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    Forever Young
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Forever Young

    Eine wilde Jugend an der Schauspielschule

    Von Teresa Vena

    Valeria Bruni Tedeschi hat sich seit den Achtzigern als versierte Charakterdarstellerin in einer Vielzahl prestigeträchtiger französischsprachiger und italienischer Produktionen etabliert. Sie arbeitete in dieser Zeit mit gefeierten Regisseur*innen wie François Ozon („5x2 – Fünf mal zwei“), Bruno Dumont („Die feine Gesellschaft“), Claire Denis („Meine schöne innere Sonne“), Paolo Virzì („Die süße Gier“) oder zuletzt mit Ursula Meier („Die Linie“). Besetzt wird sie dabei meist in der Rolle der lebensfrohen, mitteilsamen Exzentrikerin. Darin geht sie zweifelsohne auf, auch wenn sie erst kürzlich in der herausragenden Tragikomödie „Cette Musique Ne Joue Pour Personne“, in der sie als einer Depression verfallenen Frau kein einziges Wort spricht, noch mal eine ganz andere Seite von sich zeigte.

    Doch Bruni Tedeschi ist nicht nur Schauspielerin, sie hat auch schon sieben Filme als Regisseurin gedreht, in denen sie fast immer, beginnend mit ihrem Debüt „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr“, auf die eine oder andere Weise Autobiographisches verarbeitet. Besonders auffällig ist das nun auch in ihrem Cannes-Wettbewerbsbeitrag „Forever Young“, einer Mischung aus Milieustudie, Drama und Komödie. Diesmal erinnert sich Bruni Tedeschi an ihre eigenen Anfänge als Studentin an einer legendären Schauspielschule vor den Toren von Paris. Dabei versucht sie zugleich, die Stimmung der 1980er Jahre einzufangen, als sie und ihre Mitstudent*innen noch glaubten, „für immer jung“ zu bleiben.

    Stella (Nadia Tereszkiewicz) will unbedingt vom legendären Theater-Regisseur Patrice Chéreau (Louis Garrel) die Schauspielkunst beigebracht bekommen.

    Stella (Nadia Tereszkiewicz), Adèle (Clara Bretheau) und Etienne (Sofiane Bennacer) sind nur drei der vielen Bewerber*innen, die bei der Aufnahmeprüfung an der Theaterschule Les Amandiers (so auch der französische Originaltitel des Films) in Nanterre um nur ein Dutzend Plätze konkurrieren. Sie alle wollen unter der Leitung des legendären Intendanten Patrice Chéreau (Louis Garrel) lernen. Überglücklich, angenommen worden zu sein, stürzt sich das Trio mit Haut und Haar in die Arbeit. Es geht etwa zu einem Workshop nach New York, wo Stella und Etienne ein Paar werden, obwohl sich schon hier Etiennes Drogensucht bemerkbar macht.

    Zurück in Nanterre beginnen die Proben für das Tchechow-Stück „Platonow“. Während Stella die Hauptfigur spielen soll, ist Etienne eine Nebenrolle zugeteilt worden. Seine Eifersucht, dass Stella auf der Bühne einem anderen körperlich nahekommen soll, bringt Etienne immer mehr aus dem Gleichgewicht. Er verfällt zunehmend den Drogen und dem Alkohol, hat sich bald nicht mehr im Griff. Stella versucht, ihm eine Stütze zu sein, stößt aber irgendwann an ihre Grenzen. Sie ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Leidenschaft fürs Spielen und dem Bedürfnis, für Etienne und ihre Beziehung Verantwortung zu übernehmen…

    Nostalgie für eine verlorene Jugend

    In der Protagonistin Stella ist nur unschwer ein Alter Ego von Bruni Tedeschi selbst zu erkennen. Quirlig, etwa naiv und sehr expressiv wird die Rolle gezeichnet – so wie die, die Bruni Tedeschi meist selbst als Darstellerin spielt. Nadia Tereszkiewicz füllt sie glaubhaft aus, auch wenn sie einem auf Dauer immer weniger sympathisch scheint. Das Kindlich-Fröhliche und gleichzeitig Verletzliche, das nicht nur in ihren ausufernden Gesten zu spüren ist, sondern auch in ihren oft fast übernatürlich weit aufgesperrten Augen zum Ausdruck kommt, fällt einem irgendwann auf die Nerven. Ähnlich ergeht es einem mit den restlichen Figuren. Während der ersten Stunde hört und sieht man dem bunten Haufen gerne zu, noch lässt man sich von dem geballten Enthusiasmus anstecken. Doch der Film dauert zwei Stunden und verliert sich in der zweiten Hälfte in der Wiederholung des immer Gleichen. Auf die Dauer sind die eher banalen Dialoge ermüdend, und der Versuch der Protagonist*innen, ihre Jugend bis zum Maximum auszukosten, ist wenig mitreißend.

    Das Drehbuchautorinnen-Trio, bestehend aus Bruni Tedeschi, ihrer Schauspiel-Regie-Kollegin Noémie Lvovsky („La Grande Magie“) sowie der Autorin Agnès de Sacy („The Summer House“), das in dieser Formation auch schon am Schauspielerinnen-Film „Actrices“ aktiv war, verantwortet ein Skript, das anfänglich frisch und dynamisch wirkt, aber im weiteren Verlauf in eine verklärte Nostalgie für eine vergangene Zeit verfällt. Das zeigt sich inhaltlich etwa, wenn es um die Beschreibung des Schaffensprozesses des Schauspielernden und der symbiotischen Beziehung zum Intendanten-Genie geht. Dazu kommt eine wenig emanzipatorische Auffassung von Liebe und Leidenschaft, die mit Eifersucht oder selbstzerstörerischer Hingabe gleichgesetzt werden – was zumindest zum Tchechow-Stück passt, das die Protagonisten einüben sollen und mit dem sie immer mehr zu verschmelzen drohen.

    Etienne (Sofiane Bennacer) droht, seine Freundin mit seiner Eifersucht und seinen sonstigen Süchten mit in den Abgrund zu ziehen.

    Jugend definiert der Film darüber hinaus durch eine – wohl eher vermeintliche – sexuelle Freiheit sowie den Konsum von Alkohol und Drogen, wobei es sich in letzterem Fall um eine vielleicht nicht geradezu verharmlosenden, aber dennoch romantisierenden Sichtweise handelt. Sie ist ein weiterer Baustein im Versuch, die übersprudelnde Lebensfreude der Protagonist*innen einzufangen. Das Resultat ist recht grell ausgefallen, was aber auf seine Weise nicht völlig unpassend ist, wenn man bedenkt, dass wohl viele unserer Erinnerungen, im Nachhinein als verzerrt oder überhöht gelten müssen. Und mit „Forever Young“ denken die Autorinnen eben zurück an die Zeit, in der sie selbst noch 20 waren.

    Fazit: Valeria Bruni Tedeschi versucht, die damals gespürte Magie der Wilden Achtziger und der eigenen Jugend für die Leinwand einzufangen. In diesem Bemühen geht sie aber inhaltlich wie formal zu plakativ vor. Besonders negativ fallen der verklärende Weichzeichner, der sich über die Bilder legt, und die überbordende Musikspur, die aus dem Film eine regelrechte Jukebox macht, auf.

    Wir haben „Forever Young“ beim Filmfestival in Cannes gesehen, wo er als Teil des Offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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