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    Die vier Federn
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die vier Federn
    Von Patrick Hamann

    Der Anruf von Steven Spielberg muss ihn umgehauen haben. Da dreht dieser Mann seit fast 20 Jahren seine Filme, und wird nun gebeten für die DreamWorks-Studios den Film "Air Pirates" zu drehen. Fluch oder ein wohlverdienter Erfolg? Immerhin gehört Shekhar Kapur zu den prominentesten Regisseuren Indiens. Und Bollywood steht derzeit weit oben in den Adressbüchern der amerikanischen Filmagenten. Jüngst gab uns Jimi Mistry noch den Tantra-Lehrmeister und Beischlaf-Guru Ramu in "Der Super-Guru". Was also mit indischen Schauspielern hervorragend funktioniert, kann doch mit einem Regisseur wie Kapur nicht schief gehen. Und die Produzenten behielten recht. Schon der erste englischsprachige Film des in Lahore, British England, geborenen Mannes, erhielt sieben Oscarnominierungen. "Elisabeth", die Verfilmung über eine der größten Ikonen Englands, der Königin Elizabeth I, von England zeigte die Stärken des Regisseurs. Aus dem vorviktorianischen Geschichtsunterricht wies Kapur der damaligen Gesellschaft ihre Machenschaften von Intrigen, Verrat und Tod auf.

    Die Frage war nun, ob der Inder den Erfolg und die Erwartungshaltung für sein aktuelles Projekt "Die vier Federn" noch einmal erfüllen kann? Die Zutaten für den Film sind sorgfältig ausgesucht, dennoch fehlt ihm die nötige Würze und Feinabstimmung. Heath Ledger mimt den Offiziersanwärter Harry Faversham, welcher kurz vor der Abkommandierung in den Sudan Gewissensbisse bekommt und kurzentschlossen die Armee verlässt. Für seine drei Freunde und seine Verlobte Ethne ist dies ein Zeichen von Feigheit. Sie schicken ihm aus Verachtung symbolisch vier Federn. Harry sieht sich in der Pflicht, nach Afrika zu reisen, und seinen Fehler zu korrigieren.

    Eigentlich sah es gar nicht danach aus, dass der 57-Jährige Kapur eine Hollywoodkarriere starten würde. Anfang der 70er Jahre stand da noch eine Lehre als Buchhalter im Weg, die allerdings durch das Interesse an den Film schnell in Vergessenheit geriet. Es folgten Miniauftritte und später größere Aufträge in indischen Produktionen. Auch versuchte er sich eine Zeitlang als Moderator der Talkshow "On the other hand", dennoch stand irgendwann das Produzieren und Arbeiten hinter der Kamera im Vordergrund. Filme wie "Masoom - The Innocent" und "Mr. India" erhielten in Indien wichtige Auszeichnungen und ebneten den Weg zu einer erfolgreichen Karriere. Dennoch dauerte es bis zum Jahre 1994, bis ein weltweites Interesse an seiner Person kam. "Bandit Queen" machte ihn durch die Filmfestspiele schlagartig bekannt. In seinem Heimatland wurde nur eine gekürzte Version gezeigt, anderswo kam er in seiner ursprünglichen Form in die Kinos. Der unbeabsichtigte Erfolg holte dann auch die Hollywoodproduzenten aus ihren Chefsesseln. Das Working Title Films Team verpflichtete Shekhar Kapur quasi vom Fleck weg für die gewagte Aufgabe eines englischen Stoffes. Der Rest ist Geschichte.

    Nun also "Die vier Federn". Heath Ledger ("Ritter aus Leidenschaft") ist mit dieser Rolle gut besetzt und schenkt seiner Figur Ausdrucksstärke. Bei genauerer Betrachtung ähnelt er sogar einem Brad Pitt. Die langen Haare und der unrasierte Bart erinnert stark an das Jean-Jacques-Annaud-Abenteuer "Sieben Jahre in Tibet". Genau wie in diesem Film begibt sich der tragische Held auf eine Reise voller Gefahren und Ungewissheit. Allerdings teilen beide Filme das gleiche Schicksal. Die Geschichte des Helden, kann nicht immer begeistern und in seinen Bann ziehen. Über weite Strecken läuft "Die vier Federn" ins Leere. Man wartet förmlich darauf, dass etwas passiert, doch es geschieht nichts. Der Film erfüllt einen phasenweise mit Langeweile. Er strotz über mehrere Minuten nur so vor nicht enden wollenden Dialogpassagen, was darauf schließen lässt, dass sich der Regisseur sehr genau an die Buchvorlage von A.E.W. Mason hielt. Doch dieser Roman ist aus dem Jahre 1902, und es ist schwer, einen solchen Stoff attraktiv in die heutige Zeit zu verlagern.

    Doch ich möchte den Film nicht völlig schlecht reden. Das Epos hat hervorragende Ansätze. Schon allein die Auftritte von Wes Bentley ("American Beauty", auf dem besten Weg zum Star), Kate Hudson ("Almost Famous", ihr Auftritt kommt viel zu kurz) und vor allem Djimon Hounsou (bekannt aus der "Gladiator") sind den Kauf einer Kinokarte wert. In der Szene wo Ledger und Hounsou in der Höhle sitzen und sich über das Lachen der Engländer amüsieren, stimmt einen mit Sympathie und Freude für die beiden Helden. Einer jener Magic Moments im Kino, an die man lange zurück denken möchte. Auch sind die Ausstattung und Kostüme des Film sehr beeindruckend und werden bei der nächsten Oscarverleihung im März 2003 ein Wörtchen mitreden.

    Besonders herausragend ist die leider einzige Gefechtsszene, in der die englischen Soldaten auf sich allein gestellt gegen das Wüstenvolk antreten. In diesem Moment plötzlich scheint es, als wolle der Film seine ganze Stärke aufweisen, in diesem Moment hebt er sich zur ganzen Größe, die er hätte haben können. Und zwar ein Meisterwerk. Einen Vergleich mit dem Meisterwerk "Lawrence von Arabien" von David Lean möchte ich somit vermeiden. Oder? Schließlich wurde "Die vier Federn" so vom Verleiher angepriesen. Doch bei dem Film von Shekhar Kapur und dem Peter-O`Toole-Klassiker handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Filme. In dessen Vergleich "Die vier Federn" klar dieselben lassen müsste. Letztendlich ist der Film nicht schlecht, die Erwartungshaltung war nur sehr hoch, und dieser wird er leider nicht gerecht.

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