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    Deep Blue
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Deep Blue
    Von Stefan Ludwig

    Tier-Dokumentationen sind normalerweise fürs Fernsehen bestimmt. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel - in den letzten Jahren gab es nur zwei große Natur-Epen, die es ins Kino geschafft haben. Der sehr ungewöhnliche „Mikrokosmos“ über das Leben einer Wiese und die Vogelwanderungen der „Nomaden der Lüfte“. Nun folgt mit „Deep Blue“ die dritte Tier-Dokumentation, diesmal über die Bewohner der Ozeane. Seit 1998 wurde diese Produktion von BBC Worldwide und Greenlight Media an zahlreichen Orten rund um den Globus gedreht. Den beiden Regisseuren Alastair Fothergill („Life in the Freezer“) und Andy Byatt („Monsters We Met“) stand ein Budget von 17 Millionen Dollar für die TV-Serie und den Kinofilm zusammen offen. Herausgekommen ist ein atemberaubendes Filmwerk, das dem Kinobesucher interessante Einblicke in die Tierwelt der Meere bietet, die es zum Teil in solcher Form noch nicht gegeben hat. Bei den Dreharbeiten sind viele unbekannte Spezies entdeckt worden, da die Ozeane zum einen relativ unerforscht sind und zum anderen in bis zu 5000 Metern Tiefe mit Hilfe von Mini-U-Booten gefilmt wurde.

    Eine Story, wie beispielsweise die filmübergreifende Verfolgung eines Delfinschwarms, wird nicht geboten. „Deep Blue“ beschränkt sich darauf, einzelne Szenen über die Vielfalt der Arten, die das Meer beherbergt, zu zeigen. Da werden Robben von Schwertwalen im untiefen Wasser attackiert, Fische verstecken sich bei Nacht vor angreifenden Haien, Korallen fressen ihre Nachbarn bei lebendigem Leib oder eine Gruppe von Schwertwalen drängt in einer sechs Stunden umfassenden Treibjagd ein Grauwalkalb von seiner Mutter ab. Eine ganze Armee von Krebsen vertilgt Schlamm und die wandernden Kaiserpinguine stellen sich bei eisigem Wind zwecks größerer Körperwärme dicht aneinander. Ungewöhnliche Spezies, bei denen vorne und hinten zunächst nicht recht auszumachen ist, bringen den Zuschauer zum Schmunzeln und er kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Im letzten Fünftel des Film geht die Reise weiter nach unten, Tausende Meter in die Tiefe. Tiere jenseits der Vorstellungskraft wecken das Interesse auf eine genauere Erforschung dieser Lebensräume.

    Die Szenen in den Tiefen, die nur mittels Kamera-U-Booten gefilmt werden können, sind ein klares Highlight. Sie sind neu und äußerst faszinierend. Da Aufnahme mit Mikrofonen in diesen Bereichen aufgrund der Lautstärke der U-Boote nicht möglich ist, wurde hier nachvertont, was jedoch äußerst gelungen klingt. „Deep Blue“ bietet wenig Sprache, relativ selten hebt Kommentator Frank Glaubrecht (deutsche Stimme von Kevin Costner und Al Pacino) seine Stimme. Vielleicht wäre etwas mehr Information wünschenswert gewesen, doch aus der spärlichen Kommentierung resultiert eine Bildgewalt, wie sie selten im Kino zu sehen war. Zum Genuss dieser trägt außerdem der eindrucksvolle Soundtrack von George Fenton („Gefährliche Liebschaften“ , „Der König der Fischer“) bei, den das Berliner Philharmonika-Orchester eingespielt hat. Viel besser hätte die Musikuntermalung nicht gemacht werden können, nie ist sie zu aufdringlich, doch an den richtigen Stellen dramatisch oder bedrohlich.

    Die Darsteller des Films sind die Meeresbewohner sowie einige Vögel, ein Schwarm Albatrosse wurde ein Stück weit begleitet. Der Zuschauer erlebt eine Welt, in der stets das Gesetz des Stärkeren und Geschickteren gilt. Wer sich am besten seiner Umwelt anpasst, überlebt. Im Gegensatz zum Menschen, der die Umwelt mehr an sich anpasst, denn sich an die Umwelt, gibt es in dieser Welt Tiere, die sich z. B. mit den Farben und Formen ihrer Umgebung perfekt tarnen. Hier sei ein gelb-grünes Ungetüm erwähnt, das in den Korallenriffen auf Nahrungssuche umhertaucht und eine nicht identifizierbare Gliederform aufweist. Beindruckend sind die Bilder, welche die Natur selbst schafft, diese Formen und Farbenvielfalt sind schlichtweg überwältigend - riesige Schwärme von durchsichtigen Quallen oder Fischschwärme, die mehr einer riesigen Masse gleichen, denn vielen tausend kleinen Fischen.

    Einige Mängel hat „Deep Blue“ auch, aber das sind nur kleinere Gesichtspunkte. Dem Zuschauer werden nicht sonderlich viele Informationen über die Bilder hinaus geboten, die Frage nach Fakten ist jedoch Ansichtssache. Doch dem optischen Meisterwerk mit ebenso wundervoller Musik hätten ein paar vertiefende Erklärungen gut getan, damit der Zuschauer nicht nur berauscht, sondern auch mit neuem Wissen den Saal verlässt. Außerdem sind an manchen Stellen zu lange Einstellungen nur mit dem Wasser beschäftigt und zeigen fast minutenlang die sich auftürmenden Wellen. Etwas ausgeglichen wird dies durch schnelle Kamerafahrten über die Wassermassen, die wie im 3D-Kino bei einer Achterbahnfahrt den Besucher in das Bild zu ziehen scheinen. Doch diese minimalen Abzüge sollen nicht trügen: Die Eindrücke des Films sollten sich jung und alt nicht entgehen lassen. Den merkwürdigen Fisch, der sich mit einer kleinen Leuchtkugel in der Tiefe seine Beute „angelt“ werden viele übrigens schon aus „Findet Nemo“ kennen, was dessen Existenz umso faszinierender macht.

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