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    Tatort: Die Pfalz von oben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Die Pfalz von oben

    Nur Mittelmaß zum Jubiläum

    Von Lars-Christian Daniels

    Der Regisseur und spätere Erfolgsproduzent Nico Hofmann sorgte 1991 mit seinem bis heute einzigen Beitrag zur erfolgreichsten deutschen Krimireihe für einen kleinen Skandal: Im „Tatort: Tod im Häcksler“, in dem die mittlerweile dienstälteste „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal im kleinen Dorf Zarten ermittelt, sah der damalige rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Rainer Brüderle Land und Leute durch die negative Skizzierung einiger Dorfbewohner als hinterwäldlerischer Mob erheblich verunglimpft. Brüderles öffentlichem Echauffieren über den (tatsächlich ziemlich klischeebeladenen, aber unterm Strich eher harmlosen) Provinzkrimi folgte persönliche Überzeugungsarbeit bei Hauptdarstellerin Ulrike Folkerts, die der Politiker auf eine ausgedehnte Tour durch die Pfalz einlud – angeblich sogar inklusive Saumagen-Dinner.

    28 Jahre und einige „Tatort“-Skandale später knüpft der SWR anlässlich des 30-jährigen Dienstjubiläums von Lena Odenthal, die 1989 ihr Debüt in Ludwigshafen gab, an diesen Krimi an: In Brigitte BertelesTatort: Die Pfalz von oben“ verschlägt es die Kommissarin erneut in die Provinz – und dort begegnet sie im Rahmen ihrer Ermittlungen einem alten Bekannten, mit dem sie sich einst auf eine Affäre einließ. So hohe Wellen wie sein Vorgänger wird das Sequel aber kaum schlagen: „Die Pfalz von oben“ bietet über weite Strecken solide und unaufgeregte Krimikost ohne die ganz großen Aufreger und Überraschungen.

    So sehen Ulrike Folkerts und Ben Becker 2019 aus...

    Im beschaulichen westpfälzischen Dorf Zarten kommt ein junger Polizist bei einer Routinekontrolle ums Leben: Gemeinsam mit dem erfahrenen Dienststellenleiter Stefan Tries (Ben Becker) stoppt Benny Hilpert (Max Schimmelpfennig) einen Fernfahrer und entdeckt bei diesem plötzlich eine Waffe. Hilpert wird erschossen – und Tries muss machtlos mitansehen, wie der LKW in Richtung Frankreich davonbraust. Die Ludwigshafener Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die vor Ort von ihrer Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) und Rechtsmediziner Peter Becker (Peter Espeloer) unterstützt wird, kennt Tries von früher und lässt nach dem LKW-Fahrer fahnden. Außerdem hört sie sich auf der Zartener Dienststelle um: Offenbar haben die Polizisten Trump (Thomas Loibl), Fies (Maria Dragus) und Nicolay (Till Wonka) im Dienst gerne mal fünfe gerade sein lassen. Wollte sich Hilpert darüber beschweren? Und musste er deshalb womöglich sterben?

    „Sehen wir uns in Ludwigshafen? Ich hab noch ‘n Zimmer frei!“ Mit dieser letzten Flirt-Offensive von Lena Odenthal endete der „Tatort: Tod im Häcksler“ im Jahr 1991 – und an eben diesen Abschied knüpft Drehbuchautor Stefan Dähnert, der auch das Skript zum Vorgänger schrieb, in der 1109. Ausgabe der öffentlich-rechtlichen Krimireihe lose an. Wer den dritten Odenthal-„Tatort“ damals verpasst (und nicht in der Mediathek nachgeholt) hat, findet sich im Sequel trotzdem zurecht: Die Geschichte funktioniert als eigenständiger Krimi und beleuchtet dabei erneut auch die Gefühlswelten von Odenthal und Tries. Damals blutjung und bis in die Haarspitzen motiviert, die Welt zu einer besseren zu machen, haben sich die beiden nach den Ermittlungen in Zarten und einer gemeinsamen Nacht aus den Augen verloren und in unterschiedliche Richtungen entwickelt.

    Nicht immer glaubwürdig, aber zumindest überraschend

    Während Odenthal zur toughen Großstadtpolizistin gereift ist und mittlerweile Vorträge auf renommierten Kongressen hält, ist Tries im Dorf hängengeblieben und lässt dort sein eigenes Recht sprechen. Wie wenig man diesem Mann trauen kann, machen schon die Anfangsminuten deutlich: Einen alkoholisierten Landwirt lässt er bei der nächtlichen Streife im Auto davonfahren, statt ihm den Führerschein abzuknöpfen – und auch bei der folgenreichen Kontrolle des LKW scheint irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Wenngleich die Filmemacher den genauen Tathergang in dieser Schlüsselszene gekonnt mit Schnitten und wechselnden Perspektiven verschleiern, werden sich erfahrene Krimifans von den Nebelkerzen nicht aufs Glatteis führen lassen. Was genau geschehen ist, bleibt aber bis in die Schlussminuten offen und wird mit einer kleinen Überraschung, wenn auch nicht ganz glaubwürdig aufgelöst.

    Antriebsfeder der routiniert in Szene gesetzten Kreuzung aus Whodunit und Howcatchem ist neben der Täterfrage auch das Treiben von Tries und seinen korrupten Kollegen – die Rahmenhandlung um Drogenschmuggel, das gezielte Wegsehen der Polizei und dubiose Bauprojekte fällt allerdings recht oberflächlich aus. Zudem hat der Film im Mittelteil mit einem Hänger zu kämpfen: Odenthal und Tries widmen sich nach Feierabend ihrer Vergangenheit und gehen nach einem Glas Rotwein, ein paar plumpen Komplimenten und einer Line Koks auf Tuchfühlung. Für zusätzliche Brisanz sorgt dieses Techtelmechtel mit dem Tatverdächtigen aber kaum und wirklich auch knistern will es zwischen den beiden nicht – die Gefühle bleiben pure Behauptung. Ähnlich dünn gerät der konstruierte Konflikt mit dem internen Ermittler Charly Metzger (David Bredin), der in einer zur Einsatzzentrale umfunktionierten Kegelbahn (!) keinerlei Sympathiepunkte sammelt.

    ... und so vor 28 Jahren in ihrem ersten gemeinsamen "Tatort".

    Auch sonst wirkt manches sehr aufgesetzt oder gar unfreiwillig komisch: Die am wenigsten glaubwürdige Figur in diesem Krimi ist die verwitwete Zoe Hilpert (Jana McKinnon), die nach dem Verlust ihres Mannes in Zarten schneller wieder Anschluss findet, als Hobbyfußballtrainer Tries beim Trainieren seiner mäßig talentierten Kreisklassenkicker „Tiki-Taka!“ brüllen kann. Besonders unbeholfen arrangiert ist dann ausgerechnet die Sequenz, in der die Filmemacher den Bogen in die Vergangenheit schlagen und nach 28 Jahren erneut einen Häcksler auf Lena Odenthal loslassen – wie genau das lächerliche Duell „Maschine gegen Kommissarin“ ausgeht, soll an dieser Stelle aber nicht im Detail verraten werden.

    Der Jubiläumskrimi ist das Einschalten trotzdem wert, denn neben der charismatischen Performance von Ben Becker („Comedian Harmonists“) bietet der „Tatort“ auch einige nostalgische Momente (zum Beispiel, wenn zu Bob Dylans „Lay Lady Lay“ die Bilder von 1991 eingeflochten werden). Erfreulicherweise versuchen die Filmemacher auch nicht, die Patzer von einst nachträglich auszubügeln und die Dorfbewohner nun übertrieben modern darzustellen: Statt den Fokus auf die strukturschwache Region zu richten, geht es um Korruption, Baugelder und Drogengeschäfte, wie sie genauso in Großstädten vorkommen. „Die Provinz hat sich gemausert“, hält Odenthal irgendwann fest – mehr pfälzischer Dialekt und eine echte Auseinandersetzung mit der Lebenswelt der Menschen wären für das Lokalkolorit aber gewinnbringender gewesen als die repetitiven Windräder-Panoramen und die ermüdenden Anspielungen auf den 1. FC Kaiserslautern.

    Fazit: Ein solider Provinzkrimi, der weit weniger skandalträchtig ist als sein vieldiskutierter Vorgänger vor 28 Jahren.

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