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    Bis zum Untergang
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bis zum Untergang

    Spannend-brutaler Survival-Action auf Netflix

    Von Lutz Granert

    Abseits fragwürdiger Hamsterkäufe von Klopapier, Mehl und Nudeln kann es nie schaden, Vorräte anzulegen, um bei einem Zusammenbruch der Grundversorgung einige Tage ohne Einkauf im Supermarkt über die Runden zu kommen. Sogenannte Prepper gehen jedoch noch den einen oder anderen Schritt weiter: Neben einer autarken Selbstversorgung horten sie große Mengen an lange haltbaren Lebensmitteln und rüsten sich neben allerlei Energieträgern häufig auch mit einem umfangreichen Waffenarsenal für den Katastrophenfall.

    Denn für viele dieser Prepper steht fest: Man muss auf die Katastrophe vorbereitet sein, denn kommen wird sie auf jeden Fall! Die Frage ist nur: Wann? Dank der Corona-Epidemie hat die Realität die erste frankokanadische Netflix-Produktion „Bis zum Untergang“ inzwischen ein Stück weit eingeholt. Trotzdem nimmt der Survival-Thriller von Spielfilmdebütant Patrice Laliberté nach einer etwas zu lang geratenen Exposition spürbar an Fahrt auf – und bleibt dann bis zum Ende richtig schön spannend!

    Zunächst sind die Paranoiker noch auf einer Wellenlänge ...

    Um das Überleben seiner Familie im Katastrophenfall sicherstellen zu können, hat sich der naive Antoine (Guillaume Laurin) für ein Survival-Training beim Selbstversorger Alain (Réal Bossé) angemeldet. Neben Antoine nehmen noch fünf weitere Prepper an dem mehrtägigen Kurs teil, die von Alain mit seinem Schneemobil einzeln mit verbunden Augen auf seine abgelegene Farm in den Wäldern Nord-Québecs gebracht werden. Unter ihnen der passionierte Jäger Francois (Marc-André Grondin), der militante David (Marc Beaupré) und die nahkampferprobte Rachel (Marie-Evelyne Lessard).

    Neben der Arbeit mit Nutzpflanzen im eigenen Gewächshaus, Lauf- und Schießtraining steht auch die Herstellung von Bomben auf dem Plan. Als Francois dabei schwer verletzt wird, will Alain die Rettungskräfte nicht alarmieren, da er fürchtet, verhaftet zu werden. Der aufkommende Streit eskaliert, Antoine und Rachel gelingt die Flucht. David und Alain heften sich an ihre Fersen und wollen um jeden Preis verhindern, dass die beiden den Weg zurück in die Zivilisation finden...

    Paranoiker bei der Gartenarbeit

    Regiedebütant und Co-Autor Patrice Laliberté verwendet in „Bis zum Untergang“ zunächst sehr viel Zeit darauf, ein authentisches Bedrohungsszenario aufzubauen. Im Autoradio von Antoine laufen Nachrichten rund um prognostizierte Ströme von Klimaflüchtlingen, die auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen auch an den Landesgrenzen Kanadas um Einlass begehren und es auf den eigenen Besitz abgesehen haben, den es nun zu verteidigen gilt.

    Gerade wenn die bunt zusammengewürfelte Truppe aus Überlebenskünstlern, Paranoikern und Verschwörungstheoretikern wild zu diffusen Bedrohungen durch Fremde herumfantasiert, bei Raufereien und Bier scherzt oder sich beim Abendessen Tipps zur Herstellung von haltbaren Mangold-Gurken gibt, kommt fast schon der Eindruck eines schrägen Feriencamps auf. Der Zuschauer wähnt sich bei diesem sich wiederholenden, vielleicht sogar etwas öden Tagesablauf im Survival-Camp bereits in Sicherheit...

    ... aber das ändert sich nach einem Unfall beim Bombenbau explosionsartig!

    … bis Laliberté etwa in der Mitte des Films die Spannungsschraube ordentlich anzieht und zu einer atemlosen Hetzjagd ansetzt, die aber trotzdem dem zuvor etablierten Realismus-Konzept treubleibt: Gefilmt wurde an Originalschauplätzen in den schneebedeckten Wäldern der kanadischen Provinz Québec, auf Filmmusik wurde weitgehend verzichtet, was die dominierende, erwartungsvolle Stille in den Wäldern nur noch beklemmender macht. Glücklicherweise werden tierische Begegnungen á la „The Grey – Unter Wölfen“ auch ausgespart: „Bis zum Untergang“ setzt von Einbrüchen in vereiste Seen über Schusswechsel vor der beeindruckenden Naturkulisse bis hin zu blutig-brutalen Nahkämpfen stets auf altmodisches Filmhandwerk und lässt CGI-Effekte weitestgehend außen vor, die mit dem geringen Budget des Survival-Thrillers ohnehin sehr wahrscheinlich in die Hose gegangen wären.

    Auch die Gradlinigkeit des Plots überzeugt – und das nicht nur wegen einer ordentlichen Portion Gesellschaftskritik, die mit der Prepper-Subkultur um ihre Weltuntergangs-Paranoia abrechnet. Im finalen Viertel lauert auch noch eine handfeste Wendung, die selbst eingefleischte Genrefans so definitiv nicht auf den Zettelt haben dürften – da ist uns für kurze Zeit tatsächlich der Mund offenstehen geblieben.

    Fazit: „Bis zum Untergang“ mausert sich nach einem etwas zähen Beginn zu einem packenden Survival-Trip vor beeindruckender Naturkulisse, der Klopapier-Hamsterkäufern ordentlich den Stinkefinger zeigt.

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