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    Itsy Bitsy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Itsy Bitsy

    Tierhorror, der sich selbst zu ernst nimmt

    Von Thorsten Hanisch

    Erst im Sommer 2019 spendierte Alexander Aja mit seinem Alligatoren-Reißer „Crawl“ dem von Trashfilmen à la „Sharknado“ stark in Mitleidenschaft gezogenen Tierhorrorfilm ein unerwartetes Highlight – auch weil er nicht auf billige Gags setzt, sondern das Geschehen ernst nimmt. Genau diesen Ansatz wählt nun auch Micah Gallo für sein Regie-Debüt „Itsy Bitsy“, in dem der Effektspezialist (u. a. „Hatchet“) wie Aja ebenfalls auf gute Tricks und glaubwürdige Figuren setzt.

    Galloh betont die Ernsthaftigkeit seines Stoffes dabei sogar so sehr, dass der Spinnen-Schocker im Grunde mehr Drama als Horror ist – und genau da stolpert er dann auch. Denn er führt diese beiden Ansätze erst im Finale zu einem großen Ganzen zusammen. Dennoch sollten Fans des Genres allein schon aufgrund der guten Darsteller, einer Reihe (meist) handgemachter, charmanter Effekte und einem Gespür für atmosphärische Bilder noch halbwegs auf ihre Kosten kommen.

    Cooles Retro-Postermotiv Nr. 1!

    Die alleinerziehende Krankenschwester Kara (Elizabeth Roberts) zieht mit ihren Kindern Jesse (Arman Darbo) und Cambria (Chloe Perrin) von New York aufs ruhige Land, da sie dort ein verlockendes Jobangebot bekommen hat: Sie soll den schwer an Multiple Sklerose erkrankten Antiquitätenhändler Walter (Bruce Davison, der es bereits 1971 in „Willard“ mit mörderischen Kleintier zu tun bekam) betreuen. Allerdings beherbergt der alte Mann einige sehr obskure Stücke in seiner Sammlung. Darunter ist ein Gefäß eines mysteriösen uralten Stammes, der einst eine Spinnengöttin verehrte. Es kommt, wie es kommen muss: Das Gefäß geht zu Bruch und hinaus krabbelt eine ziemlich große Spinne …

    ... welche die ersten drei Viertel des Films allerdings nur recht selten zum ekligen Einsatz kommt, denn erzählt wird vor allem davon, wie Kara versucht, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Die junge Frau verlor bei einem schweren Unfall ihren kleinen Sohn und wird nun von entsprechend schweren Schuldgefühlen und einer ebenso schweren Sucht nach verschreibungspflichtigen Opiaten geplagt. Zu allem Überfluss wirft ihr Jesse, der die nicht gerade leichte Aufgabe hat, auf seine Schwester aufzupassen, vor, dass die schwierige Lage der kleinen Familie allein ihre Schuld sei.

    Drama mit Horror-Einschüben

    Die Spinne dient da natürlich als eine Art Metapher für Karas Trauma, das sie „eingewebt“ hat und nicht mehr loslässt. Doch jenseits der Aussagekraft bleibt die Horrorebene völlig isoliert. Immer wieder kommen kurze Schock-Einschübe, die zwar für sich Spannung aufbauen, aber gleich wieder verpuffen. Denn schnell geht es mit der dramatischen Haupthandlung weiter und die Verbindung fehlt auch, weil die Horrorszenen teilweise sogar ganz woanders stattfinden. Es drängt sich fast der Schluss auf, „Itsy Bitsy“ wäre als reines Drama konzipiert worden – bis irgendwann jemand auf die Idee kam, noch einen Horrorteil einzubauen.

    Allerdings funktioniert „Itsy Bitsy“ auch als Drama nicht wirklich. So bleibt vieles, wie etwa die Auseinandersetzungen zwischen Kara und Jesse, schiere Behauptung. Denn der Konflikt ist nicht das Resultat einer Entwicklung, sondern wird einfach in den Raum geworfen. Das emotionale Gewicht wird so einzig und allein durch die gut aufspielende Besetzung vermittelt, die aber ein wenig gegen die Umstände ankämpfen muss. Wenn zwischendurch immer mal wieder eine überdimensionierte Spinne in leicht Stop-Motion-artiger Weise durch die Gegend krabbelt, Menschen beißt und Eier legt, fällt es eben doch nicht ganz so leicht, die dazwischen eingestreuten zwischenmenschlichen Probleme für voll zu nehmen.

    Cooles Retro-Postermotiv Nr. 2!

    Während sich das Drehbuch, das erst im Finale die Fäden dann auch wirklich verknüpft, als zentrale Schwäche entpuppt, vermag die Inszenierung zu überzeugen: „Itsy Bitsy“ dürfte sogar zu den schicksten Tierhorrorfilmen überhaupt gehören. Kameramann Marcos Durian („Reclusion“) hält mit abwechslungsreichen Perspektiven und einer einfallsreichen Lichtsetzung den missglückten Inhalt (für den übrigens gleich drei Autoren verantwortlich waren) am Leben. Hier lässt „Itsy Bitsy“ sogar Alexandre Ajas anfangs erwähnten, ansonsten klar stärkeren „Crawl“ hinter sich.

    Fazit: Gute Darsteller, gelungene Effekte und schicke Bilder, aber die Mischung aus Drama und Horror ist inhaltlich weder Fisch noch Fleisch.

    Wir haben „Itsy Bitsy“ beim 7. Hard:Line - Festival in Regensburg gesehen, wo er seine Deutschlandpremiere feierte.

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