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    Die Täuschung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Täuschung

    Der wohl größte Spionage-Coup des Zweiten Weltkriegs

    Von Christoph Petersen

    Man platziere einfach eine Leiche mit gefälschten Dokumenten – und wenn der Feind sie findet, dann wird er schon glauben, dass er nur durch einen glücklichen Zufall auf die vermeintlich strenggeheimen Papiere gestoßen ist! Das ist die Kurzzusammenfassung der Operation Mincemeat, mit der dem britischen Geheimdienst im Zweiten Weltkrieg einer der bedeutendsten Schläge gegen Nazideutschland gelungen ist. Klingt doch eigentlich ganz simpel ...

    ... ist es aber natürlich nicht. Es ist die wohl größte Stärke des Spionage-Dramas „Die Täuschung“, dem Publikum ein ungefähres Gefühl davon zu vermitteln, auf wie unfassbar viele Details man achten muss, um die ohnehin schon bescheidenen Erfolgsaussichten einer solchen Aktion nicht noch weiter zu schmälern. Darüber hinaus präsentiert „Shakespeare In Love“-Regisseur John Madden aber auch noch ein klischeetriefendes Liebesdreieck – und die Inszenierung hätte auch ruhig ein bisschen weniger geleckt ausfallen dürfen.

    Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen) und Ewen Montagu (Colin Firth) arbeiten gemeinsam am größten Spionage-Coup der britischen Geschichte – und streiten sich im selben Moment um dieselbe Frau...

    1943 wollen die Alliierten – beginnend in Italien – das europäische Festland von den Nazis zurückerobern. Der Startpunkt soll Sizilien sein. Aber um dort mit den eigenen Truppen erfolgreich anlanden zu können, wäre es mehr als hilfreich, wenn die Deutschen vorher einen Großteil ihrer dort stationierten Einheiten verlegen würden. Sprich: Man müsste den deutschen Generälen irgendwie weismachen, dass der Angriff der Alliierten nicht in Sizilien, sondern etwa auf dem Peloponnes und auf Sardinien kurz bevorsteht.

    Der Flight Lieutenant Charles Cholmondeley (Matthew Macfadyen, „Succession“) hat dazu auch schon eine Idee: Man müsste einen Toten mit falschen Kriegsplänen, die auf eine Invasion weit weg von Sizilien hindeuten, über Frankreich abwerfen – und wenn die Deutschen dann die Leiche finden, würden sie glauben, nur durch Zufall in Besitz der Papiere gekommen zu sein. Doch der Vorschlag wird zunächst abgelehnt. Bis sich der Navy-Geheimdienst-Offizier Ewen Montagu (Colin Firth, „The King’s Speech“) und sein Team einige Monate später doch noch an die Umsetzung machen...

    Der Teufel steckt im Detail

    „Die Täuschung“ entwickelt vor allem immer dann eine besondere Faszination, wenn es um die ganz praktischen Herausforderungen des Plans geht: Wo kriegt man einen Toten her, bei dem nicht jeder Pathologe sofort merkt, dass er nicht an dem Sturz aus dem Flugzeug, sondern an etwas ganz anderem gestorben ist? Und wenn man dann einen Kandidaten gefunden hat, wie hält man ihn so lange „frisch“, bis die Zeit für den Einsatz gekommen ist? Wie stellt man darüber hinaus sicher, dass die Tinte im Wasser nicht so sehr verwischt, dass die Deutschen die Papiere später womöglich gar nicht mehr lesen können? Aber damit kommt auch direkt das nächste Problem: Wie stellt man dann wiederum sicher, dass niemand merkt, dass irgendeine Form von Spezialtinte verwendet wurde?

    Die Idee von untergeschobenen falschen Plänen war ja schon 1943 alles andere als neu – da musste wirklich alles stimmen, um keinen Verdacht zu erregen. Und selbst wenn an alles gedacht wurde, gibt es noch so viele unvorhergesehene Dinge, die dazwischenkommen können – und genau die sorgen in der zweiten Hälfte von „Die Täuschung“ immer wieder für Momente, in denen nicht nur Ewen Montagu und sein Team vor dem Telegrafen in einem kargen Keller irgendwo in London die Luft anhalten, sondern mit ihnen gemeinsam auch das Publikum. John Madden kreiert eine ganze Reihe wirklich spannender Momente ...

    Erst Jahrzehnte später kam heraus, welcher Toter hinter dem fiktiven Captain William Martin wirklich steckt.

    ... und gerade deshalb fragt man sich, warum er sich nicht noch stärker auf die Mission an sich konzentriert hat! Denn auf die übrigen Elemente hätte man allesamt gerne verzichten dürfen: Der von Ian Fleming (Johnny Flynn) beigetragene Off-Kommentar (ja, der Bond-Erfinder war damals tatsächlich dabei) ist voll von pathetischem Kriegskitsch – und die persönlichen Hintergrundgeschichten der übrigen Beteiligten (Ewen Montagu hat einen kommunistischen, Charles Cholmondeley einen im Krieg getöteten Bruder) fallen im Vergleich zum eigentlichen Spionage-Plot ebenfalls deutlich ab.

    Besonders überflüssig ist aber die Dreiecks-Liebegeschichte zwischen den beiden Geheimdienstlern (der eine verheiratet, der andere schüchtern) und der MI5- Sekretärin Jean Leslie (Kelly Macdonald, „Boardwalk Empire“), deren Foto zudem verwendet wird, um der auf den Namen Captain William Martin getauften Leiche auch noch eine fiktive Liebesgeschichte anzudichten. Da kann man nur von Glück sprechen, dass die hochkarätigen Stars (mit Colin Firth und Matthew Macfadyen treffen hier immerhin zwei ehemalige Mr. Darcys aufeinander) noch einiges rausreißen. Trotzdem wirkt „Die Täuschung“, wenn er von der eigentlichen Spionage-Operation wegschwenkt, häufig ganz schön altbacken.

    Fazit: Ein geschmackvolles Spionage-Drama mit drei stark aufspielenden Stars – wobei die Beschreibung „geschmackvoll“ hier gleichermaßen als Lob und Tadel zu verstehen ist.

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