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    Venom 2: Let There Be Carnage
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Venom 2: Let There Be Carnage

    Weniger Schatten, aber auch weniger Licht

    Von Sidney Schering

    2021 ist trotz Corona-Pandemie für Marvel-Fans ein Jahr des Überflusses: Neben diversen Disney+-Serien wie „WandaVision“ oder „Marvel’s What If…?“ starteten mit „Black Widow“ und „Shang-Chi“ bereits zwei Kinofilme, die zum Marvel Cinematic Universe (MCU) zählen. Noch vor Jahresende werden zwei weitere Beiträge der von Produzent Kevin Feige überwachten Saga folgen, nämlich „Eternals“ und „Spider-Man: No Way Home“, der einen enormen Vorab-Hype genießt: Der erste Trailer zum neusten Leinwandabenteuer von Tom Hollands Inkarnation der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft brach erst kürzlich allerlei Trailer-Abruf-Rekorde.

    Aber jetzt kommt erst einmal „Venom 2: Let There Be Carnage“. Der ist allerdings wie sein Vorgänger, der 2018 an den Kinokassen alle Erwartungen klar übertroffen hat, nicht von den Marvel Studios produziert und gehört deshalb auch nicht offiziell zum MCU. Stattdessen erscheint nach dem Sony-Logo ein „In Association with Marvel“-Label. Die eingeschworene Fangemeinde weiß das einzuordnen, das Gelegenheitspublikum dagegen könnte es verwirrend finden – zumal Regisseur Andy Serkis einige Ecken und Kanten von „Venom“ abschleift, weshalb sich das Sequel nun trotz der provokant-düsteren Comic-Vorlage lange Zeit noch weniger von der Konkurrenz abhebt, bis Serkis dann im Abspann noch mal ein gewaltiges Ausrufezeichen raushaut!

    Im Gegensatz zu den Doppelgänger-Symbionten im ersten Teil hat Carnage seinen ganz eigenen Look spendiert bekommen...

    In der Folge der Ereignisse aus „Venom“ haben sich der titelgebende Alien-Parasit und sein menschlicher Wirt Eddie Brock (Tom Hardy) eigentlich miteinander arrangiert. Aber aktuell hängt der Haussegen dennoch schief: Während Venom den ganzen Tag Bösewichte verhauen und seinen gewaltigen Hunger nach Gehirnen stillen will, möchte sich Eddie darauf konzentrieren, seine Karriere als Journalist wieder in Gang zu bringen. Daher widmet er sich dem Serienkiller Cletus Kasady (Woody Harrelson), dessen Opfer immer noch nicht gefunden wurden und der nur mit Eddie über seine Taten sprechen will.

    Was für Eddie nach einer heißen journalistischen Spur riecht, wird jedoch zu einem neuen Superhelden-Einsatz für Venom: Denn als Cletus hingerichtet werden soll, stellt sich heraus, dass er sich ebenfalls mit einem außerirdischen Parasiten verbunden hat. Cletus überlebt und richtet fortan unter dem Namen Carnage gemeinsam mit seiner Jugendliebe Frances Barrison alias Shriek (Naomie Harris) ein gewaltiges Chaos an. Venom und Eddie könnten ihn womöglich aufhalten, solange sie nur an einem Strang ziehen würden – doch ausgerechnet jetzt machen sie Beziehungspause…

    Ein neuer Regisseur, damit es schneller geht

    Aufgrund des unerwartet großen Erfolgs, den „Venom“ 2018 feierte, drückte das verantwortliche Studio Sony Pictures ordentlich aufs Gaspedal: Nach den weltweiten Einnahmen von 856 Millionen Dollar sollte möglichst schnell ein weiterer Teil her. Diese Eile war auch der Grund dafür, dass Ruben Fleischer, der Regisseur des ersten Teils, frühzeitig aus sämtlichen Fortsetzungs-Plänen ausgestiegen ist – der war nämlich damals noch mit seinem eigenen Sequel „Zombieland: Doppelt hält besser“ beschäftigt. Natürlich ist Andy Serkis, dessen Blockbuster-Regie-Debüt „Mogli: Legende des Dschungels“ noch kurz vor Kinostart von Warner Bros. an Netflix verscherbelt wurde, der bekanntere Name, vor allem dank seinen Motion-Capture-Meisterleistungen in den „Der Herr der Ringe“- und „Planet der Affen“-Filmen. Trotzdem stellt sich schon die Frage, ob sich dieser vor allem terminbedingte Tausch auf dem Regiestuhl gelohnt hat.

    Denn die Liste der Verbesserungen, die „Venom: Let There Be Carnage“ gegenüber seinem mittelprächtigen Vorgänger bietet, fällt nicht allzu lang aus: Während in „Venom“ etwa die sich prügelnden Symbionten im großen Finale noch schwer auseinanderzuhalten waren, besteht dieses Mal eine klare Distinktion zwischen Venom und Carnage, die auch über den farblichen Gegensatz Schwarz versus Rot hinausgeht: Venom ist ein öliger Muskelprotz mit einem etwas dümmlichen Gesichtsausdruck, während Carnage größer und drahtiger ist, über stachelig-schleimige Tentakeln verfügt, fieser dreinschaut und agiler kämpft. Darüber hinaus stülpt sich Venom über Eddie, als sei er ein Kostüm, während die Cletus-Carnage-Verwandlung wie eine schmerzliche Mutation inszeniert wird.

    Michelle Williams steuert viele der lustigsten Szenen des Films bei...

    Serkis' langjährige Motion-Capture-Erfahrung hat gewiss zu dieser Bereicherung des „Venom“-Sequels geführt. An anderer Stelle zeigen sich jedoch erneut ähnliche Probleme, wie sie auch schon seine früheren Regiearbeiten „Solange ich atme“ und eben „Mogli“ geplagt haben: So ist das Bild auch diesmal wieder über weite Strecken des Films überbelichtet, was die Einstellungen auch unschön platt erscheinen lässt, weil Serkis seinen Cast nur höchst selten die Tiefe eines Schauplatzes ausnutzen lässt – kaum zu glauben, dass hierfür der legendäre Kameramann Robert Richardson („Inglourious Basterds“) hinter der Linse stand!

    Das sorgt außerdem für einen ziemlichen Bruch mit Ruben Fleischers „Venom“: Der nahm zwar auch nie so kantige, raue und düstere Dimensionen an, wie es sich viele Fans der sich eher an Erwachsene richtenden Comicvorlage gewünscht hätten, aber im direkten Vergleich mit dem visuell glattgezogenen Sequel sah der Vorgänger wie ein waschechter Horrorfilm aus. Ohne die ganzen Dreckhaufen, schwarzblauen Schatten und schmierigen Schweißflecken, die Eddies Welt in Teil 1 ausgemacht haben, wirkt der weiterhin ungepflegt umherirrende Reporter-Protagonist auf einmal fast schon deplatziert.

    Weniger Reibung = weniger Überraschungen

    Das Beste an „Venom“ waren seine völlig freidrehenden, skurrilen Momente, die auch deshalb so überraschend waren, weil sie sich mit dem dunklen Ton des Film gebissen haben: In einem (pseudo-)düsteren Film über einen menschenfressenden Alien-Parasiten mit mehreren Dutzend Fangzähnen stachen die Sketch-Einlage mit Tom Hardy im Hummerbecken oder das Geständnis des peinlich-breit grinsenden Venom, der bekennt, auf seinem Heimatplaneten ein Loser zu sein, auf absurde und gerade deshalb lustige Weise heraus. Im Sequel gibt es nun ähnliche Späße. Aber aufgrund der glatteren Ästhetik gibt es nichts mehr, an dem sie sich reiben können. Wenn Venom hier seinem Wirt Eddie nach einem miesen Tag ein üppiges Frühstück zubereitet, ist das nicht länger ein verwegener tonaler Bruch, sondern so naheliegend, dass kaum noch große komödiantische Funken sprühen.

    Dennoch bleibt der Humor DAS Verkaufsargument dieser Reihe: Sei es ein emotional aufgewühlter Venom, der sich Knicklichtketten tragend unter die Meute einer Underground-Kostümparty mischt, oder all die Szenen mit Michelle Williams als streng-fürsorgliche Anwältin, die mit ihrem Ex Eddie redet, als sei er ein kleines Kind, und mit Venom, als sei er ein noch kleineres Kind. Je weiter sich Drehbuchautorin Kelly Marcel vom Superheldengenre entfernt und je weltfremd-absurder der Cast aufspielen darf, desto ulkiger und deshalb besser fällt das Ergebnis aus.

    Woody Harrelson knüpft als Carnage an seine Kultrollein Oliver Stones "Natural Born Killers" an...

    Wenn sich Andy Serkis dann allerdings darauf zurückbesinnt, ja nebenher auch noch einen Superhelden-Action-Blockbuster abliefern zu müssen, gerät „Venom: Let There Be Carnage“ dagegen ordentlich ins Schlingern. Ganz davon abgesehen, dass der Regisseur aufgrund der vom produzierenden Studio anvisierten Jugendfreigabe stets unbeholfen um das im Titel versprochene (und den Kultstatus der Figur Carnage ausmachende) Gemetzel herumschneidet: Die Kampfeinlagen sind allesamt frei von inszenatorischem Esprit und Einfällen, die das enttäuschend blutleere Symbionten-Getümmel zumindest abwechslungsreich gestalten würden.

    Das ist doppelt schade, weil Woody Harrelson, der Cletus wie die tumbere, nur etwas harmlosere Variante seiner Serienkiller-Kultrolle aus „Natural Born Killers“ anlegt, und die sich spielfreudig ins Overacting stürzende Naomie Harris ziemlich gute Arbeit leisten. Zumal die Idee, dass ihre Bösewicht-Figuren zusammenarbeiten, obwohl sich ihre Kräfte gegenseitig neutralisieren, eigentlich genügend Vorlagen für kreative Setpieces liefern sollte. Aber das Potenzial bleibt schmerzhaft ungenutzt. So erweisen sich Cletus' Vorgeschichte im Look roter Kugelschreiber-Kritzeleien sowie die bereits angesprochene Abspann-Bonusszene als zwei einsame Highlights inmitten einer Menge Mittelmaß.

    Fazit: Die Fans hatten gerade nach der Ankündigung von Carnage gehofft, dass sich die Fortsetzung womöglich mehr als der erste Teil traut, den ebenso düsteren wie absurden Wurzeln der kultigen Comic-Vorlage gerecht zu werden. Leider ist das Gegenteil der Fall. Nur gut, dass die Mid-Credit-Szene den Fans von Sonys Marvel-Universum eine sehr viel aufregendere Zukunft verspricht…

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