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    The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Mortuary - Jeder Tod hat eine Geschichte

    Horror aus Leidenschaft

    Von Christoph Petersen

    Als Ryan Spindell 2014 eine Kickstarter-Kampagne startete, um Geld für den ersten Teil seines Gothic-Horror-Anthologie-Projekts „The Mortuary Collection“ zu sammeln, versprach er seinen Unterstützern, für nur 50.000 Dollar eine Produktion auf dem Niveau eines Hollywoodstudios auf die Beine zu stellen. Herausgekommen ist dabei der gut 20-minütige Kurzfilm „The Babysitter Murders“, der selbstbewusst den Arbeitstitel von John Carpenters Meisterwerk „Halloween - Die Nacht des Grauens“ trägt und bereits 2015 auf Horror-Festivals rund um den Globus abgefeiert wurde.

    Das Lob gab es übrigens vollkommen zu Recht: Die Geschichte einer Babysitterin, die in einer stürmischen Nacht einen Film mit dem Titel „The Babysitter Murders“ schaut, während um sie herum sehr ähnliche Dinge wie dort auf der Mattscheibe geschehen, ist blutig, spannend und verdammt clever – vor allem der finale Twist hievt den selbstreferenziellen Slasher-Spaß noch mal auf eine völlig neue Ebene. Kein Wunder also, dass Ryan Spindell schon in seiner Kickstarter-Ankündigung schrieb, dass er mit diesem Kurzfilm loslegen wolle, weil es seine Lieblingsepisode sei.

    Der Bestatter Montgomery Dark (Clancy Brown) hat neben seinen Leichen auch eine Menge schaurig-schöner Geschichten auf Lager...

    Mit dieser Visitenkarte kam dann auch das Geld für die übrigen Geschichten aus der titelgebenden Leichenhalle zusammen – und das offensichtlich rege Interesse der Investoren ist ja auch keine Überraschung, schließlich hat Ryan Spindell sein Versprechen mit den hohen Produktionswerten für wenig Geld eingehalten: „The Babysitter Murders“ sieht – wie nun auch alle anderen Teile des fertigen Films – einfach phänomenal gut aus! Egal ob Ausstattung, Kostüme, Make-up oder Effekte – all diese Aspekte übertreffen meilenweit alles, was man von einer solchen Produktion aus Leidenschaft eigentlich erwarten dürfte.

    Doch gut Ding will bekanntlich Weile haben – und so hat es nach der Erstaufführung des Vorab-Kurzfilms auch noch fünf Jahre gedauert, bis „The Mortuary – Jeder Tod hat seine Geschichte“ nach seiner Weltpremiere beim Fantastic Fest nun auch ganz regulär in den deutschen Kinos startet. In der Rahmenhandlung spielt Leinwand-Legende Clancy Brown („Highlander“, „Die Verurteilten“) den blassgesichtigen Bestatter Montgomery Dark, der die junge Bewerberin Sam (Caitlin Custer) durch sein Institut führt und ihr dabei die schaurigen Schicksale einiger seiner „Kunden“ offenbart...

    Die Gefahren des "Stealthing"

    In der ersten Story legt eine Taschendiebin auf einer Party irgendwann in den 1960ern eine Kunstpause im Badezimmer ein – und stößt dort hinter dem Spiegel auf eine Kreatur, die auch aus einer Geschichte von H.P. Lovecraft stammen könnte. Die kurze Episode ist die einzige, die nicht von Beginn an in der Kickstarter-Kampagne aufgeführt war – stattdessen ist sie als Ersatz für die Telefonwerber-Abrechnung „Ring Ring“ hinzukommen. Tatsächlich entpuppt sich die Tentakel-Fabel dann auch als nicht viel mehr als ein ziemlich gutaussehender Appetithappen. Wobei man dem Film dafür kaum böse sein kann: Sam kommentiert die Geschichten des Bestatters nämlich selbst – und merkt direkt wenig begeistert an, dass das doch nun bitte schön noch nicht alles gewesen sein könne...

    Die augenzwinkernde, aber trotzdem ziemlich fiese Sexkrankheits-Fabel „Unprotected“ hat da direkt deutlich mehr zu bieten: Der Verbindungsstudent Jake („The Kissing Booth“-Teenie-Schwarm Jacob Elordi) zieht sich bei einem One-Night-Stand heimlich das von seiner Sexpartnerin verlangte Kondom ab (nennt sich „Stealthing“), was ebenso ekelerregende wie schmerzhafte Folgen für ihn hat. Eine durchaus gelungene „Twilight Zone“-Hommage mitsamt obligatorischer Moral von der Geschicht‘ - und einem herrlich bösen Schlussbild als Warnung!

    Schwerelos im Fahrstuhl - so geht Romantik im Gothic-Horror-Genre!

    Das zweite echte Highlight neben „The Babysitter Murders“ ist aber „Till Death“, in dem sich Ralph (James Bachman) entscheiden muss, ob er seine sterbenskranke Ehefrau (Jennifer Irwin) wirklich bis zu ihrem Tod pflegen will, selbst wenn er bis dahin in den sich zunehmend aufstapelnden Schulden ertrunken ist. Es dauert zwar etwas, bis die Episode so richtig in Gang kommt – aber so was wie Langeweile kommt hier zum Glück nie auf:

    Denn selbst wenn die Spannungskurve in „The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte“ gerade mal nicht nach oben zeigt, kann man eben in so gut wie jeder Szene einfach ausgiebig in der wunderbaren Ausstattung schwelgen – und dann endet „Till Death“ auch noch mit einer solch tragisch-schönen, berührend-horrorhaften Schwerelos-im-Fahrstuhl-Sequenz, dass sie selbst dem amtierenden Gothic-Horror-Champ Guillermo del Toro („Crimson Peak“) alle Ehre machen würde.

    Fazit: Eine leidenschaftliche Liebeserklärung an das Horrorkino, deren ersten Episoden vor allem mit ihrer herausragenden Ausstattung begeistern, bis die Anthologie mit der stärksten Episode „The Babysitter Murders“ zum Abschluss noch mal ein paar Gänge hochschaltet.

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