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    Being The Ricardos
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Being The Ricardos

    Hinter den Kulissen einer der erfolgreichsten Sitcoms aller Zeiten

    Von Christoph Petersen

    Zu Beginn der 1950er Jahre hatten die Läden in den USA immer Montags ein paar Stunden länger geöffnet, um auch Berufstätigen das Einkaufen zu ermöglichen. Aber dann blieb plötzlich die Kundschaft aus. Der Grund: Die Sitcom „I Love Lucy“ mit dem auch im realen Leben verheirateten Paar Lucille Ball und Desi Arnaz lockte ab 1951 immer Montags zur Prime Time bis zu 44 Millionen Zuschauer*innen vor die Fernsehgeräte. Ein Straßenfeger wie er im Buche steht.

    Drehbuchautor und Regisseur Aaron Sorkin liefert in seinem für Amazon Prime Video produzierten Showbiz-Drama „Being The Ricardos“ viele eingängige Anekdoten, um zu verdeutlichen, welchen immensen Stellenwert die Sitcom über die Hausfrau Lucy Ricardo, die unbedingt berühmt werden will, in der US-amerikanischen Popkultur-Geschichte bis heute hat. Wie schon in seinem Skript zu „Steve Jobs“, wo er die Geschichte des Tech-Gurus nur anhand des Geschehens hinter den Kulissen bei drei zentralen Produkteinführungen der Apple-Historie schildert, verdichtet er auch diesmal wieder etliche Themen auf engstem Raum.

    Der Table Read am Montag ist der Auftakt für eine wahrhaft stürmische Woche hinter den Kulissen des Sitcom-Megahits "I Love Lucy".

    Die zentrale Handlung von „Being The Ricardos“ spielt sich nämlich innerhalb des Produktionszeitraums einer einzelnen „I Love Lucy“-Episode ab – vom ersten Table Read am Montag bis zur Studioaufzeichnung vor Live-Publikum am Freitag. Allerdings hat es diese Woche ganz besonders in sich: In den Zeitungen gibt es Berichte sowohl über einen Seitensprung von Desi Arnaz (großartig, bekommt aber nicht allzu viel zu tun: Javier Bardem) als auch über angebliche kommunistische Verstrickungen von Lucille Ball (etwas schräg, aber sehr gut: Nicole Kidman).

    Außerdem muss das Paar den Senderchefs und Sponsoren verklickern, dass Lucille schwanger ist – und deshalb auch Lucy in der Serie ein Kind bekommen soll. Nur ist es in den Fünfzigern absolut undenkbar, dass das Wort „Schwangerschaft“ im TV auch nur ausgesprochen wird – von einer tatsächlich schwangeren Frau auf dem Fernsehschirm mal ganz zu schweigen. Schließlich würde sich das Publikum, wenn es eine Schwangere sieht, sofort die Frage stellen, wie sie wohl schwanger geworden ist…

    Immer was los

    Aaron Sorkin ist der Großmeister des Hinter-den-Kulissen-Getümmels. Perfektioniert hat er diese Methode vor allem bei seiner Arbeit an „The West Wing“, wo er fast alle Episoden der ersten vier Staffeln selbst geschrieben hat. Wie auf den Fluren des Weißen Hauses, wo in dem Serien-Meisterwerk immer drei oder mehr drängende Probleme parallel verhandelt werden, geht es nun auch hinter den Kulissen des „I Love Lucy“-Drehs drunter und drüber: Private, politische und kreative Gespräche fließen dabei nahtlos ineinander – und es ist leicht, sich von diesem gut zweistündigen Diskussionsrausch einfach mitreißen zu lassen …

    … zumal die Dialoge von Aaron Sorkin (Oscar für das Skript zu „The Social Network“) natürlich wieder absolut auf den Punkt formuliert und mit zahllosen historischen Details und Anekdoten angereichert sind. So erfährt man etwa, dass die Jagd auf (vermeintliche) Kommunisten in Hollywood damals dermaßen absurde Formen annahm, dass schließlich sogar schon siebenjährige Kinderstars ein Treueversprechen auf die Verfassung der Vereinigten Staaten ablegen mussten, um weiter im Fernsehen auftreten zu können.

    Bei den Kommunismusvorwürfen und der Schwangerschaft halten Lucille und Desi zusammen wie Pech und Schwefel - aber wegen seinen Seitensprüngen knirscht es trotzdem in der Ehe des Power-Couples.

    Wie schon in seinen ersten beiden Regiearbeiten „Molly’s Game“ und „The Trial Of The Chicago 7“ gelingt es Aaron Sorkin allerdings auch diesmal nur bedingt, die treibende Kraft der Dialoge mit seiner Inszenierung noch zusätzlich zu befeuern – das ist David Fincher bei „The Social Network“ oder Danny Boyle bei „Steve Jobs“ dann doch deutlich eindrucksvoller gelungen. „Being The Ricardos“ ist durchweg kurzweilig – aber die rauschhafte Qualität der besseren Verfilmungen von Aaron-Sorkin-Skripten wird hier trotzdem nie erreicht.

    Zudem werden einige Nebenhandlungen wie die Versuche von Co-Star Vivian Vance (Nina Arianda), schlanker und attraktiver zu werden, wobei der Reiz ihrer Figur in „I Love Lucy“ doch gerade auf ihrem Durchschnittsaussehen basiert, arg beiläufig abgehandelt. Da wäre weniger vermutlich mal wieder mehr gewesen: Schließlich bleibt so auch für die eigentlich zentralen Konflikte, also die Eheprobleme von Lucille und Desi, die Kommunismus-Vorwürfe sowie die kreativen Herausforderungen der Schwangerschaft, am Ende einfach nicht genügend Zeit, um sie tiefer als im lockerflockigen Schnelldurchgang zu verhandeln.

    Fazit: Aaron Sorkin brilliert auch bei seiner dritten Regiearbeit in erster Linie als Drehbuchautor. Sein Versuch, das Maximum an historischen Fakten und Anekdoten auf möglichst clevere und fließende Weise in den 131 Minuten von „Being The Ricardos“ unterzubringen, führt allerdings auch dazu, dass er den beiden Titelfiguren längst nicht so nahe kommt, wie es sich Fans der Kult-Sitcom „I Love Lucy“ vielleicht gewünscht hätten.

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