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    Pink Floyd - The Wall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Pink Floyd - The Wall
    Von Gregor Torinus

    1979 veröffentlichte die britische Rockgruppe Pink Floyd das zum größten Teil von Roger Waters geschriebene Konzeptalbum „The Wall". In den Texten verarbeitete der ebenso charismatische, wie schwierige Frontsänger autobiografische Erfahrungen aus seiner Kindheit und Jugend bis hin zum Leben als gefeierter Rockstar. 1982 adaptierte Alan Parker das Album fürs Kino und revolutionierte das Genre der Rockoper: Statt Szenen von Konzertauftritten mit einer dünnen Handlung zu verknüpfen, visualisiert der Film die in den Texten beschriebenen Alpträume und machte „Pink Floyd – The Wall" zum ersten Musikvideo in Spielfilmlänge. Ein Jahr nach dem Start des Musiksenders MTV war dieses audiovisuelle Meisterwerk seiner Zeit meilenweit voraus und beeindruckt auch drei Jahrzehnte später noch durch visuelle Kraft und eine ganz eigene Atmosphäre.

    Der Rockstar Pink (Bob Geldof) sitz einsam in einer gigantischen Hotelsuite in Los Angeles vor dem Fernseher. Anfangs treiben ihn seine Depressionen in zunehmende Apathie, dann entlädt sich seine Drogengeschwängerte Paranoia in einem Gewaltausbruch. Bruchstücke aus Pinks trauriger Kindheit und Jugend vermischen sich mit einer depressiv-paranoiden Sicht auf die Gegenwart und düsteren Zukunftsvisionen. Seinen im Krieg gefallenen Vater hat Pink nie kennengelernt, seine vereinsamte Mutter war übermäßig ängstlich und dominant und erdrückte Pink mit einem Übermaß Liebe. In der Schule ließen die Lehrer den Kindern ebenfalls keine Freiräume, sondern versuchten ihre Schützlinge mit unerbittlicher Strenge zu willenlosen Maschinen zu verformen. Immer höher wird die Mauer, mit der sich der sensible Pink von der als feindlich wahrgenommenen Umwelt abschottet. Zunehmend wird Pink beziehungsunfähig und findet sich am Ende in einem Zustand vollkommener innerer und äußerer Isolation.

    Durch die Zusammenarbeit dreier kreativer Schwergewichte wurde „The Wall" zu einem ebenso beeindruckenden, wie vielschichtigen Meisterwerk: Im Kern ist der Film das Werk des verschrobenen Genies Roger Waters. Seine Musik und Texte liefern die Basis, die Alan Parker mit seinem visuellen Gespür sowie der Cartoonist Gerald Scarfe mit seinen ebenso poetischen, wie kreativen Animationen mit Leben füllten. Schon mit seiner Adaption des düsteren Dramas „Midnight Express" (1978) hatte sich Parker für eine visuell bestechende filmische Umsetzung schwieriger Stoffe empfohlen. Ein Vorwurf, der immer wieder gegen Parker erhoben wird, nämlich dass er den Inhalt seiner Filme einer übermäßigen visuellen Stilisierung unterordnet, ist die große Stärke von „The Wall". Erst durch die visuelle Stilisierung Parkers formt sich aus den wild durcheinanderwirbelnden Assoziationen eines psychisch kranken Rockmusikers eine erzählerische Linie.

    Als Inspiration bediente sich Parker dabei weniger bei bekannten Rockopern wie z.B. „Tommy" von The Who (Album: 1969, Film: 1975), sondern beim Surrealismus eines Luis Buñuel. Dessen bereits 1929 zusammen mit Salvator Dalí gedrehter experimenteller Kurzfilm „Ein andalusischer Hund" war der erste filmische Versuch eine nicht narrative, freie Assoziationskette in Bilder umzusetzen. Waren es bei Buñuel Ameisen, die ohne jede Erklärung aus einer Hand hervor krabbelten, so sind es in „The Wall" Bilder von Maden, die ein entsprechendes Unwohlsein hervorrufen. Allerdings wird dieses Assoziationsspiel in „The Wall" immer wieder mit der Realität verknüpft: Bilder von Maden gehören zum Beispiel beim Missbrauch bestimmter Drogen zu den immer wieder auftretenden Halluzinationen. So ist „The Wall" über weite Strecken die Visualisierung eines Drogentrips und macht in Echtzeit sichtbar, wie verzerrt Pink seine Umwelt wahrnimmt.

    Die beeindruckende visuelle Arbeit Alan Parkers wird durch die Animationen Gerald Scarfes zusätzlich unterstützt und verstärkt. Im Gegensatz zu vergleichbaren zeitgenössischen wie z.B. Zack Snyders „Sucker Punch" (2011) sind die Animationen in „The Wall" keine mit hoher Rechnerleistung erstellte Computerbilder, sondern klassische Trickfilme. Doch Gerald Scarfe überhöht diese zweidimensionalen Animationen immer wieder zu wahren Kunstwerken, die in ihrer Virtuosität weit über schlichte Bebilderungen der Songtexte hinausgehen. Dabei erwies sich Scarfe als Pionier der Morphing-Technologie, die erst durch James Camerons „Terminator 2 auch im Mainstream-Bereich beliebt wurden. Doch Scarfes Animationen bestechen weniger durch ihre technische Qualität, als durch ihre elegante Schönheit: Eine Szene, in der zwei Blumenblüten sich abwechselnd sanft umschmeicheln und wild kopulieren und sich dabei in menschliche Geschlechtsorgane und in einen Mann und eine Frau verwandeln ist ein visuelles Meisterwerk, dass auch als eigenständige Kurzfilm Bestand hätte.

    Fazit: Die Verfilmung des gleichnamigen Konzeptalbums „Pink Flyod – The Wall" ist nicht nur der erste Videoclip in Spielfilmlänge, sondern ein visuell und atmosphärisch beeindruckendes Meisterwerk, dass die Musik zu einem Gesamtkunstwerk ergänzt, in dem Bild und Ton zu einer sich wechselseitig durchdringenden Einheit verschmelzen. Das Ergebnis ist auch noch 30 Jahre nach seiner Entstehung schlicht atemberaubend.

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