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    Der blutige Pfad Gottes
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Der blutige Pfad Gottes
    Von Deike Stagge

    Schon die Blues Brothers rühmten sich, sie wären „im Auftrag des Herrn unterwegs“, um ein von der Schließung bedrohtes Waisenhaus zu retten. Ende der 90er Jahre schickte Er wieder zwei Brüder auf göttliche Mission – diesmal, in Troy Duffys Action-Drama „Der blutige Pfad Gottes“, um in der Bostoner Unterwelt ordentlich aufzuräumen.

    Die Brüder Connor (Sean Patrick Flanery) und Murphy McManus (Norman Reedus) versäumen zwar keine Messe, sind aber beileibe keine richtigen irischen Bilderbuchkatholiken. Eines Tages werden sie in ihrem Lieblingspub in Boston Zeugen, wie die russische Mafia den Besitzer brutal unter Druck setzt. Als sie ihren Schabernack mit den Mafiakillern treiben, geraten sie auf die Abschussliste. Mit einer Menge Glück und der tatkräftigen Unterstützung einer Toilettenschüssel können sie sich in Notwehr der Angreifer erwehren. Die Leichen rufen aber das FBI auf den Plan. Agent Paul Smecker (Willem Dafoe), bekannt für seine abgefahrenen Untersuchungsmethoden, wird der lokalen Polizei zugeteilt, um in dem Fall zu ermitteln. Der kultivierte Smecker ist gar nicht angetan von dem Gedanken, mit den prolligen und absolut ahnungslosen Cops um Detective Greenly (Bob Marley) zusammenarbeiten zu müssen. Nachdem die MacManus Brüder sich stellen, wird ihr Fall offiziell als Notwehr eingestuft, und sie werden als Helden entlassen.

    Anstatt wieder zum Alltag überzugehen, werten die beiden Iren das Geschehen als ein Zeichen von Gott, der ihnen aufträgt, gegen das menschliche Verbrechen und die Sünde vorzugehen. Vom Zufall und den Unterweltkontakten ihres Freundes Rocco (David Della Rocco) geleitet, starten sie eine gnadenlose Vendetta gegen die einheimischen Unterweltsyndikate, die von einigem Anfangerfolg gekrönt ist. Agent Smecker und seine Kollegen stehen vor einem vermeintlichen Bostoner Bandenkrieg, als immer mehr Verbrecher gänzlich unerwartet und spektakulär das Zeitliche segnen. Doch die Mafia will sich nicht kampflos geschlagen geben und heuert den für seine Brutalität berüchtigten Auftragsmörder Il Duce (Billy Connolly) an, um die unbekannten Attentäter auszuschalten. Unaufhaltsam läuft die Mission der MacManus-Brüder einem blutigen Showdown auf der Straße entgegen.

    Obwohl „Der blutige Pfad Gottes“ immer noch relativ unbekannt ist, hat das 1999 gedrehte Actionspektakel sich eine große und treue Fanbasis geschaffen und Kultstatus erlangt. Lange bevor Quentin Tarantino seine Braut in „Kill Bill Vol. 1“ und „Kill Bill Vol. 2“ auf ihren umfassenden Rachefeldzug schickte, rechneten die sympathischen Bostoner Iren mit der Unterwelt ab. Mit einem entscheidendem Unterschied: Wo die Braut in bester Exploitation-Manier nach einem eiskalten Plan gegnerische Extremitäten abhackt, stolpern die MacManus-Brüder von Tatort zu Tatort und bringen quasi im Vorbeigehen die Bösewichte zur Strecke. Doch nicht nur der ausgiebige Actionteil von „Der blutige Pfad Gottes“ ist großartig angelegt. Vor allem die Ermittlungsarbeit von Agent Smecker und seinem Team bleibt dem Zuschauer in lebhafter Erinnerung. Der den normalen Polizisten deutlich überlegene FBI-Agent nutzt jede noch so kleine Gelegenheit, Greenly und seine Kollegen mit ihrer Ahnungslosigkeit bloßzustellen und zu demütigen. Gnadenlos lässt der zunehmend über den ausbleibenden Fahndungserfolg frustrierte Smecker seine Launen an den Bostoner Polizisten aus, die sich durch ihre absurden Theorien über die Tathergänge nicht gerade mit Ruhm bekleckern.

    Das Werk aus der Feder und Regiearbeit von Troy Duffy kann mit einer schwungvollen und temporeichen Geschichte überzeugen, die durch die Darsteller hervorragend transportiert wird. Sean Patrick Flanery („Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“, „Con Express“, „D-Tox“) und Norman Reedus („Gossip“, Blade 2, Antikörper) harmonieren als katholisches Brüderpaar und verleihen den beiden Protagonisten neben einer ordentlichen Portion Humor und Sympathie einen menschlichen Hauch von Tolpatschigkeit. Mit eindrucksvoller Gelassenheit lassen sich die beiden durch ihre Aktionen treiben und vertrauen darauf, dass der Herr sie schon sicher an ihr Ziel führen wird. Das wahre Highlight des Films ist jedoch Willem Dafoe als Agent Smecker. Dass Dafoe für schräge Charaktere und launische Ausbrüche genau der richtige Mann ist, konnte das Kinopublikum in Spider-Man erfahren, als Dafoe dem grünen Goblin zu einem memorablen Auftritt verhalf. Zuvor stellte er sein Können eindrucksvoll in „Shadow Of The Vampire“ unter Beweis, in dem er den kauzig-gruseligen „Nosferatu“ Star Max Schreck spielte. Dank Dafoes herausragendem Spiel macht Smecker in jeder Szene eine gute Figur, egal, ob er gerade mit dezent homosexuellem Touch komplizierte Tathergänge rekonstruiert, moralische Konflikte löst oder in Frauenkleidern in ein Mafiahaus eindringt. Smecker ist als Charakter ein absolutes Fest für Augen und Lachmuskeln.

    Ein weiterer Grund, weshalb der FBI-Agent beim Publikum so gut ankommen kann, liegt in der Erzählstruktur. Regisseur und Autor Duffy geht in der Montage der einzelnen Szenen äußerst geschickt vor. Statt die Handlung in linearer Abfolge zu erzählen, blendet er aus, wenn Connor und Murphy losziehen, um einen „Auftrag“ zu erfüllen und blendet erst wieder ein, wenn sich bereits die Polizisten vor Ort, die die Leichenteile einsammeln und über das Geschehen spekulieren. Was wirklich passiert ist, wird in einer Rückblende (meist zu Smeckers Erläuterungen) aufgelöst. So wird Smeckers Können filmisch noch einmal gewichtet und aufgewertet. Schade, dass Troy Duffy nach diesem fulminanten Regiedebüt keine weiteren großen Projekte abschloss. Über eine Fortsetzung von „Der blutige Pfad Gottes“ wurde lange Zeit spekuliert. Nachdem auf imdb.com zunächst eine Ankündigung über die Entwicklung eines Sequels zu finden war, ist die Meldung inzwischen von der Seite verschwunden. Es bleibt abzuwarten, ob Duffy das Geld und die Darsteller für eine Fortsetzung zusammenbekommt.

    Nicht nur die eingefleischten Freunde des humorvollen Actionkinos werden die MacManus Brüder lieben. Neben den blutrünstigen Schießereien kann „Der blutige Pfad Gottes“ beim filmverwöhnten Publikum auch mit seinem Zynismus und dem Augenzwinkern auf Religion und polizeiliche Ermittlungsarbeit punkten. Ein Must-See für jeden Cineasten und solche, die es werden wollen.

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