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    Violent Night
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Violent Night

    Die Unartigen erschlägt der Weihnachtsmann mit seinem Hammer

    Von Christoph Petersen

    Stirb langsam“ und „Kevin – Allein zu Haus“ sind die zwei Weihnachts-Klassiker, die von den Protagonist*innen des blutgetränkten Festtags-Actioners „Violent Night“ selbst ins Spiel gebracht werden. Nun ist es wenig überraschend, dass Regisseur Tommy Wirkola („Hänsel und Gretel: Hexenjäger“) trotz bis zum absoluten Maximum ausgereizter FSK-16-Freigabe und einem grandios-mürrischen David Harbour („Stranger Things“) weder mit John McTiernan in Sachen Spannung noch mit Chris Columbus in Sachen Comedy so recht mithalten kann.

    Stattdessen setzt der norwegische Splatter-Spezialist wie schon in seinen früheren Gore-Komödien wie „Dead Snow“ oder „Dead Snow 2: Red Vs. Dead“ vor allem auf möglichst krasse Derbheiten, um über die offensichtlichen Schwächen im Drehbuch und der bei der Inszenierung hinwegzutrösten – und das gelingt ihm auch an diesem Heiligen Abend immer dann besonders gut, wenn die roten, gelben oder manchmal auch kotzbraunen Körperflüssigkeiten gerade besonders reichlich fließen. Es könnte alles so einfach sein, wenn „Violent Night“ nicht vieles noch unnötig verkomplizieren und damit über Gebühr in die Länge ziehen würde.

    Nur echt mit Vorschlaghammer: Dieser Santa Claus (David Harbour) weiß sich sehr wohl zu wehren, wenn er zufällig in eine großangelegte Geiselnahme hineingerät.

    Santa Claus (David Harbour) hat keinen Bock mehr. Statt sich über ein Geschenk zu freuen, wollen die Kinder immer nur direkt das nächste haben – als wären sie gierige kleine Junkies. Da ist es doch kein Wunder, dass der Weihnachtsmann seinen Job nur noch im Suff ertragen kann – und so fliegt er mit seinem rentiergezogenen Schlitten nicht nur von Kamin zu Kamin, er pisst und kotzt auch volltrunken herunter auf die Menschen dort unten. Währenddessen ist Jason Lightstone (Alex Hassell) mit seiner in Scheidung lebenden Noch-Ehefrau Linda (Alexis Louder) sowie der gemeinsamen Tochter Trudy (Leah Brady) zu Gast bei seiner Mutter, der Hunderte Millionen schweren Patriarchin Gertrude Lightstone (Beverly D'Angelo).

    Dummerweise haben sich der Gangster Scrooge (John Leguizamo) und seine bestens ausgebildete Söldner*innen-Truppe ausgerechnet den Heiligen Abend ausgesucht, um das Anwesen zu stürmen und 300 Millionen Dollar aus dem Tresor im Keller zu stehlen. Nachdem das (Sicherheits-)Personal erst einmal exekutiert ist, scheint es für die Familie keine Hoffnung mehr zu geben. Schließlich ahnen sie nicht, dass sich ein Stockwerk weiter oben gerade Santa Claus höchstpersönlich am wertvollen Jahrgangs-Brandy-Vorrat vergreift…

    Der letzte Kill ist der beste!

    Es ist ein waschechtes Weihnachtswunder, als die besorgte Barfrau ihrem sturzbetrunkenen Gast aufs Dach der Kneipe folgt und ihn dort gerade noch mit seinem Rentierschlitten davonfliegen sieht. Nur dass der promillesammelnde Santa Claus ihr zum Abschied noch direkt auf den Kopf kotzt, so richtig schön mit Stückchen drin, das ist man aus anderen Weihnachtsfilmen dann doch eher nicht so gewöhnt. Tommy Wirkola blendet in „Violent Night“ zwar häufiger als früher im letzten Moment weg, wenn der Weihnachtsmann mit seinem Vorschlaghammer hantiert (und bei dem Söldner mit einer entsicherten Handgranate in seiner Hose fliegen auch erstaunlich wenige Eingeweide durch die Gegend). Aber ansonsten macht der Norweger auch diesmal wieder keine Gefangenen: Es wird geflucht, gesoffen und gekillt, als gäbe es nach dem Heiligen Abend keinen Weihnachtsmorgen mehr.

    Gerade zu Beginn, wenn sich Santa Claus noch einen Widersacher nach dem anderen vorknöpft, gibt es dabei noch einige stark choreographierte Actionszenen. Vor allem in einer, die mit einem Weihnachtsstern im Auge endet, gelingt es Wirkola besonders gut, immer noch einen draufzusetzen, bis auch der Letzte im Kinosaal beherzt mitlacht. Auch die etwa fünfminütige Sequenz, in der Trudy ihrem erklärten Vorbild nacheifert, dabei die Nägel und Bowlingkugeln allerdings sehr viel weniger jugendtauglich als in „Kevin – Allein zu Haus“ einsetzt, ist ganz wunderbar eskalierend geraten. Und dann ist da noch der allerletzte Kill, eine nicht weniger als brillante Kamin-Idee, die sicherlich ganz weit vorne im Wettkampf um die kreativste Todesart des Kinojahres mitmischen dürfte.

    Gangsterboss Scrooge (John Leguizamo) hasst Weihnachten – und den Weihnachtsmann noch viel mehr!

    … und trotzdem zieht sich „Violent Night“ mitunter auch ganz schön hin. Die Familiengeschichte mäandert zwischen dem üblichen Festtags-Versöhnungs-Krams und einer satirischen Abrechnung mit der Gier der Superreichen, die aber schlicht nicht garstig genug ist und sich stattdessen mit Der-Teenager-Sohn-dreht-andauernd-Videos-für-Instagram-Pointen begnügt. Auch der Plan von Weihnachtshasser Scrooge nimmt unnötig viel Platz ein, zumal er sowieso keinen rechten Sinn ergibt (300 Millionen Dollar passen hier in ein Dutzend Sporttaschen). Und wenn die Söldner Santa Claus ein paar Mal aus 100 Metern mit ihren Sturmgewehren verfehlt haben, dann lassen sie ihn sich auch einfach davonschleppen und wieder zu Luft kommen, statt ihm direkt nachzusetzen und ein für alle Mal den Garaus zu machen.

    Dafür, dass das ganze Anwesen mit Videokameras überwacht ist und Scrooge nun nicht gerade wenige Leute befehligt, gibt es erstaunlich viele Szenen, in denen der schwer angeschlagene Santa Claus mit der Welt hadert und seine Wunden leckt. Das mag im 34-stöckigen Nakatomi Plaza aus „Stirb langsam“ stimmig erscheinen, aber doch nicht in so einem vergleichsweise kleinen Haus. Wobei das mit der Logik gar nicht das Problem ist – vielmehr bremsen diese Szenen den Film immer wieder unnötig aus, bis er erst in den finalen 15 Minuten endlich mal das Pedal volle Kanne durchdrückt, ohne gleich wieder vom Gas zu gehen.

    Fazit: „Violent Night“ liefert in seinen besonders drastischen Momenten, wenn extra viel Blut oder Kotze spritzt, richtig gut ab. Aber drumherum hat sich die splattrige Action-Komödie allzu viel Festtagsspeck angefressen. In dem aufgeblasenen 112-Minüter steckt mit Sicherheit ein knackig-unterhaltsamer 80-Minüter – so aber gibt es zwischen den mitunter krass-kreativen (Gewalt-)Spitzen immer wieder unnötigen Leerlauf.

     

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