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    Tatort: Borowski und das Glück der Anderen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tatort: Borowski und das Glück der Anderen

    Es darf gelacht werden!

    Von Lars-Christian Daniels

    Wenn Drehbuchautor Sascha Arango in der Vergangenheit für die Geschichte einer Kieler „Tatort“-Folge verantwortlich zeichnete, versprach das immer höchste Krimiqualität: In den vergangenen Jahren schrieb Arango unter anderem die Bücher zu „Tatort: Borowski und das Mädchen im Moor“, zu „Tatort: Borowski und der stille Gast“ oder zu „Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“, in dem es die Ermittler aus der nördlichsten „Tatort“-Stadt zum zweiten Mal mit dem brutalen Serienmörder Kai Korthals (Lars Eidinger) zu tun bekamen. Auch das Drehbuch zu Andreas Kleinerts „Tatort: Borowski und das Glück der Anderen“ stammt unverkennbar aus Arangos Feder – und einmal mehr ist die wendungsreiche Geschichte der Star dieser kurzweiligen Krimikomödie, die zum Originellsten zählt, was man in den vergangenen Jahren im „Tatort“ zu sehen bekommen hat. Trotz der humorvollen Grundnote fehlt es dem Film aber keineswegs an Tiefgang: Der Drehbuchautor widmet sich diesmal ausführlich dem Thema Sozialneid und lässt seine Figuren dabei reichlich Höhen und Tiefen durchleben.

    Die Supermarktverkäuferin Peggy Stresemann (Katrin Wichmann) ist mit ihrem Leben nicht glücklich. Finanziell sind keine großen Sprünge möglich, denn das Gehalt von ihr und ihrem Mann Micha (Aljoscha Stadelmann) reicht gerade so aus, um sich das gemeinsame Haus mit Garten leisten zu können. Als im Fernsehen die Zahlen der Nordlotterie gezogen werden, beobachtet Stresemann ihre Nachbarn Victoria (Sarah Hostettler) und Thomas Dell (Volkram Zschiesche) dabei, wie sie einen Schein in der Hand halten und in Jubel ausbrechen. Einen Tag später kauft Stresemanns Nachbarin drei Flaschen Champagner im Supermarkt. Weil die Medien berichten, dass der Jackpot-Gewinner seinen Schein noch nicht eingelöst hat, sieht Stresemann eine einmalige Chance bekommen: Sie bricht ins Haus der Dells ein und sucht fieberhaft nach dem Lottoschein. Dabei kommt es zum tödlichen Drama: Thomas Dell ertappt die Einbrecherin auf frischer Tat und wird von ihr in seinem Schlafzimmer erschossen. Die Kieler Hauptkommissare Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik), die ihren Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) diesmal nur mit den nötigsten Informationen versorgen, verdächtigen allerdings Dells Ehefrau, die die Tatwaffe in ihrem Nachtschrank deponiert hatte…

    Overkill: Supermarktverkäuferin Peggy streckt ihren Nachbarn mit gleich sieben Schüssen hin.

    Was haben der „Tatort: Borowski und das Glück der Anderen“ und der spannende „Tatort: Borowski und die Frau am Fenster“ von 2012 gemeinsam? Eine ganze Menge: Beide Krimis aus der Feder von Sascha Arango, in beiden ist Borowskis jeweilige Partnerin – hier Mila Sahin, damals Sarah Brandt (Sibel Kekilli) – noch neu im Kieler Team, in beiden Ausgaben der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe wohnt die Mörderin im Haus gegenüber ihres Opfers und damals wie heute dürfen die Zuschauer ihr in aller Ausführlichkeit bei der Tat im Affekt zusehen. Der Verzicht auf das Whodunit-Prinzip, das bereits in den Vorwochen im Bayreuther „Tatort: Ein Tag wie jeder andere“ und im Wiesbadener „Tatort: Murot und das Murmeltier“ ausgehebelt wurde, ist sehr typisch für Arangos Drehbücher. Doch das hat dem Unterhaltungswert der Krimis nie geschadet. Ganz im Gegenteil: Wenngleich sich der 1086. „Tatort“ aufgrund der genannten Parallelen anfangs noch wie alter Wein in neuen Schläuchen anfühlt, löst sich der Howcatchem zunehmend vom Vorgänger und setzt einen neuen Schwerpunkt. Denn diesmal darf nicht nur mitgefiebert, sondern auch laut gelacht werden!

    Ein "Tatort" mit Humor

    In Anlehnung an das Sprichwort „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“ dürfen wir der von Neid zerfressenen, aber sympathischen Supermarktverkäuferin Peggy unter der routinierten Regie von Andreas Kleinert („Hedda“) dabei zusehen, wie sie mit der Situation heillos überfordert ist und ihren Nachbarn glatt mit sieben Schüssen ins Jenseits befördert – das ist überraschend, witzig und schockierend zugleich. Dieser eigenwillige Erzählton zieht sich wie ein roter Faden durch den Film und macht ihn so wahnsinnig unterhaltsam, aber selten ausrechenbar. Wenn Borowski in der Pathologie mit Gerichtsmedizinerin Kroll (Anja Antonowicz) spontan den Tathergang nachstellt und bei dieser kurzen Improvisationseinlage mit todernster Miene die typischen kleinen Konflikte des Ehealltags als Mordmotiv durchexerziert, zählt das zu den spaßigsten Momenten der jüngeren „Tatort“-Vergangenheit. Aber auch das Spiel mit den Klischees meistern die Filmemacher mit Bravour – etwa bei einer getürkten Wohnungsbesichtigung im Hause junger Eltern, bei Peggys Shopping in einer Edelboutique oder im Hinblick auf Peggys Kollegin Ilona Schmidt (Stefanie Reinsperger), die für die größte Überraschung in diesem „Tatort“ sorgen darf.

    Kommissar und Mörderin stehen sich an der Supermarktkasse gegenüber.

    Dass die Spannung dabei eher auf Sparflamme köchelt, ist angesichts der vielen originellen und aberwitzigen Drehbucheinfälle locker zu verschmerzen: Es sind in erster Linie die großartigen Dialoge, der schwarze Humor und die vielen pfiffigen Wendungen, die den zweiten Einsatz von Borowski und Sahin zu einer so hervorragenden Krimikomödie machen. Dabei verliert Arango die Leitmotive seiner Geschichte – das titelgebende Glück anderer Menschen, den daraus resultierenden Sozialneid und nicht zuletzt auch den Faktor Zufall – aber nie aus dem Blick: Wenn Borowski und Sahin im Prolog des Films einen international gesuchten Drogendealer nur deshalb aufspüren, weil sie sich in der Hotelzimmertür geirrt haben, illustriert das drastisch, wie nah Glück und Pech im Leben – oder in diesem Fall Leben und Tod – beieinander liegen können. Auch die Schauspieler überzeugen auf ganzer Linie: Während der momentan vorwiegend fürs Deutsche Theater in Berlin tätigen Katrin Wichmann („Zwei im falschen Film“) in ihrer Schlüsselrolle die ganze Bandbreite an Emotionen abverlangt wird, setzt Sarah Hostettler („Der Bestatter“) als unterkühlte, aber verletzliche Besserverdienerin von nebenan einen wunderbaren Kontrapunkt.

    Fazit: Andreas Kleinerts „Tatort: Borowski und das Glück der Anderen“ ist eine höchst unterhaltsame Krimikomödie mit viele originellen Einfällen und tollen Wendungen.

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