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    Claire - Sich erinnern an die schönen Dinge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Claire - Sich erinnern an die schönen Dinge
    Von Martina Moeller

    Zabou Breitmanns Regiedebüt erzählt behutsam und einfühlsam die Geschichte der jungen Frau, Claire (Isabelle Carré), die mit kaum 32 Jahren plötzlich immer vergesslicher wird. Sie fühlt sich an die Symtome ihrer an Alzheimer verstorbenen Mutter erinnert. Weniger eindeutig sieht ihre ältere Schwester Nathalie (Anne Le Ny) das Ganze, sie schiebt die plötzliche Vergesslichkeit auf den Blitzeinschlag während eines Waldspaziergangs. So ähnlich wie Nathalie ergeht es auch dem Zuschauer am Anfang des Films: Angesichts der hübschen, jungen Claire will man es nicht glauben, dass sie an einer Krankheit leidet, die normalerweise mit alten Menschen assoziiert wird. Jedoch die Handlung schreitet fort und entwickelt neben den zarten Anzeichen des Vergessens eine anrührende Liebesgeschichte zwischen Claire und Philipp (Bernard Campan), einem anderen Patienten der Spezialklinik, in der Claire behandelt wird. Trotz größter Liebe und gegenseitiger Fürsorglichkeit, die Claire und Philipp einander entgegenbringen, kann Claires gesundheitliche Verschlechterung nicht aufgehalten werden. Philipp hingegen hat sein Gedächtnis durch einen Schock verloren und muss langsam und schmerzhaft die Rückkehr seiner Erinnerung erleben, währenddessen Claire immer mehr in die Umnachtung versinkt.

    Diese Gegenüberstellung der unterschiedlichen Krankheitsverläufe stellt beiläufig in Form eines philosophischen Subtextes die Frage: Was Erinnerung ist und ob sie immer als wünschenswert erachtet werden kann? Andererseits wird an Claire deutlich wie überlebenswichtig Erinnern ist, denn mehr und mehr verliert sie die Orientierung im Alltag und kann sich nur noch mit Hilfsmitteln wie Zetteln, Weckern und Tonband im Leben zurechtfinden - bis sie sogar deren Sinn vergisst.

    Auch wenn man die auffällig-aktuelle Anhäufung von Filmen, die sich mit Krankheit - das heißt, vorlieb mit tabuisierten Krankheiten beschäftigen - wie „A Beautiful Mind", „Elling" und „Wahnsinnig verliebt“ um nur einige zu nennen, kritisiert und bemerkt, dass hier aus dem Leiden mancher Menschen Gewinn geschlagen wird, so muss man Breitmanns Film zugute halten, dass es ihr gelungen ist, sowohl die Atomsphäre der Spezialklinik und die Tragik der Figuren lebensnah und ohne Pathos oder Moralisierung einzufangen. Interessant ist auch das Spiel der Perspektivenverschiebung, welches die Frage nach der Definition von „Normalität“ und „Krankheit“ aufwirft; denn auch der Kliniksleiter ist über eine gewisse Vergesslichkeit nicht erhaben.

    Meisterlich präzisiert Isabelle Carré (Claire) die Details des allmählichen Zerfalls: die zunehmende Unfähigkeit richtig zu kommunizieren, das Zucken des Kopfes (ein typisches Alzheimersymtom) und der allmähliche Verlust des Bewusstseins für die Realität. Aber auch Philipp und die anderen Akteure stehen dieser Leistung um nichts nach. Die Authentizität der Figuren bleibt gewahrt und versinkt niemals ins Klischee; nur die Filmmusik melodramatisiert an manchen Stellen die Handlung zu stark. Dies ist aber ein kleiner Makel, der durch die stimmige Gesamtkomposition des Films kaum ins Gewicht fällt. „Claire - se souvenir des belles choses“ ist ein bewegender, aber niemals betroffener oder kitschiger Film, der Menschen zeigt, die trotz schicksalhafter Veränderungen sich ihr Anrecht auf das kleine Glück der unverhofften Augenblicken nicht nehmen lassen: Also das, woran man sie gerne erinnert. Zabou Breitmann selbst hat das in einfache Worte gefasst: “Eine Liebesgeschichte, die von der Dringlichkeit des Glücks handelt!“

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