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    Tatort: Vom Himmel hoch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Vom Himmel hoch

    Kein Weihnachts-Krimi trotz des Titels!

    Von Lars-Christian Daniels

    Schluss mit den Experimenten! Nachdem der SWR für seinen krachend gescheiterten Impro-„Tatort: Babbeldasch“ und den kaum überzeugenderen Impro-„Tatort: Waldlust“ zuletzt vernichtendes Feedback von Filmkritik und TV-Publikum eingefahren hat, soll es in der Kurpfalz zukünftig wieder ernsthaft zugehen. Für den ersten „echten“ Krimi in der Ära nach dem im Januar 2018 ausgestiegenen Hauptdarsteller Andreas Hoppe (letzter Auftritt im „Tatort: Kopper“) hat sich der Sender daher Erfahrung ins Boot geholt: Filmemacher Tom Bohn („Black Wedding“) saß zuvor bereits bei 16 Folgen der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe auf dem Regiestuhl – zum Beispiel beim schrägen Ludwigshafener „Tatort: Tod im All“ von 1997 (in dem sogar ein Raumschiff ins All entschwebt) oder beim schwachen Erfurter „Tatort: Kalter Engel“, der 2013 den Anfang vom Ende des kurzen „Tatort“-Intermezzos in der thüringischen Landeshauptstadt markierte. Mit dem „Tatort: Vom Himmel hoch“ liefert Bohn nun wieder eine überzeugende Folge ab: Der 68. Fall von Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist eine spannende Mischung aus klassischem Krimi und politisch angehauchtem Psychothriller, bei der aber speziell das Drehbuch nicht frei von Schwächen ist.

    Der Ludwigshafener Psychiater Dr. Steinfeld hat sich auf Kriegstraumata spezialisiert: Unter seinen Patienten finden sich neben Flüchtlingen und Kriegsopfern auch traumatisierte US-Soldaten. Eines Tages findet die Verhaltenstherapeutin Dr. Christa Dietrich (Beate Maes), mit der sich Steinfeld seine Praxis teilt, ihren Kollegen erschlagen auf. Ist der Mörder ein Patient? Die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter), die bei ihren Ermittlungen von Kriminaltechniker Peter Becker (Peter Espeloer) und Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) unterstützt werden, untersuchen Steinfelds Akten und stoßen dabei auf die US-Soldatin Heather Miller (Lena Drieschner), die im Drohnenkrieg eingesetzt wurde und nun an Depressionen leidet. Auch die kurdischen Brüder Mirhat (Cuco Wallraff) und Martin Rojan (Diego Wallraff) geraten ins Visier der Ermittler: Mirhat verlor bei einem Drohnenangriff der Amerikaner seine beiden Kinder. Die Kommissarinnen ahnen nicht, dass die Brüder selbst ein Attentat planen: Jason O'Connor (Peter Gilbert Cotton), Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, will sich in Mannheim mit General Peter Huffing (Jim Boeven) und dem deutschen Verteidigungsminister treffen…

    Die Traumatisierung von Soldaten und (zivilen) Kriegsopfern ist nicht zum ersten Mal Thema in der beliebtesten deutschen Krimireihe: Während im „Tatort“ aus Hamburg mit Afghanistan-Rückkehrerin Julia Grosz (Franziska Weisz) sogar eine ehemalige Soldatin auf Täterfang geht, beschäftigten sich die Filmemacher zum Beispiel im Saarbrücker „Tatort: Heimatfront“ oder im Leipziger „Tatort: Todesbilder“ intensiv damit, was die Erlebnisse in einem Kriegsgebiet mit der Psyche eines Menschen anstellen können. An einem solchen Psychogramm versucht sich nun auch Filmemacher Tom Bohn, kratzt dabei aber über weite Strecken nur an der Oberfläche: Die Vorgeschichte der depressiven US-Soldatin Heather Miller (stark: Theaterschauspielerin Lena Drieschner) illustriert er in etwas trashig anmutenden Flashbacks, die Miller bei ihren Einsätzen im amerikanischen Drohnenkrieg zeigen, ehe sie sich Stern gegenüber doch noch öffnet und damit an Profil gewinnt. Über die verbitterten Rojan-Brüder erfahren wir hingegen so gut wie nichts – der Verlust der beiden Kinder im Irakkrieg wird als Motiv für das von langer Hand geplante Attentat auf den Staatssekretär fast gar nicht beleuchtet und lässt den Zuschauer entsprechend kalt.

    Dabei wäre im Drehbuch durchaus Platz für mehr Tiefgang gewesen, hätte man an anderer Stelle den Rotstift angesetzt: Der Konflikt mit dem arroganten Oberstaatsanwalt (Max Tidof) wurde im „Tatort“ schon viel zu oft erzählt, während die Eheprobleme von Verhaltenstherapeutin Dietrich die Geschichte überhaupt nicht voranbringen und eher dazu dienen, eine halbgare falsche Fährte im Hinblick auf die Täterfrage einzustreuen. Die ist nach einer knappen Stunde aber ohnehin beantwortet und so wandelt sich der „Tatort: Vom Himmel hoch“ durch die ausführlich illustrierten Anschlagspläne der beiden Kurden in der zweiten Filmhälfte vom klassischen Whodunit zum spannenden Thriller: Ähnlich wie im Dortmunder „Tatort: Sturm“, im Hamburger „Tatort: Zorn Gottes“ oder im Bremer „Tatort: Der hundertste Affe“ gilt es für die Kommissare, bei einem Wettlauf gegen die Zeit einen politisch motivierten Anschlag zu verhindern. Beim großen Showdown in einem Nobelhotel hat der 1074. „Tatort“, der lange Zeit in geordneten Bahnen verläuft und dabei die Standardmomente der Krimireihe – Leichenfund zum Auftakt, Befragung der Zeugen und Tatverdächtigen, Erkenntnisse der Rechtsmediziner – abklappert, dann schließlich seine stärksten Momente.

    Auch beim Blick auf die Ermittlerinnen hat sich in Ludwigshafen vieles in die richtige Richtung entwickelt: Der nervtötende Zickenkrieg zwischen Odenthal und Stern, der vor allem die ersten Einsätze mit der digitalaffinen Fallanalytikerin zur anstrengenden Geduldsprobe hatte werden lassen, gehört endgültig der Vergangenheit an. Vielmehr schweißt ihr neunter gemeinsamer Fall die beiden Kommissarinnen noch enger zusammen, und auch Assistentin Keller und SpuSi-Leiter Becker werden diesmal gewinnbringend in die Handlung eingebunden, statt sie auf Stichwörter zu reduzieren oder wie im letzten Ludwigshafener „Tatort: Waldlust“ beim improvisierten Teambuilding der Lächerlichkeit preiszugeben. Und dann ist da noch eine Szene, bei der vor allem den vielen Fans von Odenthals Ex-Kollegen Mario Kopper warm ums Herz werden dürfte: Die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin schwelgt an der Kaffeemaschine beim Blick auf dessen Abschiedsgeschenk in Erinnerungen und kann sich die Tränen nicht verkneifen – so wenig elegant sich der Abgang des deutsch-italienischen Kommissars in den letzten Jahren gestaltet hat, so rührend und gelungen ist dieser kurze nostalgische Moment.

    Fazit: Tom Bohns „Tatort: Vom Himmel hoch“ ist eine spannende Mischung aus Krimi und Thriller, in der aber nicht alle Figuren überzeugen.

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