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    Tatort: Falscher Hase
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tatort: Falscher Hase

    Das wird nicht jedem schmecken!

    Von Lars-Christian Daniels

    Als Schauspielerin Katharina Marie Schubert zuletzt die wichtigste Nebenrolle in einem „Tatort“ übernahm, kam einer der beklemmendsten Sonntagskrimis der Krimisaison 2018/2019 dabei heraus: Im Stuttgarter „Tatort: Anne und der Tod“ spielte sie eine finanziell gebeutelte Altenpflegerin, die sich für ihre bettlägerigen Klienten prostituierte, um ihrem verwöhnten Sohn ein wenig Luxus bieten zu können. In Emily Atefs „Tatort: Falscher Hase“ ist die gelernte Theaterschauspielerin nun erneut in der Rolle einer Schlüsselfigur zu sehen, die die Kommissare nach Strich und Faden an der Nase herumführt: Im Krimi aus Frankfurt mimt Schubert die Gattin eines insolventen Mittelständlers, die eigentlich nur einen Versicherungsbetrug begehen will und durch einen dummen Zufall zur Mörderin wird. Ansonsten könnten die zwei genannten „Tatort“-Folgen aber unterschiedlicher kaum ausfallen: Im Gegensatz zum bedrückenden Beitrag aus dem „Ländle“ ist Atefs Film ein furioser Genre-Mix, der an den Coen-Klassiker „Fargo“ erinnert – und damit alles andere als die gutbürgerliche Hausmannskost, die man zunächst hinter dem Krimititel vermuten mag.

    Der Frankfurter Unternehmer Hajo Lohmann (Peter Trabner) steht mit seiner mittelständischen Firma, der Lohmann Solar Technology GmbH, vor dem Aus. Um den Betrieb zu retten und seine Mitarbeiter nicht entlassen zu müssen, plant Lohmann mit seiner Frau Biggi (Katharina Marie Schubert) einen Versicherungsbetrug: Er fingiert einen Raubüberfall, bei dem ihm seine Gattin ins Bein schießt, um das Ganze echt aussehen zu lassen. Doch der Plan schlägt fehl: Die beiden werden von Security-Mitarbeiter Jürgen Röhrig (Thorsten Merten) überrascht – und Biggi jagt dem Wachmann kurzerhand eine Kugel zwischen die Augen. Die Frankfurter Hauptkommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), die bei ihren Recherchen von ihrem Assistenten Jonas (Isaak Dentler) unterstützt werden, hören sich in der Firma um, doch von Lagerleiter Uwe Ohlberger (Godehard Giese) erfahren sie wenig Hilfreiches. Was sie nicht ahnen: Ohlberger ist den Lohmanns auf die Schliche gekommen und will selbst Kasse machen. Gemeinsam mit seinem Kumpel „Sahni“ (Ronald Kukulies) nimmt er Kontakt zu dem kleinkriminellen Rick Kremer (Friedrich Mücke) auf, der im dubiosen Feinkostbetrieb seines Bruders Guy (Werner Daehn) arbeitet…

    Einfallslose Besetzung, ausgefallenes Skript

    Das Wiedersehen mit Katharina Marie Schubert, die bei ihrem zweiten „Tatort“-Auftritt binnen vier Monaten erneut eine bravouröse Performance abliefert, bleibt in der 1101. Ausgabe der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe nicht das einzige: Die Stammzuschauer kennen Peter Trabner, der hier den sympathischen Mittelständler Hajo Lohmann spielt, vor allem durch seine Rolle als Gerichtsmediziner Falko Lammert im Fadenkreuzkrimi aus Dresden (sein letzter Einsatz im „Tatort: Nemesis“ liegt gerade mal zwei Wochen zurück). Thorsten Merten hingegen mimt im „Tatort“ aus Weimar den Kripo-Chef Kurt Stich – und auch Friedrich Mücke, der sich 2013 und 2014 zweimal mit überschaubarem Erfolg als „Tatort“-Kommissar in Erfurt versuchen durfte, ist in der Krimireihe wahrlich kein Unbekannter. Wenngleich solche unnötigen Doppelbesetzungen – talentierte Schauspieler gibt es in Deutschland schließlich genug – immer einen gewissen Beigeschmack haben, kann man hier leicht darüber hinwegsehen: So einfallslos der „Tatort: Falscher Hase“ beim Blick auf die Besetzungsliste daherkommt, so ausgefallen sind das entfernt an „Fargo“ angelehnte Drehbuch (im Präsidium herrschen nach einem Heizungsdefekt nicht von ungefähr eisige Temperaturen) und die vielen schrägen Figuren, die man einfach ins Herz schließen muss.

    Katharina Marie Schubert - offenbar ein gutes Zeichen, wenn sie in einem „Tatort“ dabei ist.

    Da wären zunächst mal Biggi und Hajo Lohmann, die als knuffige Parodie auf ein deutsches Vorzeige-Ehepaar gemeinsam durch dick und dünn gehen und dabei reihenweise Sympathiepunkte sammeln: Es macht einfach unheimlich Spaß, den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich ins Fäustchen lachen, wenn ihnen die Ermittler wieder auf den Leim gegangen sind. Aber auch die übrigen Nebenfiguren dürfen als bissig-humorvoller Querschnitt durch das deutsche Spießbürgertum verstanden werden: Die trauernde Witwe Röhrig (Judith Engel) hätte angesichts des tristen Ehelebens und der wenigen Zeit, die sie noch mit ihrem Gatten verbracht hat, von dessen Abschied ins Jenseits wohl gar nichts bemerkt, während Lagerleiter Ohlberger die einsamen Abende in seiner spartanisch eingerichteten Junggesellenbude bei Pralinen und Dosenpils vor einem langweiligen Flugsimulator verbringt. Zu den hartgesottenen Kremer-Brüdern Rick und Guy, die kaum mehr als Gaunerklischees auf zwei Beinen sind, ist den Filmemachern hingegen nicht viel eingefallen – und Johanna Wokalek („Barfuss“) ist in ihrer eindimensionalen Rolle als Gangstergattin Anouk gleich ganz verschenkt.

    Furiose Wendungen und köstliche Einfälle

    „Falscher Hase“ ist dennoch ein sehr origineller Sonntagskrimi: Regisseurin Emiliy Atef („3 Tage in Quiberon“), die das Drehbuch gemeinsam mit Lars Hubrich („Tschick“) geschrieben hat, hat eine eigenwillige und mit vielen Western-Elementen durchsetzte Kreuzung aus spaßiger Gaunerkomödie, klassischem Howcatchem und tragikomischem Ehedrama geschaffen, die dank der furiosen Wendungen und köstlichen Einfälle nie langweilig wird. Allein die detailverliebte 80er-Jahre-Ästhetik und die potthässlichen Klamotten, in die man die Schauspieler gesteckt hat, sind das Einschalten wert – da fällt es nicht so schwer ins Gewicht, dass die Spannung zugunsten der Situationskomik auf Sparflamme köchelt. Eiserne Krimi-Puristen gucken bei der kurzweiligen Odyssee der Kommissare, die anders als der Zuschauer einleitend nicht Zeuge des Totschlags werden, ohnehin in die Röhre: Die Tätersuche fällt aus und eine späte Videoanalyse der Kommissare kommt der Dramaturgie offenbar sehr gelegen. Und die Sequenzen im eiskalten Präsidium bergen einen weiteren Schwachpunkt: Nachdem sich Ex-Kripo-Chef Fosco Cariddi (Bruno Cathomas) im „Tatort: Das Monster von Kassel“ verabschiedet hat, setzt Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern) nun alles daran, als Fremdkörper im Krimi aus Frankfurt in seine Fußstapfen zu treten.

    Fazit: Emily Atefs „Tatort: Falscher Hase“ ist ein sehr unterhaltsamer, aber auch sehr eigenwilliger Genre-Mix, der garantiert nicht jedem Stammzuschauer schmecken wird.

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