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    Als wir tanzten
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    Cursha
    Cursha

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    4,5
    Veröffentlicht am 10. August 2020
    Ich habe mich im Vorfeld bereits sehr auf diesen Film gefreut und nun war es dann auch endlich in Deutschland soweit und „Als wir tanzten“ kam in unsere Kinos. Der Film wurde bereits im Vorfeld auf internationalen Filmfestspielen hoch gelobt, während er aber in Georgien ziemlich kontrovers aufgenommen wurde.
    „Als wir tanzten“ stellt sich tatsächlich als ein sehr wichtiger Film heraus, der nicht nur für die LGBT Community eine weitere Bereicherung ist, sondern eben auch durch die genannte Kontroverse, zu einem wichtigen Film geworden ist.
    Zunächst einmal sei gesagt, dass der Film schon von seinem Handwerk her gut gemacht ist und dass am Stil nichts auszusetzen ist. Es gibt eine, vor allem sehr starke Kameraarbeit, die auch durchaus mal länger ohne Schnitt auskommt, zudem sitzt die Musik im ganzen Film durchgehend. Die klassischen georgischen Klänge klingen wahrhaft faszinierend und tragen die wundervollen Tanzszenen, die ebenfalls großartig choreografiert sind. Besonders ein Tanz sticht im späteren Verlauf des Films heraus. Allgemein bekommt man im gesamten Film gezeigt, wie viel Respekt der schwedisch- georgische Regisseur Levan Akin vor seiner eigenen Kultur und Tradition hat. Er stellt diese im Film nie bloß, kritisiert aber die Moralvorstellung, die zu großen Teilen immer noch im Kaukasusland herrscht.
    Herausragend am gesamten Film zeigt sich auch der Hauptdarsteller Levan Gelbakhiani. Der zu diesem Zeitpunkt filmisch noch vollkommen unerfahrene Tänzer, gibt hier eine großartige Leistung zum Besten und spielt so Facetten- und Nuancenreich. Gelbakhiani, geht in der Rolle des Homosexuellen Merab auf und spielt die intimen Szenen mit seinem Filmpartner Bachi Valishvili hervorragend. Beide hatten zunächst bedenken die Rolle anzunehmen und haben sie später, auch dank der Unterstützung ihrer Familien, sie dennoch ausgefüllt. Beide machen sich heute auch für LGBT Rechte in Georgien stark, weshalb der Film zu einem sehr wichtigen geworden ist.
    „Als wir tanzten“ ist zu einem hervorragend gespielten, wundervollen und gefühlvollen Film geworden, der zudem ein politisch betrachtet extrem wichtiger und vor allem bewegender Film ist, der sich immerhin schon mal nach einem Anstoß anfühlt.
    Filmdoktor
    Filmdoktor

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    4,0
    Veröffentlicht am 2. November 2020
    Tanz in die Freiheit -

    Es gibt Länder, über deren Alltag dringt wenig an die Öffentlichkeit, sofern man sich nicht eingehend damit beschäftigt. Georgien ist so ein Land, welches selten viel Aufmerksamkeit erhält. Umso erstaunlicher ist, wie selbstverständlich der Betrachter in "Als wir tanzten" in den Alltag von Merab eintaucht, einem jungen Studenten für Tanz an der nationalen Kunstakademie in Tiflis, seine Mitstudierenden, seine Familie und Freunde kennen lernt.
    Balletttanz - so wurde es schon in vielen anderen Filmen gezeigt - ist harte körperliche Arbeit und erfordert viel Disziplin. Beides bringt Merab auf - im Gegesatz zu seinem älteren Bruder, der ebenfalls dort studiert. Durch einen Job als Kellner versorgt er die vaterlose Familie, die in der Altstadt gemeinsam mit der Großmutter lebt. Auch Merabs Eltern haben einst im georgischen Nationalballett getanzt und es sogar bis in die Royal Albert Hall in London geschafft. Geblieben ist von dem Ruhm nichts, der Vater lebt getrent und arbeitet als Händler auf einem Markt.
    Merab versucht sein Leben mit seiner besten Freundin gemeinsam zu genießen - so gut es geht mit wenig Geld - und arbeitet hart daran, einen frei gewordenen Platz im ersten Ensemble des Nationalballetts zu ergattern. Wieder und wieder muss er die Figuren des georgischen Nationaltanzes vor dem stets mürrischen Tanzlehrer Aleko vorführen. Dennoch scheint Merab gute Aussichten auf den begehrten Platz zu haben, bis Irakli auftaucht. Ein junger Tänzer aus der Provinz, der mühelos besser zu sein scheint. Irakli löst widersprüchliche Gefühle bei Merab aus: Er hasst ihn als Konkurrent, er begehrt ihn als Mann. Merabs eher weicher Charakter sind aber in der patriarchialen und homophoben georgischen Gesellschaft nicht nur privat ein Hindenis, sondern drohen ihn auch als Tänzer auszubremsen. Denn der georgische Tanz, so sagen Aleko und ein älterer Tanzlehrer einmal, drücke Mut, Männlichkeit und Stärke aus und habe nichts weiches. Als Merab und Irakli sich näher kommen, spitzt sich die Situaltion zu.

    "Als wir tanzten" ist kraftvolles, ungeschminktes Kino, das den Betrachter sogleich eintauchen lässt in eine Welt des Tanzes, der Traditionen, der wirtschaftlichen Misere und Armut und eine Gesellschaft, die schwankt zwischen Althergebrachtem und ungezügelter Moderne. Die Mischung aus Sozialdrama, Tanzfilm, Coming-of-Age und Coming-Out-Drama macht den Film sehr sehenswert, wozu nicht unwesentlich der junge Tänzer Levan Gelbakhiani beiträgt, der hier seine erste Filmrolle spielt und beinahe in jeder Szene zu sehen ist. Aber auch die anderen Darsteller, Ausstattung und Inszenierung sind hervorragend.

    Auf den Seiten des Filmverleihs Salzgeber lässt sich nachlesen, wie umstritten und zugleich heiß ersehnt der Film in seiner georgischen Heimat war: Die 5.000 verfügbaren Tickets für die Vorführungen in fünf Kinos in der georgischen Hauptstadt Tiflis und der zweitgrößten Stadt Batumi am Schwarzen Meer waren innerhalb von 13 Minuten ausverkauft – und das obwohl die Georgische Orthodoxe Kirche sowie einige rechtsextreme Gruppen den Film bereits im Vorfeld der Premiere öffentlich verurteilt und angekündigt hatten, die Kinobesucher vom Eintritt in den Kinosaal abhalten zu wollen. Die Kirche bezeichnete den Film in einer offiziellen Stellungnahme als „Popularisierung von Sodomitenbeziehungen“ und als „großen Angriff auf die Kirche und die nationalen Werte“. Die rechtsextreme Gruppe „Georgian March“ hatte in einer Pressekonferenz mitgeteilt, einen „Korridor der Schande“ bilden zu wollen. Das Innenministerium hatte derweil angekündigt, Meinungsfreiheit und die Sicherheit der Kinobesucher durchzusetzen.

    Gerade vor diesem Hintergrund wirkt Merabs Kampf um Anerkennung, auf dessen Höhepunkt er sich schließlch den georgischen Nationaltanz auf seine Weise zu eigen macht, hochaktuell. "Als wir tanzten" ist vor allem als Einblick in den wenig bekannten Alltag Georgiens sehenswert, Eindringlich erzählt der Film eine Geschichte von Befreiung, erster Liebe und dem Aufbruch in eine neue Zeit.
    dm L
    dm L

    4 Follower 20 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 6. August 2020
    Gleich zuallererst: „Als wir tanzten“ ist meiner Meinung nach der schönste "schwule" Film seit „Call Me by Your Name“ und hat auch tatsächlich ein paar Ähnlichkeiten damit: Georgiens Hauptstadt Tiflis ist in golden-sonniges Herbstlicht getaucht. Die Häuser der Altstadt scheinen aus Holz gebaut zu sein und sind mit wunderschönen geschnitzten Balkonen versehen. Bunte Wäscheleinen spannen sich von hier nach dort. Die total engen Wohnungen, in denen generationenübergreifend gelebt wird, strahlen trotzdem Geborgenheit aus. Es ist überhaupt ein sehr bunter Film. Die Menschen begegnen sich -meistens- mit freundlicher Wärme. Musik, sowohl traditionelle als auch poppige, hat einen großen Stellenwert und gibt dem Film eine Seele. Auch bekommen wir einen Eindruck von georgischer Esskultur, queerem Nachtleben und natürlich von der Bedeutung des traditionellen georgischen Tanzes, der übrigens aus dem Militärischen kommt. Die notorische Homophobie des Landes, obwohl für die Handlung nicht unwichtig, kommt vor aber eher am Rande, wie auch der Film seine Menschen liebevoll zeichnet und nicht ausstellt, was ich ihm hoch anrechne!
    spoiler: Merabs Alltag als Tanzeleve ist eine endlose Abfolge von harter Arbeit: er schwitzt sich durch die Proben, kellnert in einem Restaurant für wenig Geld, mit dem er auch seine Familie unterstützt und streitet hin und wieder mit seinem betrunkenen Bruder, der zum Ende hin übrigens eine ganz unerwartete Seite von sich zeigt. Als aber ein neuer männlicher Tänzer eintrifft, der ihm bald Konkurrenz um einen begehrten Platz im Nationalensemble macht, ist er aber trotzdem sofort fasziniert. Dunkelhaarig und mit breiten Schultern spricht der ohrringtragende Irakli so mit dem Lehrer, wie es sonst niemand tut, und folgt seinen eigenen Regeln, was er sich wohl leisten kann, denn er entspricht dem Idealtypus eines männlichen Tänzers in diesem traditionellen Umfeld. Bald aber schon beginnen die beiden jungen Männer sich anzufreunden und trainieren miteinander. Blicke kreuzen sich und es dauert nicht lange, bis ihre Anziehung die Oberhand gewinnt als sie gemeinsam mit Freunden zu einer Party ins Landhaus des Vaters von Merabs Tanzpartnerin Mary und offiziellen Freundin fahren. Sie trinken reichlich Wein und tummeln sich lautstark in dem schäbigen Herrenhaus. Der Zuschauer findet sich dabei in einer unerwarteten romantischen Kulisse wieder. Seiner einstigen Schönheit beraubt, verströmt die Kulisse mit den abblätternden Farben und einem Wintergarten dennoch einen bezaubernden Charme. An diesem Ort kommen sich Merab und Irakli erst langsam und dann doch ganz unerwartet näher, unbeobachtet von den anderen. In einer der schönsten und sexiesten Momente - nicht nur dieses Films - auf der mondbeschienenen Veranda, tanzt Merab in recht provokanter Weise zu Robyn's „Honey“ nur für Irakli und spielt dabei mit einer „Papacha, einer georgischen Fellmütze. Die Szene knistert und strotzt vor Verliebt-Sein und Selbstbewusstsein. Aber wie geht es weiter, wenn sie alle nach dem Wochenende wieder in der Stadt ankommen?

    Der Plot ist eigentlich nicht neu in schwulen Filmen: Zwei Männer treffen sich bei der - eher männlich konnotierten - Arbeit, sind sogar erst Konkurrenten, verlieben sich dann aber und schon tauchen Probleme auf. „Freier Fall“, „Brokeback Mountain“ und God's Own Country“ funktionieren nach demselben Muster. Meistens ist einer der beiden eher unsicher, was das Umgehen mit dem geschlechtlichen Begehren angeht, der andere selbstsicherer. Und die Frage ist, wer sich aus dem gesellschaftlichen Korsett befreien kann und wer nicht.
    Was diesen Film aber besonders macht, ist einmal die Tatsache, dass er in Georgien spielt, es gab heftige Proteste bei der Premiere in Tiflis. Dann aber zweitens, drittens und viertens: Der Hauptdarsteller ist der Hammer, sofortiger Sympathieträger. Zum Verlieben. Er spielt den Merab mit einer entwaffnenden Unverstelltheit. Kleinste Gefühlsnuancen können sein Gesicht und seine Körpersprache vermitteln, wie auch Timothée Chalamet in „Call Me by Your Name“. Kaum zu glauben, denn als Balletttänzer hat er noch nie zuvor eine Schauspielrolle innegehabt. Sein Merab strahlt sowohl männliches Selbstbewusstsein als auch Sanftheit und Verletzlichkeit aus. Mit seiner sexuellen Identität hadert er jedenfalls nicht. Seine Waffe und Sprache sind der Tanz. In der letzten Szene des Films setzt er zum Befreiungsschlag an und definiert den georgischen Tanz neu. Ein neuer Lieblingsfilm von mir. Come, get Your honey!
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