell steigt Jonathan zum Superstar der Liga auf, aber ebenso schnell merkt er, dass etwas faul ist im Staate Kasachstan. Der skrupellose Ligaboss Petrovic (Jean Reno) ordnet an, Spieler absichtlich zu verletzen, um die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben.

    War Jewisons starker „Rollerball“ von 1975 noch relativ weit in die Zukunft (2018) gelegt, erspart Action-Veteran McTiernan („Jagd auf Roter Oktober“) seinen Set-Designern diese Mühe. Er sagte zu seinen Produzenten: „Ihr macht eine Story über Menschen, denen Gewalt zugefügt wird, damit andere Menschen mehr Geld verdienen. Ihr glaubt, ihr müsst das in die Zukunft legen? Das ist nicht nötig. Das passiert doch schon jetzt auf der ganzen Welt.“ Und schon nahm das Unheil „Rollerball“ seinen Lauf. Sind die sozialen Bedingungen im Original noch glaubhaft, weil in entfernter Zeit angelegt, wirkt das aufrührerische, naive Volk in Kasachstan so, wie sich ein guter, patriotischer Amerikaner den entarteten, westlichen Kapitalismus in den ehemaligen russischen Satelliten-Staaten vorstellen muss. Denn die in Zentralasien spielende Geschichte ist wohlgemerkt in der Jetzt-Zeit angesiedelt. Vielleicht muten die wilden, unnötig futuristischen Kostüme der Rollerball-Helden deshalb so absurd an und scheinen eher für den Kölner Karneval geeignet zu sein.

    Doch das ist nur der Anfang. Dass sich McTiernan nicht um die soziale Komponente des brisanten Stoffes kümmert und sie nur als oberflächliche Staffage benutzt, seine Schauwerte zu verkaufen? Geschenkt. Ärgerlich, aber theoretisch noch zu verkraften. Der Amerikaner ist halt ein Mann für’s Grobe und „Rollerball“ anno 2002 ein reiner Actionfilm. Das Problem: Bis auf die Anfangssequenz, ein packendes Downhill-Skater-Race, zünden die Action-Szenen einfach nicht. Das liegt zum großen Teil an dem desaströsen Schnitt von John Wright und der uninspirierten Kameraarbeit von Steve Mason. Wackeligen Bildern ausgeliefert, ist der Zuschauer immer ganz nah am Geschehen, leider aber meistens so nah, dass praktisch nichts zu erkennen ist. Der Höhepunkt der Unverfrorenheit ist die eigentlich nette Idee, einer nächtlichen Verfolgungsjagd eine grünschimmernde Nachtsichtgerät-Optik zu verpassen. Leider sind die Bilder derart unscharf, dass es an Körperverletzung grenzt.

    Ein weiteres Unding ist die Tatsache, dass der Film, dessen Starttermin über ein halbes Jahr nach hinten verlegt wurde, weil er in der Testvorführungen gnadenlos durchgefallen war, zwar Gewalt an Menschen thematisiert, sie aber nicht wirklich zeigt. Um den totalen Untergang an der Kinokasse zu verhindern, schnitt man den Film auf „PG 13“ - das heißt Kinder im Alter von 13 Jahren dürfen „Rollerball“ in den USA in elterlicher Begleitung sehen. Das hat unglücklicherweise zur Folge, dass die Action-Szenen wirken als hätte ein TV-Cutter von RTL 2 sie höchstpersönlich verhunzt. Bevor es zu blutig wird, kommt der Schnitt. Den kommerziellen Schiffbruch konnte "Rollerball" dennoch nicht verhindern. Nach schon mäßigem US-Start mit 9,0 Millionen Dollar Einspiel am ersten Wochenende auf Platz drei, stürzte der Film in der zweiten Woche auf Rang 13 (4,7 Mio Dollar), in der dritten gar auf Position 20 (1,2 Mio Dollar) ab. Die 19 Millionen Gesamteinspiel wird das Desaster in dem USA verfehlen. Dem stehen stattliche Produktionskosten von 90 Millionen Dollar - die auf der Leinwand nicht einmal ansatzweise wiederzuerkennen sind - gegenüber. Fazit: Ein kapitaler Flop. Dass der Film in Deutschland erst ab 18 Jahre freigegeben wird, ist geradezu lächerlich. Dies kann nur einen Grund haben: Die gestrengen Sittenwächter der FSK wollen die Jugend von heute vor einem grottenschlechten Film bewahren.

    Nicht erfreulicher ist die Leistung von Hauptdarsteller Chris Klein („American Pie 1+2“), der blass und nichtssagend agiert - eine schlichte Fehlbesetzung. Immerhin schafft er es, das Desaster mit zwei verschiedenen Gesichtsausdrücken hinter sich zu bringen. Gegenspieler Jean Reno, ansonsten ein Garant für starke Charakterdarstellungen, überzieht seine Figur des miesen Ligabosses Alexis Petrovic dermaßen, dass er sich der krassen Unglaubwürdigkeit - nahe an der Knallchargerie - preisgibt. Zwar weißgott keine schauspielerischen, aber wenigstens optische Akzente kann Ex-Model Rebecca-Romijn-Stamos („X-Men“) setzen - mehr aber auch nicht. Und warum McTiernan ihre Reize nach einer Nacktszene hinter der Faschings-Rüstung versteckt, bleibt wohl sein Geheimnis. Die ganze missratene, flache Geschichte nach dem Motto „Eh du, guck’ mal. Die machen das mit den Verletzungen absichtlich“ - zumeist von nervendem Heavy-Metal-Getöse begleitet - mündet im unvermeidlichen Showdown, der zwar die Gerechtigkeit, aber nicht den Film wieder ins rechte Lot bringt.

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