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    Zack Snyder's Justice League
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Zack Snyder's Justice League

    Hat sich das lange Warten auf den Snyder-Cut gelohnt?

    Von Julius Vietzen

    Nach dem Kinostart von „Justice League“ im November 2017, bei dem der von „Avengers“-Regisseur Joss Whedon fertiggestellte DCEU-Blockbuster sowohl künstlerisch wie finanziell enttäuschte, folgte eine in der Filmgeschichte beispiellose Kampagne der Fans: Sie forderten die Veröffentlichung der Version von Regisseur Zack Snyder („Batman v Superman“), der nach den Dreharbeiten, aber noch vor der Hochphase der Postproduktion aus schwerwiegenden persönlichen Gründen aus dem Projekt ausgestiegen war. Auch Snyder selbst befeuerte die Kampagne immer wieder mit in den sozialen Medien gestreuten Infohäppchen zu seiner Vision, von der lange Zeit gar nicht klar war, ob sie sich mit dem vorhandenen Material überhaupt umsetzen ließe. Aber im Mai 2020, als kaum noch jemand ernsthaft daran geglaubt hat, hieß es dann plötzlich: Der Snyder-Cut kommt tatsächlich!

    Die Erwartungen an „Zack Snyder's Justice League“, der wohl auch deshalb grünes Licht bekommen hat, weil die Warner-Verantwortlichen in den USA händeringend nach hochkarätigen Titeln für ihren hauseigenen Streaming-Service HBO Max gesucht haben, sind nach dieser langen Wartezeit natürlich riesig. Aber wer sich jetzt einen komplett anderen Film erhofft, dürfte enttäuscht werden: Was den reinen Plot angeht, stimmen die beiden Fassungen größtenteils überein – nur ist der Synder-Cut mit vier Stunden mal eben doppelt so lang. Die größten Unterschiede gibt es deshalb vor allem auf der erzählerischen Ebene: Zack Snyder nutzt die (zu) lange Laufzeit, um seine Heldentruppe sowie den zentralen Bösewicht Steppenwolf besser auszuarbeiten. „Zack Snyder's Justice League“ ist deshalb nicht nur runder, sondern trotz des teilweise sehr behäbigen Erzähltempos auch mitreißender als die Kinofassung.

    Steppenwolf hat im Snyder-Cut einen komplett neuen - und sehr viel eindrucksvolleren - Look!

    Superman (Henry Cavill) ist bereits am Ende von „Batman V Superman“ ums Leben gekommen. Doch mit seinem Todesschrei sorgt der Kryptonier zugleich dafür, dass die drei sogenannten Mutterboxen, mächtige außerirdische Artefakte, die einst auf der Erde zurückgelassen wurden, wieder aktiviert werden. Das wiederrum ruft den außerirdischen Eroberer Darkseid (Ray Porter) und seinen Handlanger Steppenwolf (Ciarán Hinds) auf den Plan. Nach dem Ausscheiden von Superman scheint es schließlich niemanden mehr auf der Erde zu geben, der sich Steppenwolf und seinen geflügelten Paradämonen in den Weg stellen könnte.

    Doch Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman (Gal Gadot) arbeiten bereits daran, ein Team zusammenzustellen, um die vermeintlich übermächtigen Angreifer doch noch zu stoppen: Barry Allen alias The Flash (Ezra Miller) ist superschnell, der eigenbrötlerische Arthur Curry alias Aquaman (Jason Momoa) beherrscht das Meer und Victor Stone alias Cyborg (Ray Fisher) kann jede Art von Technik kontrollieren. Allerdings bringt Steppenwolf schnell zwei der Mutterboxen in seinen Besitz und ein erster Zusammenstoß zeigt: Selbst alle fünf Mitglieder der neugegründeten Justice League zusammen können ihn wohl kaum aufhalten...

    Erst zu kurz, jetzt zu lang

    Bei „Justice League“ gab der damalige Warner-Chef Kevin Tsujihara die Vorgabe raus, dass der Film nicht länger als zwei Stunden dauern darf. „Zack Snyder's Justice League“ basiert hingegen auf einer rund vierstündigen Rohfassung des Films, die Snyder nun mit einem Budget von 70 Millionen Dollar fertigstellen und dabei sogar um einige wenige komplett neu gedrehte Szenen ergänzen durfte. Die ideale Laufzeit für einen „Justice League“-Film hätte aber wahrscheinlich zwischen diesen beiden Extremen gelegen.

    Denn während Ersatzregisseur Joss Whedon in der Kinofassung ganz schön viel Stoff in ziemlich wenig Zeit unterbringen musste, ist dem Snyder-Cut häufig anzumerken, dass er auf einer Arbeitsfassung basiert, die zwar durch das Hinzufügen von Effekten und Musik fertiggestellt, aber nicht noch einmal dramaturgisch überarbeitet und im Schnitt gestrafft wurde. Zack Snyder durfte eben machen, was er wollte – und dass solche Freiheit nicht nur positive Effekte hat, sieht man regelmäßig bei den Netflix-Originals, denen der Ruf anhängt, dass sie eigentlich durch die Bank eine halbe Stunde zu lang sind.

    Cyborg (Ray Fisher) ist der große Gewinner des neuen Cuts - endlich erhält die Figur die verdiente Tiefe!

    Ein recht triviales, aber charakteristisches Beispiel: Als die Justice League zur ersten Konfrontation mit Steppenwolf eintrifft, zeigt Snyder einige Sekunden lang, wie Batman, Wonder Woman & Co. ein wenig aufregendes Treppenhaus hochlaufen, statt wie in der Kinofassung direkt zu der Einstellung zu schneiden, die zeigt, wie sie in der obersten Etage ankommen. Ein solcher, erzählerisch völlig überflüssiger Schnipsel wäre unter anderen Umständen fraglos direkt auf dem Boden des Schneideraums gelandet.

    Wenn Wonder Woman von einem früheren Angriff der außerirdischen Eroberer berichtet, gerät diese Rückblende wesentlich beeindruckender als in der Kinofassung: Snyder nimmt sich die Zeit, ausführlich zu zeigen, mit was für einem unfassbaren Aufwand Menschen, Amazonen, Atlanter, eine Green Lantern sowie die Götter Artemis, Zeus und Ares den Oberschurken Darkseid mit Hilfe von Pfeilen, Axthieben und Blitzen in die Knie zwingen. (In der Kinofassung war an dieser Stelle übrigens noch Steppenwolf statt Darkseid zu sehen.) Das anschließende Verstecken der Mutterboxen gerät im Synder-Cut dann allerdings derart behäbig, dass die Rückblende auf der Zielgeraden doch noch ihren ganzen Schwung verliert.

    Die positiven Seiten überwiegen

    Solche Momente gibt es gerade in der ersten Hälfte immer wieder – und weil Snyder zu Beginn auch noch sehr häufig zwischen verschiedenen Handlungssträngen und Figuren hin und her springt, braucht sein „Justice League“ eine gute Stunde, um langsam in Fahrt zu kommen. So überzeugt der Snyder-Cut zu Beginn vor allem immer dann, wenn die Figuren kleine Heldentaten vollbringen – so wie Wonder Woman, die nach einem vereitelten Terroranschlag auch noch Zeit für ein paar aufmunternde Worte an ein junges Mädchen findet, oder Cyborg, der mit seinen neu entdeckten Fähigkeiten einer alleinerziehenden Mutter hilft. Zwei frühe emotionale Höhepunkte, die in der Kinofassung noch fehlten.

    Die lange Laufzeit ist also Fluch und Segen zugleich – wobei die positiven Seiten insgesamt aber überwiegen. Schließlich gelingt es Zack Snyder, zwei der zentralen Kritikpunkte an der Kinofassung zu beheben: Steppenwolf, der sich auch im Snyder-Cut als Hauptwidersacher der Justice League in den Weg stellt, während sein Boss Darkseid nur im Hintergrund agiert, ist zwar immer noch kein zweiter Thanos. Aber er sieht mit seiner aus zahllosen beweglichen Stacheln bestehenden Rüstung sowie seinen siebenfingrigen Händen zumindest wesentlich weniger austauschbar aus als noch in der Fassung von 2017.

    In der Kinofassung fehlte er noch: Darkside tritt im Snyder-Cut endlich auch persönlich auf!

    Steppenwolf strahlt aber auch über seinen neuen Look hinaus eine viel greifbarere Bedrohung aus, weil Snyder starke Bilder für seine teuflische Macht findet: Wenn der Schurke etwa am Anfang des Films Themyscira angreift, können ihn auch 20 Amazonen nicht aufhalten, obwohl sie sich mit aller Kraft an ihm festklammern. Außerdem arbeitet Snyder Steppenwolfs Motivation besser heraus: Dieser ist nämlich auch deswegen so verzweifelt hinter den Mutterboxen her, weil er sich damit die Vergebung von Darkseid erkaufen möchte, den er einst verraten hat.

    Auf der Seite der Helden ist Cyborg der größte Gewinner der neuen Fassung: Joss Whedon nutzt die Figur in der Kinofassung noch als eine Art Schweizer Taschenmesser – er kam also vor allem dann zum Einsatz, wenn seine technischen Fähigkeiten gerade gebraucht wurden. Snyder nimmt sich hingegen die Zeit, die ganze Tragik der Figur Victor Stone herauszuarbeiten. So sehen wir nicht nur in Rückblenden, wie Victor bei einem Autounfall seine Mutter und seinen menschlichen Körper verlor, Snyder rückt das Ringen mit seinem neuen Dasein als Cyborg auch anschließend immer wieder in den Fokus. Seinen Höhepunkt findet dieser Handlungsstrang schließlich in einer besonders berührenden Szene, über die wir an dieser Stelle aber nicht zu viel verraten wollen.

    Mehr Zeit = Mehr Tiefe

    Auch die anderen Justice-League-Mitglieder bekommen deutlich mehr Leinwandzeit und werden nicht wie in der Kinofassung allesamt von Batman in den Schatten gestellt. So dürfen auch Aquaman und The Flash mehr beitragen, als nur ab und zu mal einen Witz zu reißen und so die Handlung etwas aufzulockern. Allerdings: Wenn Aquaman und Wonder Woman über ein gemeinsames Sprichwort der eigentlich verfeindeten Atlanter und Amazonen näher zusammenwachsen, ist das zwar eine schöne Szene. Noch besser wäre sie aber gewesen, wenn der Konflikt zwischen Atlantern und Amazonen nicht nur behauptet würde, sondern irgendwann im DCEU schon mal eine Rolle gespielt hätte – ein Problem, das dem überhasteten Aufbau und der zunehmenden Fragmentierung des DC-Universums geschuldet ist und auch in der 4-Stunden-Fassung von „Justice League“ nicht komplett aufgefangen werden kann.

    Neben den erzählerischen Verbesserungen tragen auch die Bilder und die komplett neu komponierte Filmmusik von Tom Holkenborg alias Junkie XL dazu bei, dass manche Szenen in „Zack Snyder's Justice League“ sehr anders wirken. Das für einen Comic-Blockbuster extrem ungewöhnliche 4:3-Bildformat sorgt selbst auf dem heimischen Fernseher für einen Hauch von IMAX, während die Musik, die düsteren Farben, die Reduzierung auflockernder Oneliner sowie der deutlich erhöhte Gewaltgrad (in den USA gab es sogar eine Erwachsenenfreigabe) dafür sorgen, dass die entsprechenden Szenen – wie etwa der von Wonder Woman vereitelte Terroranschlag – tatsächlich sehr viel bedrohlicher wirken.

    Fazit: „Zack Snyder's Justice League“ ist klar besser als die Kinofassung, rechtfertigt die ausladende Laufzeit von vier Stunden aber trotzdem nur bedingt.

    „Zack Snyder's Justice League“ ist in Deutschland ab dem 18. März 2021 auf Sky und Sky Ticket zu sehen.

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