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    Against The Ice
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Against The Ice

    Viel Eis, wenig Spannung

    Von Björn Becher

    Nachdem der dänische Schauspieler Nikolaj Coster-Waldau beim Stöbern in einem Antiquariat die Memoiren des Polarforschers Ejnar Mikkelsen entdeckte, wurde ihm beim Lesen schnell klar, dass er die in „Two Against The Ice“ geschilderte Geschichte seine Landsmanns unbedingt verfilmen muss. Er blieb aber nicht nur Produzent, sondern schrieb zudem auch noch am Drehbuch mit und übernahm natürlich die Hauptrolle.

    Wer sich nun das etwas schlichter „Against The Ice“ betitelte Netflix-Drama von Regisseur Peter Flinth („Arn – Der Kreuzritter“) ansieht, wird schon verstehen, was den „Game Of Thrones“-Star an dem mehrjährigen Überlebenskampf zweier Männer in einer unwirtlichen Landschaft gereizt hat. Allerdings wird davon viel zu wenig in einem am Ende viel zu glatten und nur selten mitreißenden Survival-Film für das Publikum auch erfahrbar gemacht.

    Ejnar und Iver sind gerade erst ins Eis aufgebrochen.

    Zwischen Dänemark und den USA tobt ein Streit um den Anspruch auf Nordostgrönland. Die Amerikaner behaupten, dass ein breiter Kanal das Land teile, damit sei der Nordosten eine eigene Insel, die sie damit zuerst betreten und beansprucht hätten. Eine dänische Forschungsexpedition sollte das widerlegen und beweisen, dass Grönland eine durchgängige Landmasse ist. Damit wäre alles eine dänische Kolonie. Doch die Forscher sind seit mehreren Jahren verschollen.

    So macht sich der Kapitän Ejnar Mikkelsen (Nikolaj Coster-Waldau) auf, zumindest die Aufzeichnungen der vorherigen Mission zu finden. Dass ein erster Anlauf, von der Ankerstelle des Schiffs mit Schlitten weiter vorzudringen, gescheitert ist und seinen Mitstreiter einen Zeh kostete, hält ihn nicht ab, es noch mal zu versuchen. Also sucht er einen Freiwilligen, der ihn noch einmal für Monate ins tiefste Eis begleitet. Nur der unbedarfte Mechaniker Iver Iversen (Joe Cole) meldet sich. Mit zwei Schlitten, Hunden und viel Proviant brechen sie im März 1910 auf. Bis August müssen sie zurückkehren, denn dann muss das Schiff gen Heimat aufbrechen, bevor das Ablegen aufgrund des Winters unmöglich wird. Doch es werden viele Tage, Monate und am Ende gar Jahre, die die beiden ungleichen Männer gemeinsam im ewigen Eis verbringen müssen...

    Wie langweilig kann Überlebenskampf sein?

    Sehr viel Zeit nehmen sich Coster-Waldau und sein Co-Autor Joe Derrick nicht, um uns in die weiteren, auch politischen Umstände des Szenarios einzuführen. Stattdessen steigen sie direkt mit Mikkelsens Rückkehr vom ersten gescheiterten Ausflug ins Eis ein, um anschließend nur kurz mit der Amputation des Zehs eines Kameraden zu illustrieren, welche Opfer so eine Polarmission mit sich bringen kann. Wenn die Schiffscrew dann Weihnachten 1909 im Eis feiert und der Kapitän ankündigt, dass es nicht zurück nach Hause geht, ist das Szenario final umrissen. Dass sich erst mal kein Freiwilliger als Begleiter meldet, ist verständlich. Der neuerliche Ausflug, bei dem ein kleiner Steinhaufen mit Dokumenten in einer riesigen Eiswüste gefunden werden muss, ist schließlich eine waschechte Selbstmordmission …

    … doch dieser Moment des Zögerns ist fast schon das letzte Mal, dass die Gefahr wirklich greifbar wird. Denn sobald Mikkelsen und sein naiver Begleiter Iver Iversen aufbrechen, wird ihr Überlebenskampf schnell schlichtweg langweilig. Es gibt zwar einzelne Momente, in denen Regisseur Flinth versucht, die Spannung zuzuspitzen. Doch selbst wenn es zum Beinahe-Absturz von einer Klippe oder zur Konfrontation mit einem CGI-Eisbär kommt, sorgt das nur sehr kurz für einen Puls-Anstieg.

    Wie lange das Duo hier wohl schon im Eis unterwegs ist?

    Über weite Strecken beobachten wir die beiden Männer aber nur auf dem Weg durchs Eis. Dass Iversen das zu Beginn noch als großes Abenteuer sieht und jauchzend auf seinem Schlitten durch die Schneelandschaft gleitet, soll die Fallhöhe steigern, bevor es dann fließend in den dramatischen Überlebenskampf übergeht. Aber die Dramatik bleibt aus, weil trotz des überwiegenden Drehs in Island und Grönland und nur weniger Green-Screen-Aufnahmen im Studio die lebensfeindliche Unwirtlichkeit der Eislandschaft immer nur behauptet wird, aber selten wirklich erlebbar ist.

    Mal gibt’s einen Schneesturm, mal scheint die Sonne, aber über weite Strecken bewegen sich die Männer durch das Eis, ohne dass sich was für uns verändert. Würde nicht (recht wahllos) eingeblendet, dass nun 26, 48 oder 84 Tage verstrichen sind, hätte man gar kein Gefühl dafür, ob die Männer gerade erst aufgebrochen sind oder schon seit Wochen tief ins Eis vorgedrungen sind. Wenn es später dann sogar Hunderter-Sprünge bei der Tagesanzeige gibt, wird einem natürlich bewusst, wie hart es sein muss, nun schon über Monate im Eis festzusitzen. Aber man fühlt es trotzdem weiterhin nicht. Die Bärte werden etwas länger, die Haut etwas gegerbter, aber sonst sehen Coster-Waldau und „Gangs Of London“-Star Joe Cole nie aus wie Menschen, die hier wirklich einen Kampf mit dem Eis ausfechten.

    Auch der Kampf der Männer sorgt nicht für das erhoffte Drama

    In der zweiten Hälfte scheint „Against The Ice“ sich zu drehen. Aus dem vom Filmtitel versprochenen Kampf gegen das Eis wird womöglich der Kampf der Männer untereinander. Iversen fängt plötzlich an, über Kannibalismus zu fabulieren, Mikkelsen halluziniert, dass seine große Liebe Naja (Heida Reed) mit ihm kommuniziert. Der Wahnsinn scheint um sich zu greifen – womöglich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der eine über den anderen herfällt. Doch selbst das sorgt nur für einen kurzen Spannungsanstieg, wird aber – anders als im in dieser Hinsicht vergleichbaren, aber viel besseren „Der Leuchtturm“ – nie tiefer ergründet. Wie alles in „Against The Ice“ bleibt auch dieser Einblick in die Psyche zweier im Eis festsitzender Menschen oberflächlich.

    Fazit: Der auf einer wahren Geschichte basierende Überlebenskampf zwei Männer im Eis bringt eigentlich alles mit, was es für ein hochspannendes Drama braucht. Doch der Netflix-Survival-Thriller ist am Ende vor allem ziemlich langweilig.

    Wir haben „Against The Ice“ im Rahmen der Berlinale 2022 gesehen, wo er als Teil der Reihe Berlinale Special Gala gezeigt wurde.

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