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    Cocaine Bear
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Cocaine Bear

    Der Film hält, was der Titel verspricht!

    Von Christoph Petersen

    Nirgendwo liegen Erfolg und Misserfolg so nah beieinander wie in Hollywood. Davon kann auch „Die Tribute von Panem“-Star Elizabeth Banks ein Lied singen: Obwohl ihr mit „Pitch Perfect 2“ auf Anhieb der dritterfolgreichste US-Kinostart einer Regisseurin überhaupt gelang, schien ihre Karriere hinter der Kamera nach dem historischen Flop von „3 Engel für Charlie“ schon wieder beendet, bevor sie überhaupt so richtig begonnen hat. Die meisten Filmemacher*innen würden in einer solchen Situation wohl auf Nummer sicher gehen und im dritten Anlauf ein Projekt auswählen, das möglichst nirgendwo anecken und sicher performen wird.

    Aber nicht so Elizabeth Banks! In die Ecke gedrängt, hat sie stattdessen einen der wohl abgefahrensten Filme, der jemals von einem großen Hollywoodstudio in die Kinos gebracht wurde, auf die Beine gestellt. Und das ist genau jene Scheiß-drauf-ich-zieh-mein-Ding-durch-Attitüde, die es für so einen Streifen braucht – denn im Gegensatz zu „Snakes On A Plane“, der sich letztendlich doch als viel zahmer als erwartet herausstellte, hält die Horror-Komödie „Cocaine Bear“, was der Titel verspricht. Daran besteht spätestens dann keinerlei Zweifel mehr, wenn der titelgebende Schwarzbär eine Kokain-Line vom abgerissenen Bein eines Parkinspektors schnupft.

    Eine alte Regel besagt: Bei Braunbären soll man sich still hinlegen, bei Schwarzbären soll man zurückschlagen. Aber wer würde es sich schon trauen, dieser zugedröhnten Killermaschine eins auf die Nase zu geben?

    Im Jahr 1985 wirft ein zugedröhnter Pilot Pakete mit kiloweise Kokain über dem Chattahoochee–Oconee National Forest im nördlichen Georgia ab. Aber noch bevor sich der Drogenbaron Syd (der im Mai 2022 verstorbene Ray Liotta in seiner letzten Rolle) auf den Weg machen kann, um die wertvolle Ware wieder einzusammeln, stößt ein Amerikanischer Schwarzbär auf das weiße Pulver – und verwandelt sich nach dem Genuss der ersten Kilos in eine amoklaufende Bestie, die nur noch ein Ziel kennt: noch mehr Kokain!

    So stapeln sich schnell die grausam verstümmelten Leichen in dem Naturpark, in dem die Krankenschwester Sari (Keri Russell) nach ihrer ausgebüchsten Tochter Dee Dee (Brooklynn Prince) sucht, sich die Rangerin Liz (Margo Martindale) auf ein Date mit dem Parkinspektor Peter (Jesse Tyler Ferguson) vorbereitet und der Polizist Bob (Isiah Whitlock Jr.) auf eigene Faust nach dem abgeworfenen Kokain forscht…

    Eine wahre Geschichte!?

    Tatsächlich hat Mitte der 1980er ein etwa 80 Kilogramm schwerer Schwarzbär einen ganzen Seesack voller Kokain weggeschnupft – aber statt im Anschluss Amok zu laufen, ist er schlichtweg an einer Überdosis zugrunde gegangen. Posthum auf Spitznamen wie Pablo Escobear oder Cokey the Bear getauft, steht der inzwischen ausgestopfte Bär heutzutage in Lexington, Kentucky. Da der Film mit der wahren Geschichte abseits der Prämisse also sowieso nichts zu tun hat, gibt es für Elizabeth Banks und Drehbuchautor Jimmy Warden („The Babysitter: Killer Queen“) ab dem Moment, in dem der Cocaine Bear auf der Leinwand eine schwedische Wandertouristin in ihre Einzelteile zerlegt, also keinen Grund mehr, es mit dem Blut, dem Gore und dem Wahnsinn nicht so weit wie irgendwie möglich zu (über-)treiben.

    Und genau das machen sie dann auch: Während die aufgerissene Pobacke einer Parkrangerin nach einem Prankenhieb noch wirklich schmerzhaft anmutet, steht bei dem ausgiebig zelebrierten Blutbad ansonsten stets der Spaß und nicht die Spannung im Vordergrund. Der absolute Höhepunkt wird dabei schon nach etwa zwei Dritteln erreicht (weshalb das eigentliche Finale im Vergleich etwas enttäuscht): Cocaine Bear jagt zum Song „Just Can't Get Enough“, der in Anbetracht eines kokainsüchtigen Bären natürlich noch einmal eine völlig neue Bedeutung erhält, einem flüchtenden Krankenwagen hinterher. Wenn die auf einer Trage fixierte Rangerin aus dem Auto fällt und mit dem Gesicht nach unten viele Meter weit auf dem blanken Asphalt entlangschrubbt, dann hört sich das jetzt vielleicht brutal an, aber im Kinosaal bricht mit dieser Szene endgültig die pure Partystimmung aus.

    Mit der Attacke auf einen flüchtenden Krankenwagen erreicht „Cocain Bear“ seinen glorreichen, aber auch etwas verfrühten Höhepunkt.

    Dazu passt auch, dass die Verantwortlichen bei ihrem aus dem Computer stammenden Titelstar weniger Wert auf Glaubhaftigkeit als vielmehr auf eine besonders ausdrucksstarke Mimik gelegt haben. Aber diese konsequente karikaturistische Überhöhung des Killerbären und seiner Gewaltausbrüche bringt auch gewisse dramaturgische Probleme mit sich: Wenn der Film zwischendrin sein ausgesprochen breites Figurenarsenal vorstellt, dann ist das zwar besser inszeniert und angesichts der hochkarätigen Besetzung um Alden Ehrenreich („Solo: A Star Wars Story“) oder Brooklynn Prince („The Florida Project“) vor allem sehr viel besser gespielt als in so ziemlich allen vergleichbaren Genrefilmen …

    … und trotzdem wünscht man sich die meiste Zeit einfach nur die nächste Szene mit dem Bären herbei. So wirkt es so, als würde „Cocaine Bear“ zwischendrin immer wieder ganz schön auf die Bremse treten, statt das spätestens in der Krankenwagen-Sequenz angedeutete, regelrecht wahnwitzige Tempo auch mal über einen längeren Zeitraum beizubehalten.

    Fazit: „Cocaine Bear“ liefert, was der Titel verspricht! Wer sich von der Idee eines kokainschnupfenden Killerbären angesprochen fühlt, sollte sich den Kinobesuch – möglichst mit gleichgesinnten Freund*innen sowie dem einen oder anderen alkoholischen Getränk – also besser nicht entgehen lassen.

     

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